Europen Omnibus I and II
Kapital für die Zukunft:

Valdis Dombrovskis and Maria Luís Albuquerque presented the Omnibus I and II simplification packages
© Photo Source: EC - Audiovisual ServiceAngesichts dieser Herausforderungen stellte die Europäische Kommission Ende Februar das Vereinfachungspaket Omnibus I vor. Es soll den Verwaltungsaufwand verringern und die praktische Umsetzung bestehender Vorschriften verbessern, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Das Paket sieht deutliche Entlastungen bei Berichtspflichten und unternehmerischer Verantwortung vor, vor allem im Rahmen der Richtlinien Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) [Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen] und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) [Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit]. Ersteres verpflichtet Unternehmen zur Offenlegung ihres Umgangs mit Umwelt- und Sozialthemen und letzteres zur Identifikation und Bearbeitung von Risiken wie Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in ihren Lieferketten.
Das Omnibus I Paket befindet sich derzeit in den interinstitutionellen Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union. Der „Stop-the-Clock“-Vorschlag, der eine spätere Anwendung der CSRD und der CSDDD vorsieht, wurde im April 2025 mit großer Mehrheit im Europäischen Parlament verabschiedet.
Der Europaabgeordnete Pascal Canfin (Renew Europe) betonte die Bedeutung dieses Schrittes und erklärte: „Ohne die ‚Stop-the-Clock‘-Regelung wären rund 40.000 Unternehmen im Unklaren darüber, welche Informationen sie erfassen und berichten müssen. In Zeiten globaler Unsicherheit – wie etwa durch die neuen US-Zölle – ist das Mindeste, was wir tun können, den Unternehmen ein stabiles und verlässliches regulatorisches Umfeld zu bieten.“
Derzeit finden die Verhandlungen über den Inhalt des Omnibus-I-Pakets in beiden EU-Institutionen statt, wobei ein endgültiges Abkommen für das letzte Quartal 2025 erwartet wird.
Europas Wettbewerbsfähigkeit sollte jetzt im Mittelpunkt aller wirtschafts- und regulierungspolitischen Maßnahmen stehen. Dazu braucht es sowohl den Abbau unnötiger bürokratischer Hürden als auch eine schnellere Mobilisierung von Kapital, um Innovationen, wachstumsstarke Unternehmen und strategisch wichtige Industrien gezielt zu unterstützen. Nachhaltige Finanzinstrumente leisten dabei einen zentralen Beitrag, indem sie Kapital in zukunftsweisende Bereiche lenken und zur Erreichung der Klima- und Energieziele beitragen.
Kapital für den grünen Wandel
Für die Europaabgeordnete Svenja Hahn (Renew Europe) ist klar: Der Binnenmarkt ist entscheidend, damit Europa im globalen Wettbewerb bestehen kann. Da die Vereinigten Staaten für talentierte Fachkräfte und Kapital zunehmend an Attraktivität verlieren, muss Europa schnell handeln, um sein Investitionsumfeld zu stärken. Dazu braucht es nicht nur den Abschluss der Kapitalmarktunion, sondern auch den Abbau regulatorischer Hürden und den gezielten Ausbau von Infrastruktur für Innovation und Daten.
Gleichzeitig muss Europa sein finanzielles Potenzial gezielter nutzen. Die EU hat bereits einige Schritte unternommen, um privates Sparvermögen wirksamer mit Investitionen in den grünen und digitalen Wandel zu verbinden. Die geplante Spar- und Investitionsunion (SIU) knüpft an die Kapitalmarktunion an und soll sowohl die finanziellen Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger verbessern als auch Ersparnisse gezielt in nachhaltige Investitionen lenken und bietet eine strategische Chance, um Nachhaltigkeit strukturell in der europäischen Finanzpolitik zu verankern. Ziel dieser Initiativen ist es, gemeinsam stabile Rahmenbedingungen zu schaffen, um privates Kapital gezielt in Zukunftssektoren wie erneuerbare Energien, grüne Infrastruktur und innovative Start-ups zu lenken, da gerade diese häufig Schwierigkeiten haben, ausreichende Bankfinanzierungen zu erhalten. Die Kapitalmarktunion und die Spar- und Investitionsunion könnten somit dazu beitragen, bestehende Finanzierungslücken zu schließen und die wirtschaftliche Transformation Europas entscheidend voranzutreiben.
Allerdings steht Europa trotz dieser Initiativen weiterhin vor großen Hürden. Unterschiedliche nationale Regelungen bei der Finanzaufsicht, dem Insolvenzrecht und den Steuersystemen erschweren es nach wie vor, Kapital gezielt und effizient innerhalb Europas zu investieren. Gemeinsame Standards bei Insolvenzverfahren und Rentensystemen würden bürokratische Hürden senken und Investitionen über Ländergrenzen hinweg deutlich erleichtern. In Deutschland hat Johannes Vogel, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, die Forderung nach einer gesetzlichen Aktienrente nach schwedischem Vorbild erneut aufgegriffen. Er ist überzeugt: Ohne eine stärkere Einbindung der Kapitalmärkte lässt sich die soziale Sicherung auf Dauer nicht erhalten. Nur so könne das Rentensystem auf lange Sicht funktionieren. Zwar sind frühere Anläufe gescheitert, doch inzwischen gewinnt die Debatte wieder an Schwung – und das parteiübergreifend.
Die Einführung aktienbasierter Rentenmodelle könnte nicht nur zur Stabilisierung der nationalen Sozialsysteme beitragen, sondern auch bedeutende Kapitalquellen für langfristige Investitionen aufbauen. Diese könnten gezielt für eine klimafreundliche Infrastruktur, saubere Technologien und innovative Zukunftsbranchen, ganz im Sinne der Kapitalmarktunion und als Schritt hin zu stabileren und besser vernetzten Kapitalmärkten, genutzt werden. Für europäische Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen würden dadurch verlässlichere Finanzierungsmöglichkeiten entstehen sowie höhere Renten und verstärkte Investitionen in Bereiche, die nachhaltige Arbeitsplätze schaffen und langfristiges Wachstum fördern.
Europa investierbar Machen
Wenn Europa die großen Herausforderungen der Zukunft meistern will, darf es privates Kapital nicht länger ungenutzt lassen. Staatliche Investitionen machen derzeit nur rund ein Prozent der Wirtschaftsleistung der EU aus – viel zu wenig im Vergleich zu den 750 bis 800 Milliarden Euro, die laut Schätzungen jährlich notwendig wären. Gleichzeitig geht das Risikokapital stark zurück, und jedes Jahr fließen über 300 Milliarden Euro aus europäischen Haushalten ins Ausland, statt hier in die eigene Zukunft investiert zu werden.
Der Aufbau einer echten Spar- und Investitionsunion bedeutet auch, dass Finanzmärkte für die Menschen in Europa zugänglicher, transparenter und vertrauenswürdiger werden. Das ist besonders wichtig, da ein großer Teil der privaten Ersparnisse in der EU nach wie vor auf Bankkonten liegt oder in ausländische Fonds, vor allem in die USA, fließt.
Der Letta-Bericht schlägt ein vielversprechendes Konzept vor: ein europäisches Sparangebot, in das Bürgerinnen und Bürger automatisch aufgenommen werden. Vorgesehen ist, dass das Angebot in der gesamten EU verfügbar ist und eine möglichst einfache Teilnahme ermöglicht. Mit klaren Regeln, steuerlichen Anreizen und einer benutzerfreundlichen digitalen Lösung könnte es dazu beitragen, mehr Bürgerinnen und Bürger zum Sparen und Investieren innerhalb des europäischen Binnenmarkts zu befähigen.
Die Spar und Investitionsunion nimmt zunehmend Gestalt an. Damit sie ihr Potenzial entfalten kann, braucht es Vertrauen seitens der Bürgerinnen und Bürger sowie der Investoren, klare Zuständigkeiten zwischen EU und Mitgliedstaaten und einen wirtschaftlich tragfähigen Rahmen. Entscheidend dafür sind transparente Regeln, verlässliche politische Rahmenbedingungen und ein Umfeld, das Investitionen langfristig unterstützt.
Zusätzliche Regelungen, die mehr Bürokratie als Orientierung schaffen, lösen das Problem nicht, sondern verschärfen es. Europa braucht eine klare Strategie, um ein nachhaltiges Finanzsystem gezielt umzusetzen. Dazu braucht es einen Ansatz, der die Kapitalmarktunion stärkt, Investitionen in Innovation fördert, den Zugang zu Finanzierung auch für kleine und mittlere Unternehmen erleichtert und überflüssige Komplexität abbaut. Nachhaltige Finanzen können ein Motor für Wachstum und Stabilität sein – und Europa hat es selbst in der Hand, dieses Potenzial zu nutzen.