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Thailand
Wahlen in Thailand: Zivilisten statt Generäle?

Paetongtarn Shinawatra

Paetongtarn Shinawatra tritt bei den Wahlen im Mai für die Partei Pheu Thai an. Sowohl ihr Vater Thaksin aus auch ihre Tante Yingluck haben das Land in der Vergangenheit schon regiert

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Sakchai Lalit

Am kommenden Sonntag wählen mehr als 50 Millionen Wahlberechtigte im Königreich Thailand ein neues Parlament. Die beiden größten Oppositionsparteien liegen in den Umfragen vorne, die militärnahe Partei von Premierminister Prayuth Chan-ocha hinkt hinterher.

Seit Wochen herrscht in Thailand Wahlkampffieber. Fast alle Straßen, von der kleinsten Gasse bis zu den großen Überlandstraßen sind mit Wahlpostern plakatiert. Bunt geschmückte Pickup-Trucks mit dröhnenden Lautsprechern auf den Ladeflächen fahren auf und ab. Sie werben für Parteien und ihre Kandidaten. Mit Versprechen wie höherem Mindestlohn, niedrigeren Einkommenssteuern oder gar Barzahlungen an Bürger nach der Wahl versuchen sie, Stimmen zu gewinnen.

Ganze 70 Parteien stellen sich zur Wahl. Laut Umfragen können fünf bis sechs von ihnen mit zahlreichen Parlamentssitzen rechnen, alle anderen nicht. Thailands ältester Partei, die Democrat Party, könnte ein Desaster bevorstehen. Sie hat es nicht geschafft, so relevant zu bleiben wie früher.

Bescheidene Bilanz von Premier Prayuth

Die Wahl wird ein Referendum über die Regierungszeit von Premierminister Prayuth. Der General, der sich 2014 an die Macht putschte und 2019 durch fragwürdige Wahlen bestätigen ließ, versprach, Thailands Wirtschaft auf Vordermann zu bringen. Und er versprach, der Korruption ein Ende zu setzen. Seine Bilanz fällt mager aus. Bei der Korruptionsbekämpfung wurden zwar begrenzte Fortschritte erzielt. Doch die Wirtschaft dümpelt vor sich hin. Sie erholt sich im Vergleich zu den südostasiatischen Nachbarn nur langsam von der Covid-Krise. Auch bei den ausländischen Direktinvestitionen liegt Thailand hinter Konkurrenten in der Region.

Die jüngsten Meinungsumfragen sprechen eine entsprechend deutliche Sprache. Die konservative UTN-Partei von General Prayut erscheint abgeschlagen. Ebenso im Tief ist die konservative Palang Pracharath Partei, die vom aktuellen Vize-Premier geführt wird. Auch er ist ein General a.D., der 2014 am Coup beteiligt war. Den Putschisten von damals scheinen nach knapp zehn Jahren an der Macht nun Wahlschlappen bevorzustehen.

Endlich wieder zivile Führung?

Laut Umfragen vorne liegen von Zivilisten geführte Parteien, die derzeit in der Opposition sind: die Pheu Thai Partei und die Move Forward Partei. Die Mehrheit der Thais, so scheint es, will endlich wieder zivile Führung. Die möglicherweise stärkste Kraft im neuen Parlament, die Pheu Thai Partei, steht dem ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra nahe. Thaksin - ein reicher, charismatischer Populist - regierte durch zwei haushohe Wahlsiege von 2001 bis 2006. Dann wurde er vom Militär aus dem Amt geputscht, wegen Korruption sowie Steuerhinterziehung angeklagt und zu Gefängnis verurteilt. Thaksin flüchtete und lebt seitdem im Exil. Seine Popularität blieb, der Name Shinawatra zieht bis heute. 2011 gewann Thaksins Schwester die Parlamentswahl. Auch sie verlor ihr Amt, es folgten wieder ein Putsch, wieder eine Anklage und wieder eine Verurteilung. Auch Thaksins Schwester flüchtete und lebt seitdem im Exil. Und nun, am kommenden Sonntag, tritt Thaksins Tochter als eine Spitzenkandidatin der Pheu Thai Partei an: Paetongtarn Shinawatra, genannt „Ung Ing“, 36 Jahre jung. Sollte die Meinungsforscher sich nicht irren, wird ihre Partei die Wahl gewinnen.

Anklagen wegen Majestätsbeleidigung

Die laut Umfragen derzeit zweitstärkste Kraft, die Move Forward Partei, hat vor allem bei der jüngeren Bevölkerung Zuspruch. In den vergangenen Jahren demonstrierten in Thailand wiederholt Tausende junge Leute für mehr Demokratie. Dabei thematisierten sie auch Thailands Monarchie. Mittlerweile sind alle Wortführer der Bewegung sowie viele Mitläufer wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Sie rechnen mit mehrjährigen Haftstrafen. Die Move Forward Partei fordert demokratische Reformen und als einzige Partei Thailands auch eine Reform des Artikels 112, der Majestätsbeleidigung unter Gefängnisstrafe stellt. Etwas verändern zu wollen, was die Monarchie tangiert, gilt in Thailand als radikal. Die Partei der jungen Leute hatte bereits bei der Wahl vor vier Jahren gut abgeschnitten. Daraufhin wurde sie aus fadenscheinigen Gründen verboten. Nun tritt sie unter einem neuen Namen an. Ein erneut gutes Abschneiden der Move Forward und ein erneutes Parteienverbot würde niemanden überraschen.

Auf den ersten Blick könnte sich nach der Wahl eine Koalition der beiden in Umfragen führenden Oppositionsparteien anbietet. Aber erstens müssen die Wählerinnen und Wähler zunächst die Meinungsforscher bestätigen. Zweitens will Pheu Thai nur mit Move Forward zusammenarbeiten, wenn die Monarchie unangetastet bleibt.

Eine Rolle bei Koalitionsverhandlungen aller Art könnte eine weitere Partei spielen: Bhumjaithai. Ihr Chef ist derzeit Gesundheitsminister und setzte vergangenes Jahr die Legalisierung von Cannabis durch. Offiziell nur zu medizinischen Zwecken erlaubt, ist Gras seit neun Monaten überall in Thailand erhältlich. Allein Bangkok hat mittlerweile 2.000 Cannabis-Läden, landesweit sind es 4.000. Zwar finden die konservativen Thais das nicht gut. Aber alle, die am legalen Anbau oder am Verkauf verdienen oder einfach nur gerne Gras rauchen, sind der Bhumjaithai-Partei dankbar.

Schwierige Regierungsbildung

Höchstwahrscheinlich wird die Regierungsbildung schwierig. Um Thailands neuen Premier zu stellen, reicht eine einfache Parlamentsmehrheit nicht aus. Der Regierungschef wird von einer Versammlung gewählt, in der außer den 500 neu gewählten Parlamentariern auch 250 alte Senatoren sitzen, die nicht gewählt, sondern vom Militär ernannt wurden. Die Senatoren sind Teil des konservativen Establishments, das in Thailand seit Jahrzehnten Mittel und Wege findet, an der Macht zu bleiben.

Miklos Romandy ist Programm-Manager im Regionalbüro Südost- und Ostasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Bangkok, Thailand. Moritz Kleine-Brockhoff leitet das Büro.