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Italien
Italiens Verstrickungen mit Russland und die Energie-Programmatik der Parteien

Matteo Salvini und Giorgia Meloni

Matteo Salvini und Giorgia Meloni

© picture alliance / ANSA | MATTEO BAZZI

Russland und Italien sind seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts enger verbunden, als viele meinen. Italien beheimatete die größte kommunistische Partei diesseits des Eisernen Vorhangs in Europa und die Wirtschaft schloss einen lukrativen Industrie- und Energievertrag nach dem anderen mit Russland ab – auf Bestreben nicht zuletzt der konservativen Christdemokraten in Italien. Der italienische Automobilhersteller FIAT baute gar ein riesiges Werk in dem kommunistischen Land – in der Stadt Togliatti an der Wolga, benannt nach einem kommunistischen Parteiführer Italiens.

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Regierungen aller Couleur haben auch nach Ende des kalten Krieges die wirtschaftliche und energiepolitische Verflechtung mit Russland vorangetrieben – nicht unähnlich des deutschen Vorgehens, wenngleich auch weniger naiv. Der Glaube an „Wandel durch Handel“ stand weniger im Vordergrund; dafür umso mehr eine unkritische, interessen- und sympathiegeleitete Außen- und Außenwirtschaftspolitik. Dabei spielten persönliche Beziehungen stets eine herausgehobene Rolle. Die „Bromance“ zwischen Ex-Premier Silvio Berlusconi und Diktator Putin war sicherlich die bekannteste, aber eben keineswegs der Beginn der besonderen Beziehung beider Länder - und sie lässt sich auch nicht so einfach dem Links-Rechts-Schema zuordnen.

Dies gilt bis heute: So ist die rechtsextreme Umfragen-Königin Giorgia Meloni der Fratelli d’Italia, anders als ihre möglichen Bündnispartner von „Forza Italia“ und der „Lega“, keine „Putin-Versteherin“, sondern präsentiert sich, besonders seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs, als Verfechterin des transatlantischen Bündnisses. Allerdings gab sie noch 2019 zu Protokoll, dass Órban ihr „role model“ sei. Ihr „orbanesker“, knallharter Anti-EU-Kurs ist es dann auch, von dem hinsichtlich des Verhältnisses zu Russland die größte Gefahr ausgeht. Ihren Traum vom „Europa der Vaterländer“ hätte Putin nicht schöner niederschreiben können.

Mateo Salvini hingegen war wie Berlusconi häufig bei Putin zu Gast und hat sich im Wahlkampf klar für ein Ende der EU-Sanktionen als Reaktion auf den Ukraine-Krieg positioniert. Im linken Spektrum ist es insbesondere die populistische „5-Sterne-Bewegung“, die sich trotz der grundsätzlichen verbalen Unterstützung für die Ukraine ausdrücklich gegen Waffenlieferungen an das angegriffene Land ausspricht. Russland kann sich dabei auch auf eine ausgesprochen wohlwollende Berichterstattung in Italien stützen. Das gilt für private Anstalten, insbesondere aus Berlusconis Medienimperium „Mediaset“, aber auch für die öffentliche RAI.

Energiepolitisch steht Italien durch seine große Abhängigkeit von russischem Gas vor ähnlich großen Herausforderungen wie Deutschland. Im Juli hatte das Land seine Gasimporte aus Russland aber bereits um 15 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr auf 25% reduzieren können – während Deutschland noch immer rund 35% seines Gasbedarfs mit russischen Exporten deckte.

Das Thema Energie steht deshalb in diesem Wahlkampf weit oben auf der Agenda und der größte Unterschied zwischen rechten und linken Parteien ist die Atomfrage. Nach der EU-Entscheidung zur Taxonomie, die auf Frankreichs Drängen Atomstrom als saubere Energiequelle gelten lässt, sprechen sich die Fratelli d´Italia, Lega und Forza Italia für die Kernenergie aus, die von den Italienern traditionell kritisch gesehen wird. Nach Tschernobyl hatte das Land 1990 die beiden letzten seiner vier Reaktoren stillgelegt; die Rückkehr zur Kernkraft (der Plan waren 25% Nuklearstrom-Anteil bis 2030) wurde 2011 in einem Referendum abgelehnt.

Die Parteien der sich abzeichnenden Koalition rechts der Mitte („Fratelli“, „Lega“ und „Forza Italia“) sprechen sich darüber hinaus für den Ausbau erneuerbarer Energien, Wasserstoff und das Ausbeuten heimischer Erdgasvorkommen aus. 

Der „Dritte Pol“ (das liberale Wahlbündnis des Zentrums mit „Azione“ und „Italia Viva“) sowie die liberale Partei „Piu Europa“ setzen ebenfalls auf Nuklear-Energie, neue Rückvergasungsanlagen für LNG (Liquid Natural Gas), neue Gasförderanlagen in Italien - und Erneuerbare.

Auf Erneuerbare können sich alle einigen, vor allem natürlich auch die linken Parteien, in den Umfragen angeführt von den Sozialdemokraten („Partito Democratico“). Sie alle lehnen die Rückkehr zur Kernenergie ab. Die „5-Sterne-Bewegung“ lehnt darüber hinaus auch neue Erdgasförderanlagen ab. Sie will einen „Energy Recovery Fund“ für die gemeinsame europäische Gasbeschaffung und –speicherung einsetzen. Aus liberaler Sicht wird es vor allem bei der linken Allianz UP („Unione Populare“) sehr schwierig, die sich einerseits für ein Ende der Sanktionen gegen Russland und andererseits eine Verstaatlichung des italienischen Energiesektors einsetzt. Wenn es noch einen Beweis für die ideologische Verbundenheit von Teilen der italienischen Politik mit Russland und seiner Vergangenheit bräuchte – hier ist er.

 

David Henneberger ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für Spanien, Portugal & Italien mit Sitz in Madrid.