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Vorwahlbericht
Die brisantesten Wahlen in der Geschichte Perus

Präsidentschaftsdebatte Wahlen Peru
Die 6 aussichtsreichsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl bei einer TV-Debatte am 29. März © picture alliance / AA | Angela Ponce

Peru ist eine demokratische Republik. Nach der Verfassung von 1993 wird alle fünf Jahre ein Staatspräsident gewählt, der mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet ist. Der Staatspräsident ist zugleich Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Regierungschef. Er ernennt und entlässt das Kabinett. Letzteres muss durch das Parlament bestätigt werden. Die gesetzgebende Gewalt wird durch den Kongress gebildet. Dessen 130 Sitze verteilen sich aktuell auf Abgeordnete von neun verschiedenen Parteien.

Was und wer wird gewählt?

Am Sonntag, den 11.04.2021 treten 18 Kandidaten an, die den Präsidentenstuhl besetzen wollen. Von dieser Gruppe sind nur zwei Frauen (Keiko Fujimori y Veronica Mendoza). Sollte kein Kandidat oder keine Kandidatin für die Präsidentschaft die absolute Mehrheit (mindestens 40% der Stimmen mit 10% Vorsprung über den Zweiten oder mehr als 50%) erringen, findet am 06. Juni ein zweiter Wahlgang mit einer Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten statt. Bei den Parlamentswahlen werden auch die 130 Parlamentarier für die Legislaturperiode 2021-2026 gewählt. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Wahlen kommt diesmal der Wahlkreis der im Ausland lebenden Personen hinzu. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass bei diesen Parlamentswahlen die Peruaner nicht nur einen neuen Präsidenten der Republik, Vizepräsidenten und Vertreter im Kongress wählen können, sondern auch neue Mitglieder für das Andenparlament. Gewählt werden 5 Abgeordnete für das Andenparlament mit Sitz in Bogotá Kolumbien.

20 Parteien haben Listen mit Kandidaten für den Kongress aufgestellt, zwei von ihnen stellen keinen Präsidentschaftskandidaten und einigen wenigen gelang es nicht, alle Wahlbezirke auf nationaler Ebene abzudecken.

Dass so viele Parteien antreten, liegt u.a. auch an der Wahl- und Parteienreform. Wer diesmal nicht die 5%-Hürde schafft, verliert den Status einer eingeschriebenen Partei. Die Regel, Teil der 2019 beschlossenen politischen Reform, zielt darauf ab, die Anzahl der Parteien im Kongress zu reduzieren und einen größeren Konsens bei der Ausarbeitung von Gesetzen zu erreichen.

Die Zahl der wahlberechtigten Peruaner beträgt zurzeit 25.287.954. Peru gilt als ein Land mit einer jungen Bevölkerung. Mehr als die 50% den stimmberechtigten Peruaner sind jünger als 40 Jahre alt.

Von den potentiellen Wählern leben knapp 25 Millionen im Inland. Etwa eine Million Peruaner im Ausland sind wahlberechtigt. Im Unterschied zu anderen Wahlen haben sie diesmal die Chance als „Wahlbezirk 27“ zwei Abgeordnete direkt zu wählen. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es in Peru keine elektronische oder briefliche Stimmabgabe, sondern sie erfolgt persönlich. In Peru besteht außerdem Wahlpflicht für Personen unter 70 Jahre alt. Erwachsene, die älter als 70 Jahre sind, sind bei allen Wahlen vom Wahlrecht befreit.

Rahmenbedingungen der Wahlen unter Covid-19

Die Rahmenbedingungen für die Wahl am 11. April könnten nicht schwieriger sein. Obwohl die peruanische Regierung am 16. März 2020 sehr schnell einen drastischen Lockdown erlassen hatte, hat das Coronavirus Peru besonders stark getroffen. Laut Financial Times ist Peru das Land, das am schlechtesten mit der Pandemie umgegangen ist. Das Land verzeichnet Rekordzahlen an überzähligen Todesfällen pro Million. Peru hat auch den höchsten prozentualen Überschuss - überzählige Todesfälle ausgedrückt als Anteil an den normalen Todesfällen im gleichen Zeitraum. 

In vielen Regionen Perus herrschen am Sonntag ganztägig Ausgangs-beschränkungen. Somit ist nicht klar, welche Gesetze Vorrang haben: das Gesetz zur Wahlpflicht oder aber die aktuelle CORONA-Einschränkungen, die ein Verlassen der häuslichen Umgebung am Sonntag untersagen.

Überblick über die ersten sechs Kandidaten

Überblick über die aussichtsreichsten Kandidaten

Umfragen prognostizieren knappe Präsidentschaftswahl in Peru

Wegen der Pandemie ist der aktuelle Wahlkampf selbstverständlich anders als 2016. Bürgerrechte sind durch die Regierung wegen der zweiten Welle, die Peru zurzeit gewaltig betrifft, eingeschränkt. Lockdown, Veranstaltungs- und Versammlungsverbot in Lima und anderen Gemeinden, Abstand zwischen Personen und weitere Maßnahmen um das Ansteckungsrisiko zu vermeiden, waren die Bedingungen für den Wahlkampf. Früheren Kampagnen haben aber gezeigt, wie wichtig der Wahlkampf auf öffentlichen Plätzen, z.B.  Märkten ist. Diese politischen Verbreitungskanäle werden weder durch soziale Netzwerke noch durch die traditionellen Medien ersetzt. Dieses Format bedeutet jedoch auch ein Risiko. Tatsächlich meldeten sich Kandidaten wegen einer COVID-19-Infektion krank, unter ihnen George Forsyth, ein Präsidentschaftskandidat.

Das bedeutet für erfahrene und neue Kandidaten eine große Herausforderung, weil persönlicher Kontakt ein Muss für die Wahlkampfstrategie ist. Die größte Rolle für die politischen Einflussnahmen spielen nun Fernseh- und Radiodebatten sowie Artikel in den Printmedien. Diverse Fernsehkanäle haben Debatten mit den Kandidaten für die Präsidentschaft und den Kongress ausgestrahlt. Die wichtigste Debatte zwischen den 18 Kandidaten wurde in drei Sessionen am 29., 30. und 31. März durchgeführt. Jeweils 6 Personen wurden zu denselben Themen befragt. Erst durch die nationale TV-Ausstrahlung konnte eine große Mehrheit den Bürgern diese Anwärter auf die Präsidentschaft erstmals kennenlernen. Die Umfragen vor und nach dieser Debatte haben zu einigen deutlichen Verschiebungen der Wahlpräferenzen geführt.

Eine Woche vor den Wahlen in Peru führte der Mitte-Rechts-Präsidentschaftskandidat Yonhy Lescano (10%) immer noch die Umfragen über die Wahlabsichten an, begleitet von der Linken Verónica Mendoza (9%) und dem Rechten Hernando de Soto (9%), laut einer am 04.04.2021 veröffentlichten Umfrage.

Eine Umfrage für die traditionelle Zeitung El Comercio bestätigt die Tendenz, dass die Wahl knapp ausfallen wird und dass keiner der 18 Kandidaten am Sonntag, den 11. April, die Präsidentschaft gewinnen wird, so dass es am 6. Juni eine zweite Runde geben wird.

Auf dem vierten Platz mit 8% liegen der ehemalige Fußballspieler und Bezirksbürgermeister George Forsyth (Mitte-Rechts) und Keiko Fujimori (Rechtspopulistin), die Tochter von ehemaligen peruanischen Präsident Alberto Fujimori, der wegen Menschenrechtsverletzungen heute inhaftiert ist.

Der rechtsextreme Rafael López Aliaga fiel um drei Positionen auf den sechsten Platz, zusammen mit dem Linken Pedro Castillo. Beide sind mit 6% noch nicht chancenlos.

In Bezug auf das Parlament ist das Panorama völlig unklar. Das Desinteresse an den Wahlen betrifft den Parlamentswahlkampf noch stärker. Keine Partei hat eine große Mehrheit. Laut Ipsos-Umfrage vom Januar 2021 erhält Acción Popular 9%, Partido Morado 8%, Fuerza Popular 7%, Juntos por el Perú 5%, Alianza para el Progreso 5%, Somos Peru 5%, Frepap 4% und Victoria Nacional 4%.

Nur ein paar Tage vor der Präsidentschaftswahl deutet alles darauf hin, dass es eine Stichwahl geben wird. "Peru steht vor den brisantesten Wahlen seiner Geschichte", sagen viele politische Experten nicht ohne Unrecht.