EU-UK Beziehung
EU-UK-Sicherheitspakt: Eine solide Basis für eine engere Zusammenarbeit

UK-EU-Gipfel. (v.l.n.r.) Premierminister Sir Keir Starmer und Außenminister David Lammy sprechen mit der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und dem Präsidenten des Europäischen Rates, Antonio Costa, während eines Treffens auf dem EU-Britannien-Gipfel im Lancaster House.
© picture alliance / empics | Kin CheungFast neun Jahre nach dem Brexit-Votum haben die EU und das Vereinigte Königreich auf dem ersten Gipfeltreffen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, das am Montag, den 19. Mai in London stattfand, eine Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft unterzeichnet. Die Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft ist Teil eines umfassenderen Abkommens, das als „Reset“ der Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU angesehen werden kann und neue Wege für eine engere Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten eröffnet. In Zeiten des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und die damit einhergehende Aufrüstung der europäischen Staaten ist das Abkommen ein wichtiger Meilenstein um die Verteidigung Europas zu stärken. Zudem ist das Vereinigte Königreich ein unverzichtbarer Partner in der europäischen Sicherheitsarchitektur und ein entscheidendes Pendant zu den großen Sicherheitsakteure Deutschland, Frankreich und Polen.
Europäische Verteidigungs- und Sicherheitskooperation nach dem Brexit
Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU im Februar 2020 waren die die Beziehungen zwischen den beiden Partnern sehr stark abgekühlt. Die EU und das Vereinigte Königreich zögerten, nach dem Ausgang des Brexit-Votums engere Beziehungen aufzubauen, und verfolgten jeweils unterschiedliche politische Schwerpunkte.
Der Brexit hatte in vielerlei Hinsicht einen neuen Beginn für eine stärkere EU-Integration im Bereich der Verteidigungspolitik angestoßen. Das Vereinigte Königreich war zuvor bei Diskussionen über eine vertiefte europäische Verteidigungszusammenarbeit stets ein lautstarker Kritiker gewesen, vor allem, weil der Inselstaat die Zusammenarbeit innerhalb bereits vorhandener NATO-Strukturen priorisierte. Nachdem das Vereinigte Königreich als Kooperationspartner für die EU weggefallen war zu dem das Verhältnis ohnehin als angespannt galt, begriff die EU das als Chance und verstärkte ihre Bemühungen noch mehr als zuvor. Dies führte zur Einführung mehrerer neuer Verteidigungsinitiativen wie PESCO und dem Europäischen Verteidigungsfonds (EDF).
Währenddessen räumte die konservative Regierung des Vereinigten Königreichs der Handelspolitik Vorrang vor sicherheitspolitischen Themen ein und setzte den Großteil ihres politischen Entscheidungskraft darauf ein, neue Handelsabkommen mit globalen Partnern zu suchen. Mit Bezug auf die europäische Sicherheit und Verteidigungspolitik konzentrierte sie sich das Land auf ihr Engagement in der NATO und auf eine Reihe bilateraler Abkommen , die mit mehreren wichtigen EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen wurden, wie die Lancaster-House-Verträge mit Frankreich von 2010 oder auch das Trinity-House-Abkommen mit Deutschland im Jahre 2024. Das Land spielte auch eine führende Rolle in flexiblen Gesprächsformaten wie der Joint Expeditionary Force (JEF), die sich aus dem Vereinigten Königreich, den nordischen Ländern, den baltischen Staaten und den Niederlanden zusammensetzt, sowie in jüngerer Zeit in der E5-Gruppe (Frankreich, Deutschland, Italien, Polen und das Vereinigte Königreich), zusammensetzt.
Eine neue Realität
Dies alles änderte sich, als Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die europäische Sicherheitsarchitektur auf den Kopf stellte und die Politik der Trump-Administration Zweifel an Amerikas Engagement für Europa aufkommen ließ. Unter diesen neuen Umständen setzte sich auf beiden Seiten des Ärmelkanals die Erkenntnis durch, dass die EU und das Vereinigte Königreich einander mehr denn je brauchen, um die europäischen Werte aufrechtzuerhalten und die Sicherheit des Kontinents zu stärken
In der Zwischenzeit hatte das Vereinigte Königreich einen Regierungswechsel vollzogen und verfügt nun über eine Labour-Regierung was mehr politischem Spielraum für die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern ermöglichte.
Das Vereinigte Königreich in die sicherheitspolitische Zusammenarbeit der EU einzubinden, ist für alle EU-Mitgliedstaaten wichtig, insbesondere aber für große sicherheitspolitische Akteure wie Deutschland. Da beide Staaten die höchsten Militärausgaben unter den europäischen NATO-Mitgliedern zu verzeichnen haben und zudem zu den größten europäischen Unterstützer der Ukraine in absoluten Zahlen zählen ist das Vereinigte Königreich ein unverzichtbarer Partner, um die europäische Sicherheitslast zu tragen. Gemeinsam mit Frankreich wird von ihnen erwartet, die Hauptlast bei der Gestaltung einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur zu tragen – eine Aufgabe, die sie nur zusammen bewältigen können.
Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft - was umfasst sie?
Als Zeichen eines konstruktiveren Ansatzes beider Seiten trafen sich die politischen Entscheidungsträger Europas und Großbritanniens am 19. Mai in London, um eine neue strategische Partnerschaft zu vereinbaren. Neben Vereinbarungen die sich um die Themenfelder Lebensmittelexporte und Fischereirechte drehten, einigten sie sich auf eine Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft als einen zentralen Baustein der neuen Beziehungen.
Beide Parteien einigten sich auf eine verstärkte Koordination in den Bereichen „Unterstützung für die Ukraine“, Sanktionen, Informationsaustausch und Raumfahrt. Darüber hinaus wird es halbjährliche Treffen zwischen hochrangigen Vertretern des Vereinigten Königreichs und der EU geben, um die Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen zu vertiefen. Dazu gehört die Stärkung der Beziehungen in wichtigen Bereichen wie:
- Friedenskonsolidierung, gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
- Zivile und militärische Krisenbewältigung
- Maritime Sicherheit, Weltraumsicherheit und Cyberfragen
Darüber hinaus vereinbarten beide Parteien ihre Kooperation in weiteren Themenfelder zu intensivieren. Dazu gehört der Informationsaustausch über die Abwehr hybrider Bedrohungen, die Bekämpfung ausländischer Desinformation und die Prävention von gewalttätigem Extremismus.
Den Worten Taten folgen lassen
Trotz nennenswerter Fortschritte bei der gemeinsamen Zusammenarbeit in der Verteidigungs-und Sicherheitspolitik fehlen auch hier wichtige Aspekte. Vor allem fehlt es an ausreichenden Details bei einem der wichtigsten Herausforderungen für Europa: der Förderung der Verteidigungsindustrie. Die Europäische Kommission hat zwar angedeutet, dass das Vereinigte Königreich auf ihr brandneues SAFE-Instrument (Security Action for Europe) zurückgreifen kann, doch dies ist noch lange nicht beschlossene Sache. SAFE stellt den Mitgliedstaaten Darlehen in Höhe von bis zu 150 Mrd. EUR für die Beschaffung von Waffensystemen zur Verfügung, beinhaltet jedoch Restriktionen bezüglich den Kauf von Waren und Komponenten für Länder, die kein Mitgliedsstaat sind.
Obwohl das Vereinigte Königreich kein EU-Mitgliedsland ist, ist es bestrebt, seiner Verteidigungsindustrie Zugang zu den Mitteln zu verschaffen. Aus europäischer und deutscher Sicht könnte dies auch dem Tempo der europäischen Aufrüstung zugute kommen. Die britische Verteidigungsindustrie ist tief in die europäischen Lieferketten eingebettet, und ihre Einbindung in SAFE würde dazu beitragen, die industriellen Kapazitäten zu erweitern.
In der gemeinsamen Erklärung haben sich beide Seiten darauf geeinigt, die Möglichkeiten für einen Zugang des Vereinigten Königreichs zum SAFE-Programm „zügig zu prüfen“, jedoch erwarten die Mitgliedstaaten , dass die Briten einen Preis dafür zahlen müssen. Die Beitragshöhe wird das Hauptthema der nächsten Verhandlungsrunde sein, die laut der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, voraussichtlich in wenigen Wochen beginnen wird.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Verteidigungspakt zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ein sehr guter Startschuss für eine gemeinsame Sicherheitspolitik darstellt, aber jedoch erst einmal lediglich nur eine solide Grundlage bietet. Diese Meinung vertrat auch der Vorsitzende der britischen Liberaldemokraten, Ed Davey, der das Abkommen als „großen Gewinn für die Sicherheit unseres Landes“ bezeichnete, aber auch den britischen Premierminister Keir Starmer aufforderte, „schönen Worten“ Taten folgen zu lassen. Die Liberaldemokraten hatten in ihrem Wahlprogramm für die Parlamentswahlen im Juli 2024 ein Verteidigungs- und Sicherheitsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich gefordert und die britische Regierung seitdem immer wieder dazu gedrängt, eine engere Beziehung zu Europa im Bereich der Verteidigung zu fördern.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments, kam zu einer ähnlichen Analyse und kommentierte:
„Diese Vereinbarung ist ein Schritt in die richtige Richtung - hin zu mehr Zusammenarbeit, mehr Stabilität und einem starken europäischen Bündnis, das über institutionelle Grenzen hinausgeht.“
Sowohl in der EU als auch im Vereinigten Königreich erkennen die liberalen Akteure das Potenzial der Partnerschaft als Grundlage für eine vertiefte Zusammenarbeit in der Zukunft an. Sie weisen jedoch auch darauf hin, dass angesichts Herausforderungen und Ungewissheiten, in denen sich Europa befindet, es wichtig ist, vielversprechende Worte so schnell wie möglich mit echter Bedeutung zu füllen. Die Verhandlungen über SAFE werden ein Indikator für das tatsächliche Engagement beider Partner für die Stärkung der europäischen Sicherheit. Wenn diese erfolgreich sind, können wir viele weitere Schritte in die richtige Richtung erwarten.