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Internationales
BRICS: Individuelles Miteinander

Die BRICS-Staaten treffen sich zum 10. Gipfeltreffen in Johannesburg 

Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - nach ihren Anfangsbuchstaben kurz BRICS-Staaten genannt. Fünf Länder wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: ob Wirtschaftswachstum, Einwohnerzahlen oder politisches System. Und doch treffen sich diese aufstrebenden Volkswirtschaften seit 2009 jedes Jahr, um gemeinsame Interessen zu besprechen und auf eine stärkere Vertretung der Schwellen- und Entwicklungsländer in internationalen Institutionen zu drängen. Wirtschaftliche und politische Differenzen verhindern trotzdem oft, dass die Mitglieder mit einer Stimme in der Weltgemeinschaft auftreten.   

Welche Bedeutung hat das Bündnis für seine Mitglieder und wie ist die Dynamik innerhalb der Gruppe? Die Auslands-Experten der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit analysieren die unterschiedlichen Perspektiven aus den Ländern, um diese Fragen zu beantworten. Außerdem wollen wir wissen, wie die Interessen der einzelnen Länder auf dem afrikanischen Kontinent aussehen. Am 25. Juli startet das 10. BRICS-Gipfeltreffen nämlich in Südafrika - wenig überraschend, dass dort auch Afrika eine zentrale Rolle spielt.

Welche Rolle spielt die Mitarbeit in den BRICS in der öffentlichen Debatte und der politischen Ausrichtung Ihres Landes? 

  • Die öffentliche außenpolitische Debatte Brasiliens wird aktuell von den protektionistischen Tendenzen in den USA durch den amerikanischen Präsidenten Trump bestimmt, die auch aus Sicht Brasiliens eine ernsthafte Bedrohung für den globalen Freihandel darstellen. Der 10. BRICS-Gipfel findet (bislang) kaum Beachtung, obgleich sich Brasilien unvermindert in den diversen Arbeitsgruppen sehr engagiert. 

    Brasiliens Hauptinteresse liegt in den Bereichen: Industrie 4.0, neue Technologien & Innovationen, Wissenschaft und Gesundheitswesen sowie erneuerbare Energien. Zu diesen Themen will Brasilien hochqualifizierte Beiträge zum multilateralen Wissensaustausch leisten. 

    Konkret hofft Brasilien u.a. auf die Verabschiedung eines Flugstreckennetzausbaus innerhalb der BRICS-Staaten nach dem Vorbild der USA; die Einrichtung eines gemeinsamen Pharmazie-Zentrums zur Erforschung und Herstellung von Impfstoffen und Medikamenten; den kostenfreien Zugriff auf Satellitenbilder der BRICS-Staaten und die Diversifizierung der Energie-Matrizen der BRICS-Staaten.

    Das krisengeschüttelte Land wählt am 7. Oktober 2018 seinen neuen Präsidenten. Bis dahin wird Brasilien vermutlich in seinem innen- und außenpolitisch Schlafmodus verweilen. Die Anforderungen an den neuen Präsidenten sind hoch, die Liste der dringendsten Aufgaben lag - insbesondere auch hinsichtlich einer klaren außenpolitischen Ausrichtung Brasiliens. Im April 2018 erhielt Brasilien erstmals einen Kredit von der BRICS-eigenen New Development Bank-NDB in Höhe von US$ 67,3 Mio. für den Bau von sechs Windparkanlagen, die Teil eines Windparkgroßprojekts im Nordosten Brasiliens sind. Die Auszahlung anderer, seit längerem genehmigter Kredite an Brasilien wird erwartet. Laut Vorstandsbeschluss der NDB wird bis Ende 2018 eine Regionalniederlassung der NDB für die Amerikas mit Sitz in São Paulo eröffnet, die insbesondere die finanzielle Abwicklung künftiger brasilianischer Projekte erleichtern soll.

  • Die Wachstumsraten in Russland sind in den letzten Jahren wegen der verpassten Reformen stark hinter den anderen BRICS-Ländern zurückgefallen. Weil die Annexion der Krim und der Krieg in Ukraine und Syrien die Beziehung zu den entwickelten Industrienationen der Welt belastet, gibt es die Hoffnung, zukünftige Kredite und Investitionen aus den BRICS-Ländern zu erhalten. Im staatlichen Fernsehen und der öffentlichen Debatte spielen die BRICS und Russlands Mitarbeit im Moment keine große Rolle. 

  • Der Multilateralismus ist ein Grundpfeiler der indischen Außenpolitik. Die Ablehnung hegemonialer Bestrebungen der Großmächte ist eine Konstante der Diplomatie Neu Delhis. Die Inder, die in absehbarer Zeit China als die bevölkerungsreichste Nation der Welt ablösen werden, sehen ihr Land gerne als globale Weltmacht im Wartestand. Die Mitarbeit bei BRICS gilt als wichtiges Element der diplomatischen Strategie. Sorgen macht sich Indien vor allem über die neue Macht des ewigen Rivalen China. Die Furcht vor einer Einkreisung seitens des mächtigen Nachbarn im Osten, der seine Beziehungen zu den Nachbarstaaten systematisch ausbaut - und vor allem eine Allianz mit dem Erzfeind Pakistan geschmiedet hat, ist ein beherrschendes Thema der außenpolitischen Debatten in einem Land, in dem Außenpolitik eine eher untergeordnete Rolle spielt. Die Regierung und die politische Klasse sehen BRICS als strategisches Projekt, das zum einen den Einfluss Indiens in der Welt stärkt, zum anderen einen Kommunikationskanal zur chinesischen Führung offenhält – und zwar auf höchster Ebene. Auch dieses Mal schenken die Medien dem geplanten (bilateralen) indisch-chinesischen Gipfeltreffen am Rande der BRICS-Konferenz mehr Aufmerksamkeit als den multilateralen Beratungen. 

  • BRICS ist in Pekings Augen eine nützliche Plattform, um die Umgestaltung der Weltordnung nach eigenen Vorstellungen voranzutreiben. BRICS ist dabei jedoch eher ein Puzzleteil – ein Pfeil im Köcher unter vielen. Viel wichtiger ist in der chinesischen Außenpolitik aktuell die Umsetzung der „One Belt One Road / Neue Seidenstraße“ Initiative, mit der Peking seinen Einfluss ausbauen will.  Ebenfalls im Fokus der chinesischen Außenpolitik steht der Konflikt mit den USA, in der Vergangenheit um die Vorherrschaft im Pazifik, aktuell um den Handelskrieg, der sich immer mehr hochzuschaukeln droht.

    In der öffentlichen Debatte in China ist BRICS eine gute Vorlage für die Propagandamaschinerie, die Volksrepublik sieht sich selbst hier ganz klar als den stärksten Akteur in der BRICS-Konstellation.  

  • Südafrika ist erst 2010 in den Club der BRICS-Länder aufgenommen worden, also ganze acht Jahre, nachdem ein Ökonom von Goldman Sachs diese Gruppierung identifiziert und benannt hat. Das Land passt nicht in BRICS, wenn man die Goldman Sachs-Kriterien anwendet: es hat zu wenig Einwohner und eine viel zu kleine Volkswirtschaft (der nächst "kleine" BRICS-Staat ist Russland, dessen Bevölkerung zwar auch relativ klein ist, aber dessen Volkswirtschaft mehr als fünf Mal so groß ist wie die Südafrikas). Die südafrikanische Außenministerin Lindiwe Sisulu hat daher diese Woche nochmals betont, dass BRICS "kein Zusammenkommen großer Volkswirtschaften (ist), sondern ähnlich denkender Länder des Südens, die zusammen positiv auf eine gerechtere und inklusivere Weltordnung einwirken wollen".

    Das sagt sehr viel darüber aus, wie die ANC-Politiker BRICS sehen – in der breiteren öffentlichen Debatte findet BRICS aber nur dann einen Platz, wenn es konkrete Auswirkungen auf das Land selbst gibt, so wie in diesen Tagen: Präsident Ramaphosa und sein Wirschaftsteam reden Tag und Nacht über chinesische Investitionen, die während des BRICS-Gipfels verkündet werden sollen. Kritischere Stimmen sehen das als den Triumph der Hoffnung über Erfahrung, denn solche Großinvestitionen sind schon öfter verkündet worden, ohne dass diese einen nennenswerten Einfluss auf Wirtschaftswachstum oder Arbeitslosigkeit gehabt hätten. Zudem wird vor allem China den BRICS-Gipfel als Teil seiner Antwort auf den Trump'schen Handelskrieg sehen. In Beijing, wie auch in den anderen BRICS-Hauptstädten, scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass man die amerikanisch angeführte Welt(handels)ordnung zwar gern verteufelte, aber nun feststellt, dass man ganz ohne Ordnung auch nicht überleben kann. 

  • Wie werden die anderen BRICS-Staaten in Ihrem Land gesehen? Sind sie in der weltpolitischen und ökonomischen Arena eher Partner oder Kokurrenten?

  • Auch Brasilien hält sich an den „wirtschaftspolitischen Friedenskurs“ der BRICS-Staaten. So sicherte der brasilianische Agrarminister z.B. kürzlich zu, auf dem Gipfel mit seinem russischen Amtskollegen über das von Russland gegen Brasilien erhobene Embargo auf brasilianisches Hühner- und Rindfleisch zu sprechen, vereinbarte dafür aber keinen offiziellen bilateralen Gesprächstermin auf Ministerialebene, sondern geht von dessen kollegialer Gesprächsbereitschaft am Rande der Gipfels aus. Selbiges gilt für die von China jüngst verhängte provisorische Schutzzölle auf brasilianisches Hühnerfleisch in Höhe von 18,8% und 38,4%, die Brasilien aufgehoben sehen möchte. (2017 importierte China 391,4 Tausend Tonnen Hühnerfleisch aus Brasilien. Das entsprach 9,2% des gesamten brasilianischen Hühnerfleischexports, bzw. 5% des gesamten chinesischen Hühnerfleischimports).

    Für Brasilien, immerhin die acht größte Weltwirtschaftsmacht, ist China zum mit Abstand wichtigsten Handelspartner innerhalb des BRICS-Blocks geworden: 84% der brasilianischen blockinternen Exporte (überwiegend Rohstoffe) gehen nach China, 8,3% nach Indien, 4,9% nach Russland und 2,7% nach Südafrika. Umgekehrt bezieht Brasilien 81,8% seiner blockinternen Importe (überwiegend Industrieprodukte) aus China, 8,8% aus Indien, 7,9% aus Russland und 1,5% aus Südafrika.

  • Aus ganz unterschiedlichen Gründen sind die geopolitischen Beziehungen zu den BRICS-Staaten offiziell besser als zu den Partnern in der Europäischen Union. Brasilien und Südafrika werden in Russland freundschaftlich wahrgenommen, auch weil es kaum Interessenkonflikte mit diesen Staaten gibt. Die beiden Länder beteiligten sich z.B. nicht an den Ukrainesanktionen der EU und USA. China, dem neuen geopolitischen Riesen, steht man wegen der potentiellen Konkurrenz mit den USA offiziell sogar sehr positiv gegenüber. Diese Haltung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU weiter Russlands wichtigster Handelspartner ist und viele Russen auch Angst vor dem wachsenden chinesischen Einfluss haben.

  • China gilt in Indien als der große Gegner, bisweilen gar als feindliche Macht mit territorialen Ambitionen. Die Beziehungen der asiatischen Riesen sind geprägt von einem Nebeneinander von Konflikt und Kooperation. Ungelöste Grenzfragen sorgen immer wieder für Spannungen – mit der Gefahr der militärischen Eskalation. Wirtschaftlich ist China längst auch in Indien eine dominierende Macht.

    Im Gegenzug sind indische Geschäftsleute im Reich der Mitte nicht annähernd so erfolgreich. Russland ist für Indien ein traditioneller Partner und Verbündeter. Die Freundschaft geht weit zurück, als Delhi eine Säule der Bewegung der Blockfreien war. Russland ist ein wichtiger Waffenlieferant. Im Vorfeld des BRICS-Gipfels berichten indische Medien über einen neuen Milliarden-Deal: Es geht um russische Hubschrauber für das indische Militär. Im Oktober wird Präsident Putin in Neu Delhi zu Besuch sein, um das Geschäft mit Ministerpräsident Modi zu besiegeln. Indien und Südafrika haben ihre Beziehungen nach dem Ende der Apartheid 1994 systematisch ausgebaut. Die indische Diaspora, früher ein Opfer der Rassentrennungspolitik Pretorias, ist längt zu einer Brücke zwischen den Ländern geworden. Die Beziehungen florieren vor allem in der Wirtschaft: Die Inder interessieren sich für südafrikanische Rohstoffe, vor allem Edelmetalle. Das energiehungrige Schwellenland ist der wichtigste Abnehmer südafrikanischer Kohle. Indiens Medien berichten anlässlich des BRICS-Gipfels über zwei symbolträchtige Jahrestage: 2018 ist es 125 Jahre her, dass Mahatma Gandhi, der „Vater der indischen Nation“ in Pietermaritzburg von südafrikanischen Rassisten wegen seiner Hautfarbe aus dem Zug geworfen wurde.

    Und in diesem Jahr feiern die Südafrikaner – und viele andere – den 100. Geburtstag ihres Nationalhelden Nelson Mandela: Gandhi und Mandela symbolisieren – so die Botschaft – die tiefe Verbundenheit Südafrikas und Indiens. Von allen BRICS Nationen ist Brasilien für Indien das schwächste Glied. Historisch belastet sind die Beziehungen durch Brasiliens Unterstützung der portugiesischen Position im Streit um die Dekolonisierung der Exklave Goa. Das koloniale Erbe ist längst überwunden; beim Ausbau der bilateralen Beziehungen hat auch BRICS eine Rolle gespielt. Brasilien und Indien verbindet der Wunsch nach einer Reform der Vereinten Nationen. Neu Delhi sieht Brasilien vor allem auch als Einfallstor für indische Unternehmen in Lateinamerika.

  • Die anderen BRICS-Staaten werden in der Öffentlichkeit und wohl auch in der Regierung grundsätzlich freundlich betrachtet. Indien ist zwar in Südasien ein regionaler Gegenspieler Chinas, aber konnte den globalen chinesischen Ambitionen bislang nicht wirklich gefährlich werden. Zu groß ist der Abstand an wirtschaftlicher und militärischer Macht und eine Aufholjagd scheint nicht in Sicht. Als regionaler Konkurrent hat China es gut verstanden über engere Bande und große Investitionen in den direkten Nachbarländern Indien vor seiner Haustür einzudämmen.

    Russland gilt als nützlicher Verbündeter, um den Westen, insbesondere die USA, zu schwächen. Mit dem aggressiven Auftreten Russlands einerseits und Pekings Marketing als angeblichem Befürworter des Freihandels andererseits mag man fast an eine „Good Cop, bad Cop“ Strategie denken. Dieser strategische Schulterschluss darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Machtverhältnis in den chinesisch-russischen Beziehungen klar zu Gunsten Chinas verschoben hat.

    Brasilien ist ein wichtiger Partner Chinas in Südamerika. In Europa fast unbemerkt ist China ein relevanter Akteur im „Hinterhof der USA“ geworden. Das Gewicht des chinesischen Engagements liegt aber vor allem auf der wirtschaftlichen Ebene. In der chinesischen Öffentlichkeit, wie in Europa, bestimmt der Fußball das Bild und die Relevanz des Landes.

    Südafrika ist als politisches und ökonomisches Zugpferd unter den afrikanischen Staaten sicher relevant für die großen chinesischen Projekte auf dem Kontinent. Seine Mitgliedschaft bei BRICS  verschafft dem Land aus chinesischer Sicht jedoch keinen Sonderstatus - wie den anderen drei Ländern übrigens auch nicht. Leichte Kopfschmerzen könnte den Machthabern in Peking eine mögliche Ablösung des ANC bei den südafrikanischen Wahlen 2019 bereiten. Die größte Oppositionspartei, die liberale Democratic Alliance, hat seit langem gute Kontakte zur liberalen Democratic Progressive Party, die sich als Regierungspartei auf dem demokratischen Taiwan gegen den erzwungenen Anschluss seiner 24 Millionen Bürgerinnen und Bürger an die Volksrepublik zu Wehr setzt. 

  • Brasilien und Russland sind Exporteure ähnlicher Rohstoffe wie Südafrika und damit eher Konkurrenten im wirtschaftlichen Bereich. China wird in Südafrika vor allem als Importeur von Rohstoffen und somit als attraktiver Markt gesehen, wobei man aber billige chinesische Importe fürchtet, die z.B. die südafrikanische Textilindustrie vollkommen dezimiert haben.

    Russland hat zudem versucht, dem Land  ein vollkommen überdimensioniertes und durch Korruption auf verschiedensten Ebenen begleitetes Atomkraft-Programm zu verkaufen. Diesen Misstand  haben inzwischen auch die Mehrheit der südafrikanischen Wähler verstanden. Politisch gesehen stehen sich in BRICS autokratische und demokratische Staaten gegenüber – Südafrika gehört dabei zu den "imperfekten" Demokratien zusammen mit Brasilien und Indien. 

    Von allen BRICS-Staaten hat Brasilien bei Südafrikanern wohl den besten Ruf – ursprünglich wegen seiner innovativen sozialen Programme, zur Zeit wegen seiner beachtliche Erfolge in der Korruptionsbekämpfung, was in Südafrika täglich ein Thema ist. ANC-Politiker dagegen reisen gern und oft in die BRICS-Autokratien Russland und China und nutzen diese als Vorbilder.

  • BRICS-Erweiterung – „Non-Event“ oder Etappensieg gegen den Westen?

    Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt per Videokonferenz an einem außerordentlichen BRICS-Gipfel teil, während Chinas Präsident Xi Jinping auf dem Bildschirm zu sehen ist.

    Die Erweiterungsrunde der BRICS-Gruppe Anfang des Jahres um fünf neue Mitgliedstaaten wirft Fragen nach den politischen und wirtschaftlichen Folgen auf. Was versprechen sich jeweils die bisherigen Mitglieder von der Erweiterung? Was die neuen? Was bedeutet die BRICS-Erweiterung für den Westen, und wie kann eine liberale Antwort hierauf aussehen?

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    Afrika mit seinem Entwicklungspotential ist einer der Schwerpunkte dieses Gipfels. Welche strategische Priorität hat die Zusammenarbeit mit dem Kontinent für Ihr Land?

  • Brasilien hat nicht nur eine starke historische und kulturelle Verbindung zu Afrika, sondern auch ähnliche geologische wie klimatische Bedingungen. Einst wurden rund 3,5 Mio. afrikanische Sklaven nach Brasilien verschleppt - zehnmal so viel wie in die Vereinigten Staaten. Weite Teile Brasiliens und Afrika liegen zudem in ähnlichen Klimazonen.

    In den 70er Jahren bestand bereits eine kurzweilige, aber enge Wirtschaftsbeziehung zu Afrika - insbesondere zu den portugiesisch sprachigen Ländern Angola und Mozambique. Erst unter dem ehemaligen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva erlangten die Länder Afrikas (neben den Lateinamerikas) erneut außenpolitische Priorität. Während seiner Regierungszeit (2002 bis 2010) nutze er sie strategisch für den politischen und wirtschaftlichen Aufstieg Brasiliens zur angestrebten Weltmacht. Dabei versiebenfachte er den Handel mit Afrika und erhöhte die Zahl der diplomatischen Vertretungen um zwanzig.

    Nachdem das brasilianische Interesse an den afrikanischen Ländern (ausgenommen dem BRICS-Staat Südafrika, der aber wirtschaftlich nur von geringer Bedeutung ist) anschließend erneut abgeflacht war, nahm die amtierenden Regierung Michel Temers 2017 wieder einen Dialog mit Namibia, Botswana, Malawi und Mozambique auf. Der 10. Gipfel in Johannesburg bietet Brasilien die Gelegenheit den Dialog mit führenden afrikanischen Staatschefs fort zusetzen und auszubauen.

    Für Brasilien ist und bleibt die Zusammenarbeit mit Afrika interessant, obgleich aktuell sein außenpolitischer Fokus - neben China, Russland und Indien – auf den Wirtschaftsmächten USA und Europa liegt. Brasilien wird 2019 den Vorsitz der BRICS übernehmen und den 11. BRICS-Gipfel in Brasília ausrichten. Der im Oktober 2018 neu gewählte brasilianische Präsident wird diesen Gipfel dann gut zur neuen außenpolitischen Positionierung Brasiliens innerhalb der BRICS-Staaten nutzen können.

  • Russland verbindet geopolitische Ambitionen mit wirtschaftlichen Interessen. Auf dem afrikanischen Kontinent finden sich viele und wichtige Kunden der russischen Rüstungsindustrie; in Südafrika auch Abnehmer für Nuklear- und andere Energietechnologien. Mittlerweile gehen die militärischen Verbindungen in Länder wie Angola oder Mosambik über die Rüstungsexporte hinaus. So mancher fühlt sich da an den kalten Krieg mit seinen Einflusssphären und Militärberatern der Großmächte erinnert.

  • Der Ausbau der Beziehungen zu Afrika ist eine Priorität der indischen Außenpolitik – und wird vor allem seit dem Amtsantritt Narendra Modis vor vier Jahren energisch vorangetrieben. Im Vorfeld des BRICS Gipfels reist der indische Ministerpräsident nach Rwanda und Uganda. Im rwandischen Kigali will Modi ein Militärabkommen unterzeichnen. Indiens Avancen in Afrika sind eine Reaktion auf die wachsende Dominanz des Rivalen China. Indische Medien weisen darauf hin, dass China 43 diplomatische Missionen auf dem Kontinent unterhalte, die Anzahl der indischen Vertretungen sei nur 29. In den kommenden Jahren wollen die Inder nachziehen und an 19 Standorten neue Vertretungen gründen. Am Ende geht es bei der Diplomatie auch um wirtschaftliche Interessen in einer Weltregion, die viele Inder ihrer Nachbarschaft zurechnen. Narendra Modi wird in Afrika nicht versäumen, diese Nähe zu betonen und dabei auch auf die große indische Diaspora verweisen, die in vielen afrikanischen Ländern ein wichtiger ökonomische Faktor ist.

  • Das chinesische Engagement auf dem afrikanischen Kontinent ist kein Zufall. Es geht nicht nur wie schon so oft beschrieben um Rohstoffe, sondern auch um strategischen Zugang zu Ackerland, und um die Durchsetzung des chinesischen Alleinvertretungsanspruchs. Chinesische Staatsunternehmen sind auf dem Kontinent an Orten aktiv, wo sich kein Europäer wirtschaftlich hinwagt. Und so widmet Peking dem afrikanischen Kontinent große Aufmerksamkeit – hochrangige chinesische Regierungsvertreter besuchen die afrikanischen Staaten sehr viel häufiger als Regierungsvertreter des Westens. Es ist daher nur folgerichtig, dass die erste Auslandsreise von Präsident Xi Jinping ihn 2013 neben Russland auch in drei afrikanische Staaten führte. In der Volksrepublik selbst scheint das Afrikabild noch reichlich verzerrt. In Werbung und bei der letzten Neujahrshow, mit immerhin rund einer halben Milliarde Zuschauern, kam es gar zu einem rassistischen Eklat

  • Hier klaffen Rhetorik und Wirklichkeit enorm auseinander: Zusammenarbeit auf dem Kontinent wird im südafrikanischen politischen Diskurs immer sehr hoch gehandelt, aber in der Praxis, vor allem in der Wirtschaft, orientiert man sich Richtung Asien, Europa und – Trump-bedingt – weniger als bisher nach Amerika. Immer mehr große Firmen, wie zum Beispiel vor einigen Wochen die Barclays Bank, ziehen sich aus Afrika und Südafrika zurück, weil sie das Vertrauen in die vielbeschworenen Entwicklungspotentiale verloren haben. Wenn schon südafrikanische Investoren weder im eigenen Land noch auf dem Kontinent investieren wollen, dann werden internationale Investoren dies auch nicht tun.

  • Autoren

    BRASILIEN Beate Forbriger, Brasilienexpertin und ehemalige Projektleiterin der FNF Brasilien
    RUSSLAND Julius Freytag-Loringhoven, Leiter des Projektbüros Moskau
    INDIEN Ronald Meinardus, Leiter des Regionalbüros Indien in Neu Delhi
    CHINA Armin Reinartz. Leiter des Global Innovation Hubs der Stiftung und Chinaexperte der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
    SÜDAFRIKA Barbara Groeblinghoff Friedrich Naumann Stiftung fuer die Freiheit South Africa