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Politik
Politische Konsequenzen der Regional- und Kommunalwahlen in Peru 2022

Das Rathaus von Lima

Das Rathaus von Lima (Municipalidad de Lima) ist auf dem Bild zu sehen.

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Die Regional- und Kommunalwahlen 2022 in Peru fanden am Sonntag, dem 2. Oktober, statt. Gewählt wurden Gouverneure, Bürgermeister und Stadträte. Trotz landesweiter Wahlpflicht lag die Wahlbeteiligung in Lima nur bei 78,6% und landesweit bei 77,4%. Die besonders beachtete und spannende Wahl zum Bürgermeister der Metropole Lima endete mit dem Sieg des Kandidaten der rechtsnationalistischen Partei Renovación Popular, Rafael López Aliaga. Seine Partei konnte sich auch in zwölf anderen Bezirken Limas mit ihren Kandidaten durchsetzen[1], Stadtviertel, in deren Einwohner die Oberschicht und obere Mittelschicht und Unternehmer repräsentieren.

[1] Chaclacayo, La Victoria, La Molina, Lince, Miraflores, Pueblo Libre, San Isidro, Barranco, Surquillo, Jesús María, San Luis und San Borja.

Partei Podemos Perú belegt den ersten Platz in Bezirke der mittleren und unteren sozialen Schichten

In acht Bezirken Limas belegt Podemos Perú den ersten Platz. Alle diese Bezirke haben eines gemeinsam: Es sind populäre Bezirke der mittleren und unteren sozialen Schichten.[1] In sechs Bezirken erhielt die Partei Somos Perú die meisten gültigen Stimmen[2], diese Bezirke befinden sich in den Außenbezirken Limas und gelten als Bezirke der Unter- und Mittelschicht. In neun Bezirken der Hauptstadt lag die von dem umstrittenen ehemaligen Präsidentschaftskandidaten César Acuña gegründete Partei Alianza Para el Progreso (APP), die im rechtskonservativen Spektrum zu verorten ist, an der Spitze der Wählerstimmen.

In sechzehn Regionen des Landes gewannen rein regionale Bewegung oder Parteien, in neun Regionen wird eine Stichwahl erforderlich. Die Ergebnisse zeigen das Scheitern von Fuerza Popular (Volkskraft) und Perú Libre (Freies Peru). Obwohl beide Parteien bei den Präsidentschaftswahlen 2021 in die zweite Runde kamen, waren sie bei den Kommunal- und Regionalwahlen praktisch nicht mehr vertreten.

[1] Ancón, Breña, Rímac, San Martín de Porres, Santa Rosa, El Agustino, Cieneguilla und Los Olivos

[2] Carabayllo, Comas, Pucusana, Puente Piedra, Independencia und San Juan de Lurigancho

Was die Ergebnisse der politischen Beteiligung von Frauen anbelangt, so übernehmen fünf Kandidatinnen der Renovación Popular im Jahr 2023 die Führung von Bezirksgemeinden im Großraum Lima: Barranco (Jessica Vargas), Lince (Malca Schnaiderman), Pueblo Libre (Mónica Tello), San Isidro (Nancy Vizurraga) und Surquillo (Cintia Alvarez Loayza). 

Stichwahlen

In neun Regionen, in denen keine der politischen Organisationen mehr als 30 % der gültigen Stimmen erhalten hat, findet eine Stichwahl zwischen den beiden politischen Organisationen mit der höchsten Stimmenzahl statt: Amazonas, Cajamarca, Callao, Cusco, Lambayeque, Lima (Provinzen), Moquegua, Pasco und Piura. Nur in sechs Regionen erreichte eine politische Partei von nationaler Bedeutung bei den Regionalwahlen den ersten Platz und überschritt 30 % der gültigen Stimmen: Apurímac (Frente de la Esperanza 2021), La Libertad (APP), Loreto (Somos Perú), Madre de Dios (Avanza País), San Martín (Somos Perú) und Tumbes (APP).

Konsequenzen und Bewertungen

Der Ausgang der Kommunalwahlen spiegelt die derzeitige politische Situation in Peru sehr gut wider. Auf der einen Seite steht ein großer Vertrauensverlust des amtierenden Präsidenten Pedro Castillo und seiner Partei. Seine bisherige 17-monatige Amtszeit ist geprägt von Korruptionsskandalen, die ihm persönlich und seiner Familie angelastet werden. Hinzu kommen Vorwürfe fehlender Kompetenz und Führungskraft, was in drei angeregten, aber letztendlich mangels Mehrheit gescheiterten Amtsenthebungsverfahren des Kongresses gegen ihn dokumentiert ist. In seiner bisherigen Amtszeit hat Castillo mittlerweile 67 Minister und drei Premierminister ausgewechselt. Dabei ist anzumerken, dass die Ministerwechsel nicht durch Fehlleistungen in der jeweiligen Amtszeit erfolgten, sondern aufgrund fehlender Kompetenz, Korruptionsvorwürfe, früherer Vorstrafen oder schwebender juristischer Verfahren quasi erzwungen wurden. Die Auswahl derartig „qualifizierter“ Minister hat das Vertrauen in den Präsidenten noch stärker untergraben, seine Zustimmungsrate beläuft sich derzeit auf 20%. Die Reaktion der Regierung erschöpft sich darin, ihren Kritikern Putschambitionen zu unterstellen und der Presse vorzuwerfen, mit den Putschisten gemeinsame Sache zu machen und damit quasi zum öffentlichen Feind zu erklären.

Demgegenüber steht andererseits ein ebenfalls aufgrund von Korruptionsskandalen in Verruf geratener Kongress, in dem sich die Parteien und Abgeordneten mit gegenseitigen Anklagen geradezu übertreffen. Seine eigentliche Aufgabe, Gesetze auf den Weg zu bringen oder gar zu verabschieden, nimmt die Legislative ebenso wenig wahr wie die demokratische Kontrolle der Exekutive. Dagegen werden in regelmäßiger Frequenz Amtsenthebungsinitiativen gegen den Präsidenten entwickelt und diskutiert, die bisher nicht nur eindeutiger Beweise entbehren, sondern in vielen Fällen juristisch nicht zulässig sind. Bei diesen Aktionen sind zudem die Grenzen der Zusammenarbeit zwischen den Parteien fließend, politische Ideologien oder Wertvorstellungen spielen dabei keine Rolle. So liegt die Zustimmungsrate des Kongresses logischerweise kontinuierlich noch unter der des Präsidenten. Wenn jedoch beide vom Volk gewählten demokratischen Institutionen diese Mißtrauenswerte aufzeigen, dann ist das Vertrauen in die Demokratie insgesamt stark bedroht.

Dies führt zu der weiteren Bewertung des Wahlergebnisses vom 2. Oktober. Als Reaktion auf das Versagen der Legislative wie Exekutive wird das andere politische Extrem, rechte und nationalistische Parteien gewählt. Die ohnehin schon kaum vorhandene politische Mitte schrumpft dagegen weiter. Die Polarisierung der Gesellschaft und der öffentlichen politischen Diskussion macht es für gemäßigte und in der Mitte des politischen Spektrums verorteten Parteien oder Akteure schwer, sich Gehör und Beachtung zu verschaffen. Innerhalb der Zivilgesellschaft schwindet zudem das Interesse, sich in dieser „Gemengelage“ politisch zu engagieren, da man stets mit jeder Meinungsäußerung entweder in die „linke“ oder „rechte“ Schublade eingeordnet wird und eine sachliche Auseinandersetzung derzeit kaum möglich ist.

Durch die schon beschriebene Volatilität und fehlende ideologische Basis der politischen Parteien, bieten sich für engagierte Akteure der Zivilgesellschaft kaum oder wenige Möglichkeiten, sich in einer Partei zu organisieren bzw. sich dort zu beteiligen. Hinzu kommt, dass die politischen Parteien nur scheinbar über parteiinterne demokratische Strukturen verfügen und in der Regel von einer Persönlichkeit dominiert werden, die die politische Richtung und auch die Kandidaten für Parteiämter auswählt. Die Hürden für Neugründungen auf Landesebene sind sehr hoch, dies erklärt auch, dass in vielen Regionen nur regionale Parteien eine Mehrheit erringen konnte, aber damit auf nationaler Ebene keine Rolle spielen und Einfluss ausüben können.

Leider ist dieser Trend der politischen und gesellschaftlichen Polarisierung auch in anderen Andenländern wie Chile, Kolumbien oder auch Bolivien zu erkennen. Wenn jedoch die Bevölkerung das Vertrauen in die demokratischen Institutionen verliert und auch keinen Sinn oder keinen Anreiz hat, sich für Demokratie zu engagieren, sieht es sehr düster für die Demokratie und demokratische Entwicklung dieser Länder aus. Umso wichtiger ist die Arbeit und Unterstützung internationaler Organisationen, die mit ihren zivilgesellschaftlichen Partnern in diesen Ländern demokratische Traditionen bewahren und stärken.