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Bankenrettung
Gewappnet für diesen Krisenfall

Warum 2023 nicht 2008 sein muss
Blick nach oben in den Frankfurter Hochhausschluchten.

Blick nach oben in den Frankfurter Hochhausschluchten.

© picture alliance/dpa | Helmut Fricke

Mit der Schweizer Bank Credit Suisse musste am Wochenende die erste systemrelevante Bank seit der globalen Finanzkrise 2007/08 gerettet werden. Der Notverkauf von Credit Suisse an UBS ist bisher die gravierendste Nachwirkung der Silicon Valley Bank Pleite. Die Turbulenzen auf den globalen Finanzmärkten sind groß und das internationale Umfeld ist schwieriger geworden. Aber vieles deutet darauf hin, dass 2023 nicht 2008 ist.

Die Finanzmarktturbulenzen der vergangenen Woche haben einige Menschen an den Beginn der globalen Finanzkrise 2007/08 erinnert. Eine Bank geht pleite, gleich zwei weitere Banken folgen und die Kurse fallen weltweit. Am Sonntagabend ging es Schlag auf Schlag. Die taumelnde Credit Suisse wird mit staatlicher Unterstützung vom größten Schweizer Bankhaus, der UBS, aufgekauft. Gleichzeitig kündigen die wichtigsten Zentralbanken um die US-Notenbank Federal Reserve und die Europäische Zentralbank (EZB) koordinierte Maßnahmen an, um die Liquiditätsversorgung mit Dollar zu verbessern. Der systemische Stress an den US-Märkten und in der Eurozone ist in der vergangenen Woche auf ein Niveau ähnlich der Frühphase der globalen Finanzkrise 2007/08 und der Pandemie 2020 gestiegen. Die Lage ist ernst, aber Zentralbanken und Finanzwelt sind heute besser vorbereitet auf systemische Krisen. 

Die Pleite der Silicon Valley Bank

Bis vergangene Woche galt die Silicon Valley Bank (SVB) als ein Sonderfall unter den Banken. Das Geschäftsmodell zielte vor allem auf innovative Start-ups, deren Finanzierung für viele andere Banken häufig als zu risikoreich galt. Im Gegenzug für diese Unterstützung verlangte die SVB, dass die Kunden alle ihre Geschäfte über die Bank abwickeln. Am Ende wurde der Bank aber nicht die Offenheit für riskante Finanzierungsmodelle zum Verhängnis, sondern eine verfehlte Anlagestrategie.

Zunächst schien es für die Silicon Valley Bank ausgezeichnet gelaufen. Der Tech-Boom der vergangenen Jahre spülte viel Geld in die Kassen der Bank, so viel, dass die Bank das Geld nicht mehr in Start-ups investierte, sondern auf andere Anlageformen, unter anderem Staatsanleihen auswich. In Zeiten niedriger Zinsen gelten solche Anleihen nicht nur als besonders sicher, sondern mit einer immerhin niedrigen Verzinsung auch als profitabel. Doch die Bank traf eine, aus heutiger Sicht, fatale Entscheidung. Sie legte kurzfristig abrufbares Geld langfristig und festverzinst an. Das ging solange gut, wie die Zinsen niedrig blieben. Mit steigender Inflation jedoch endete nicht nur der Tech-Boom, sondern auch die Niedrigzinsphase. Als die US-Notenbank die Zinsen erhöhte, verlangte auch die Kundschaft der Bank höhere Zinsen, so dass die Bank höhere Zinsen zahlen musste aber auf das festangelegte Geld weniger Zinsen bekam.

Die Wirkung dieser Laufzeitinkongruenz zwischen den Vermögenswerten und Verbindlichkeiten der Bank wurde verstärkt durch die Zusammensetzung des Kundenstamms der Silicon Valley Bank. Zum einen waren die Start-up Kunden auf Profit und damit auch auf die höheren Zinsen angewiesen und zum anderen hatte ein überdurchschnittlicher Anteil von 97 Prozent der Kunden Finanzmittel über der Versicherungsschwelle angelegt. In den USA sind Sparguthaben bis zu einer Höhe von 250.000 Dollar von der US-Einlagensicherungsbehörde FDIC abgesichert, und so war jeder Zweifel an der Stabilität der Bank gefährlich.

Ende vergangener Woche kam nun alles zusammen. Die Bank musste ihre verlustbringenden Anlagen mit einem Milliardenverlust verkaufen. Das besorgte die Kundschaft, deren Konten zu großen Teilen nicht versichert waren und führte zu einem modernen Bank-Run. Innerhalb kürzester Zeit zogen die Kunden Anfang des Monats 42 Milliarden Dollar ab und brachten die Bank in Zahlungsschwierigkeiten. Um eine weitere Eskalation der Krise zu verhindern, schritt die FDIC ein und übernahm am 10. März die Kontrolle über die Bank. Über das folgende Wochenende haben die drei wichtigsten US-Finanzinstitutionen – Finanzministerium, Federal Reserve und FDIC – um eine Lösung zur Eindämmung der Krise gerungen. Montagmorgen verkündeten sie, dass alle Einlagen inklusiver solcher, die über der 250.000 Dollar Grenze liegen, sicher seien und die Unternehmen am Montag auch an ihr Geld kommen, um ihre Mitarbeiter zu bezahlen. Woher das Geld dafür kommen soll, ist noch nicht vollständig geklärt, die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen betonte jedenfalls, dass kein Steuergeld eingesetzt werden soll.

Die Federal Reserve kündigte ein Bank Term Funding Programm an, mit den Banken zur Not gezielt Geld zur Verfügung gestellt werden kann und ein Übergreifen der Krise auf weiter Institute verhindert werden soll. Bislang sind an amerikanischen Banken neben der SVB auch die New Yorker Signature von der Pleite betroffen. Ein Übergreifen auf den britischen Arm der SVB haben die dortigen Regulierer durch den Rettungsverkauf von Silicon Valley Bank UK für ein Pfund an die britische HSBC verhindert. Angesichts des besonderen Geschäftsmodells der Bank und des schnellen Eingreifens der Regulierer scheint, anders als etwa in der globalen Finanzkrise 2007/08 nach der Pleite von Lehman Brothers, die direkte Ansteckung weniger das Problem zu sein. Dennoch schwappt die Krise von den USA nach Europa und in andere Länder.

Der schleichende Fall der Credit Suisse

Der Kurseinbruch anderer Bankaktien, insbesondere der Schweizer Bank Credit Suisse, deren Kurs zeitweise um über 60 Prozent eingebrochen ist, verdeutlicht, dass die Ausweitung der Krise über indirektere Kanäle weiterläuft. In den USA ziehen gerade Sparer ihr Geld von kleineren Regionalbanken ab und legen sie bei größeren Banken an, weil sie Angst vor dem Verlust ihrer Einlagen im Falle eines Zusammenbruchs wie bei SVB haben. In den USA wird daher derzeit über eine Ausweitung der Einlagensicherung für Regionalbanken diskutiert.

Die wohl gefährlichste Form der indirekten Ansteckung ist schlichtweg Panik. Finanzmärkte sind nicht immer rational. Der dramatische Absturz der Credit Suisse Aktie resultiert weder aus einer direkten Verbindung zwischen dem Züricher Bankhaus und der kalifornischen Pleitebank noch aus einem ähnlichem Geschäftsmodell. Hier trifft es eine bereits geschwächte Großbank. Das Geschäftsmodell der Credit Suisse war weniger einzigartig, als das der SVB, aber im Ergebnis hat es zum Untergang des 1856 gegründeten Bankhauses beigetragen. Die Credit Suisse hat sich auf Vermögensverwaltung konzentriert und es dabei, so enthüllten es die „Suisse Secrets“ in der Süddeutschen Zeitung Anfang vergangenen Jahres, nicht immer genau mit den Geldwäscheregeln und Standards genommen. Die Schweizer Bank stand bereits vor dem Fall von SVB durch Krisen und Skandale unter Druck.

Bereits Ende vergangenen Jahres war die Einlagenbasis der Bank bedroht und als der größte Aktionär der Credit Suisse im Nachgang der SVB Pleite eine größere Beteiligung kategorisch ausgeschlossen hat, drohte der Kurs ins bodenlose zu fallen. Für eine als systemrelevant eingestufte Bank und insbesondere die Schweizer Finanzwelt drohten katastrophale Folgen. Deswegen initiierten die Schweizer Bundesregierung und Nationalbank eilig eine Übernahme von Credit Suisse durch die größte Schweizer Bank UBS. Aus der Fusion entsteht nicht nur eine Bank mit einer Bilanzsumme, die größer als das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz ist, sondern auch eine der größten europäischen Banken. Die Notrettung gilt zumindest bisher trotzdem als gelungen. Selbst der Verlust bei Anlegern der sogenannten Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) ist verschmerzbar, weil bei dieser speziellen Art der Wandelanleihen ein größeres Verlustrisiko bekannt war. Die Kursverluste bei anderen europäischen Banken sind bei den meisten Banken am selben Tag aufgeholt worden und zumindest zum aktuellen Zeitpunkt scheinen die Auswirkungen auf Banken in der EU händelbar zu sein.

Die Lehren aus der globalen Finanzkrise

Im Vergleich zu 2007/08 sind die Herausforderungen für die Finanzwelt heute fundamental anders und in ihrer Komplexität, zumindest zum aktuellen Zeitpunkt, geringer als damals. In der globalen Finanzkrise hatten Banken und Regulierer Schwierigkeiten das Ausmaß des Problems mit hochkomplexe Finanzprodukten zu verstehen, um dann die entsprechenden Eindämmungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Ansteckungsgefahren waren direkter und letztendlich hat der Zusammenbruch einer großen Bank und eines zentralen Marktsegments, die globalen Finanzmärkte wie ein Kartenhaus einstürzen lassen.

Seit der Finanzkrise sind die Banken sehr viel auskömmlicher mit Eigenkapital und Liquidität ausgestattet. Vor allem der europäische Bankensektor profitiert von engmaschigeren Vorschriften. So sind die Liquiditätspuffer größer und die Eigenkapitalkriterien strenger. Zwar ist die Bankenunion noch nicht vollendet, aber die gemeinsame Aufsicht über systemrelevante Banken trägt zur Robustheit bei. Die krisenerprobte Präsidentin der EZB, Christine Lagarde betont dieser Tage, dass auch das geldpolitische Instrumentarium der EZB voll ausgestattet sei, um das Finanzsystem des Euroraums bei Bedarf mit Liquidität zu versorgen.

Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung war die Ankündigung der EZB, die US-Notenbank Federal Reserve, der Bank of England sowie der Notenbanken Japans, Großbritanniens, der Schweiz und Kanadas mit einer koordinierten Maßnahme Dollar-Liquidität für die Märkte bereit zu stellen. Bei diesen sogenannten Swap-Geschäften tauschen Zentralbanken Devisen aus, so dass vor allem die Federal Reserve US-Dollar für die anderen Märkte bereitstellt. Konkret haben die Zentralbanken die Häufigkeit des Austausches von wöchentlich auf täglich umgestellt, um auf einen größeren Bedarf reagieren zu können. Dieses Instrument haben die Zentralbanken in der Form zum erstem Mal im Dezember 2007 vereinbart. Seitdem sind koordinierte Swap-Lines zur Mittel der Wahl bei Liquiditätsengpässen geworden. Ein zentraler Unterschied zwischen der Krise vor 15 Jahren und heute ist die Erfahrung und der Instrumentenkasten, über die Zentralbanken mittlerweile verfügen. Das erhöht vor allem die Reaktionsgeschwindigkeit, Entschlossenheit und Effizienz, mit der Notenbanken auf Krisen reagieren können. Das gilt für die Koordinierung von geldpolitische Maßnahmen genauso wie die Wirkungsweise unkonventioneller Instrumente wie zum Beispiel Quantitative Easing (QE).

Ein schwierigeres internationales Umfeld

Anderseits ist das Umfeld, in dem Zentralbanken agieren, schwieriger geworden. Das betrifft vor allem die gestiegene Inflation. Die Finanzkrise 2007/08 folgte auf eine als Great Moderation bekannten Phase, in der Volatilität, Konjunkturschwankungen und vor allem Inflation niedrig waren. Die Leitzinsen waren hoch und Zentralbanken konnten sich zumindest in der Theorie voll auf die Sicherung der Finanzstabilität konzentrieren. Heute stehen die Zentralbanken vor einem möglichen Zielkonflikt zwischen Finanz- und Geldstabilität, bei dem sie sich entscheiden müssen, mit höheren Zinsen gegen die hohe Inflation vorzugehen, dafür aber die Refinanzierungskosten für Banken zu erhöhen oder umgekehrt weitere Preissteigerungen durch Nichtstun zu riskieren. Auch die Beziehungen unter den G20 war vor allem im Vergleich zur heutigen Lage entspannter und die Staaten arbeiteten gemeinsam an einer Eindämmung der Krise.

Heute liegt die Aufmerksamkeit auf dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und das Zusammenrücken zwischen Xis China und Putins Russland macht wenig Hoffnung auf koordinierte Bemühungen, sollte die Bankenkrise, anders als bislang zu vermuten, außer Kontrolle geraten. Doch dieses schwierige Umfeld scheint durch die gewachsene Erfahrung mit den Krisen und der breiten Palette an verfügbaren Instrumenten auf Seiten der westlichen Zentralbanken beherrschbar zu sein. Zudem sind die finanzstärksten Zentralbanken immer noch im Westen verankert sind und solange sie sich auf ein abgestimmtes Vorgehen einigen können, verfügt das globale Finanzsystem über ein hohes Maß an Resilienz.

Stabilitätsorientierte Politik bleibt essentiell

Die bisherige Widerstandsfähigkeit der europäischen Finanzmärkte sollte aber kein Grund für Nachlässigkeit sein. Hohe Inflation und die aktuellen Turbulenzen auf Finanzmärkten erfordern einen neuen Fokus auf Stabilität. In der Fiskalpolitik heißt das vor allem: stabile Haushaltspolitik betreiben. Eine Aufweichung der europäischen Stabilitätsregeln oder gar der Schuldenbremse käme zur Unzeit. Staaten brauchen fiskalischen Spielraum und den gibt es nur, wenn Staaten gut haushalten. Die europäische Finanzpolitik muss endlich bei der Vollendung der Bankenunion und der Schaffung einer Kapitelmarktunion Fortschritte erzielen. Letzteres trägt zu einer Diversifizierung von Finanzierungsquellen bei und schafft mehr Wachstumsmöglichkeiten im europäischen Binnenmarkt. Die Vollendung der Bankenunion und insbesondere der europäischen Einlagensicherung verringert die Gefahren von Bank-Runs, indem die Kapazitäten der nationalen Einlagensicherungssysteme gestärkt werden.

Zudem versetzen ein effektives Abwicklungs- und Einlagensicherungsregime die Regulierer in die Lage, Schocks für das Bankensystem zu absorbieren oder mit anderen Worten Bankenpleiten in Kauf zu nehmen, ohne eine Systemkrise („too big to fail“) zu riskieren. Neben stabilitätsorientierter Fiskal- und Finanzpolitik muss auch die EZB ihrer Hauptaufgabe, der Sicherung von Preisstabilität, oberste Priorität einräumen. Sollte die Inflation außer Kontrolle geraten, wären die Folgen für die Gesamtwirtschaft und damit auch das Finanzsystem katastrophal. Die EZB hat mit der Zinserhöhung vergangene Woche zumindest das richtige Signal gesetzt und wird auch mit einem klaren Kurs nicht in einen Zielkonflikt zwischen Finanz- und Geldwertstabilität geraten.

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