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Energiewende
Schaffen wir die Energiewende im Gebäudesektor?

Arbeiten auf Großbaustelle, Rohbau

picture alliance / imageBROKER | Hartmut Schmidt

 

Eigentlich kann in der Bau- und Immobilienbranche nichts mehr schief gehen, seit wir mit der Ampelkoalition ein eigenständiges Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen haben. Das könnte man zumindest meinen, wären da nicht die Klimakrise und die daraus ab- geleiteten Klimaschutzziele der Bundesregierung, die sich maßgeblich auf die Branche auswirken. Und die die Bundesregierung im Gebäudesektor verfehlt.

Ganze 30 Prozent der ausgestoßenen CO2-Emissionen entfallen auf den Gebäudesektor. Daher sind sich Experten und Bundesregierung einig: 2045 soll eine Netto-Treibhausgasneutralität in allen Sektoren erreicht werden. Das bedeutet, dass der Primärenergiebedarf von Gebäuden bis dahin um 80 Prozent reduziert werden muss. Um das zu erreichen, werden von der Bundesregierung mit verschiedenen KfW- Förderprogrammen der energieeffiziente Neubau und die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden gefördert. Die Regelungen für den Energieverbrauch von Gebäuden finden sich im sogenannten Gebäudeenergiegesetz, kurz GEG, wieder. Dieses stellt den Energieeinsatz im Gebäudebetrieb, welcher möglichst sparsam und unter zunehmender Nutzung erneuerbarer Energien erfolgen soll, in den Fokus. Um den Energieverbrauch von Gebäuden zu senken, ist nun eine grundsätzliche Überarbeitung des GEG in Planung. Ab dem 1. Januar 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Das umstrittene Gesetz soll noch vor der Sommerpause vom Bundestag beschlossen werden. Auf EU-Ebene soll sogar eine Sanierungspflicht eingeführt werden.

Doch der alleinige Fokus auf einen klimaneutralen Gebäudebetrieb greift zu kurz. Die CO2-Klimabilanz eines Gebäudes beginnt schon viel früher, nämlich bei seinem Bau. Die sogenannte „graue Energie“, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Rückbau und Entsorgung von Baumaterialien benötigt wird, wird beim GEG sowie bei der Förderung von energieeffizienten Gebäuden nicht betrachtet. Daher forderte die FDP-Bundestagsfraktion bereits im Januar 2021, dass sich der klimaneutrale Gebäudebestand nicht nur auf den Energieverbrauch von Gebäuden im Betrieb beschränken soll, sondern eben auch diese graue Energie umfassen muss.

Auch die Ampelkoalition hat sich zum Ziel gesetzt, in einem digitalen Gebäuderessourcenpass den „Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachten zu können“, um so die Kreislaufwirtschaft im Gebäudebereich greifbar zu machen. Insbesondere der Bausektor trägt einen wesentlichen Teil zum Treibhausgasausstoß im Gesamtlebenszyklus von Gebäuden bei. Beispielsweise stehen dem Baumaterial Beton, einer der größten Treiber des Klimawandels, kaum nach- haltige, langfristig getestete und preiswerte Alternativen gegenüber. Dabei stößt der meistverwendete Baustoff mit seinem Bindemittel Zement verhältnismäßig viel Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre (20 Mio. Tonnen CO2 in 2019!). Da reicht es auch nicht, wie Bauministerin Klara Geywitz, nur auf den Baustoff Holz zu verweisen, der mit zusätzlichen Forderungen seitens Feuerwehr und Behörden einhergeht. Auch Holz muss zunächst nachhaltig an- und abgebaut, verarbeitet und transportiert werden. Hier ist also noch Luft nach oben. Deshalb ist es wichtig, dass die Politik mit dem Ansatz der Technologieoffenheit Anreize für innovative und nachhaltige Lösungen in der Baubranche schafft. Der Forderung aus dem Koalitionsvertrag, auf „passgenaue und technologienoffene Maßnahmen aus Optimierung der Gebäudehülle, der technischen Anlagen zur Erzeugung und Versorgung mit erneuerbarer Energie am Gebäude und Quartierslösungen“ zu setzen, muss stärker nachgegangen werden.