Wahl in Rumänien
Pro-Europa-Signal aus Bukarest: Rumänien wählt gegen Moskau-Kurs

In Rumänien hat der proeuropäische Kandidat Nicușor Dan die Präsidentschaftswahl gewonnen.
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andreea AlexandruDer unabhängige Kandidat Nicușor Dan gewann am Sonntag die Stichwahl der rumänischen Präsidentschaftswahl mit 6.168.642 Stimmen (53,60 %) gegen George Simion von der rechtsextremen Partei AUR, der 5.339.053 Stimmen (46,40 %) erhielt. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,72 %, insgesamt gaben über 11,6 Millionen Rumänen ihre Stimme ab, davon 1,64 Millionen im Ausland. Am ersten Urnengang zwei Wochen zuvor hatten sich nur 53% der Stimmberechtigten beteiligt. In den beiden Wochen bis zur Stichwahl fand dann eine massive Mobilisierung in allen demokratischen Bevölkerungsschichten vor allem im urbanen Milieu statt, die zum Erfolg von Nicușor Dan führte.
Im Inland erhielt Nicușor Dan 55,16 % der Stimmen, während George Simion auf 44,84 % kam. Im Ausland jedoch lag Simion vorn – mit 55,86 % gegenüber Dans 44,14 %. Besonders deutlich war Simions Vorsprung in Deutschland, wo 278.291 Rumänen gewählt haben. Dort erhielt Simion 68,31 %, Dan nur 31,69 %. Während Simion in den ländlichen Regionen Rumäniens mehr Kreise für sich entschied (22), war Dans Rückhalt in den urbanen und westlich orientierten Regionen stärker. Er gewann vor allem in Kreisen wie Harghita, Covasna und Cluj. Auch unter Rumänen in Russland, Kasachstan, Indien, Japan und anderen asiatischen Ländern setzte sich Dan durch – in Russland mit 58,65 % der Stimmen.
Innenpolitische Auswirkungen
Nach Bekanntgabe der ersten Abstimmungstrends hielt Dan eine Siegesrede, rief zur Einheit auf und kündigte an, sich vorrangig dem Haushaltsdefizit, der Sicherheitslage und der Regierungsbildung zu widmen. Auch hat er schon den Favoriten für das Amt des Ministerpräsidenten benannt: Den amtierenden Interimspräsidenten der konservativen Nationalliberalen von der PNL, Ilie Bolojan. Dan zeigte sich offen für Gespräche mit allen demokratischen Parteien, auch wenn er auf Spannungen innerhalb der sozialistischen PSD hinwies, die nun dazu neigt, die Regierungsverantwortung zu meiden, obwohl sie sowohl für die verpatzten Wahlen als auch für das enorme Haushaltsdefizit von ca. 9-10% verantwortlich gemacht wird. Dan selber befürwortet eine stabile GroKo mit vier Parteien. Die bürgerlich Liberalen der Union zur Rettung Rumäniens USR, Partnerpartei der Stiftung, bekundeten bereits öffentlich Interesse an einer Regierungsbeteiligung. Eine Regierungsbeteiligung seitens der Partei der Ungarischen Minderheit UDMR ist ebenfalls zu erwarten. Als Datum für die Amtsübernahme von Dan wird der 26. Mai gehandelt.
Vor dem Wahlkampfhauptquartier mischte sich Dan unter die jubelnden Menschen und rief die Bürger zur aktiven Beteiligung an Politik und Gesellschaft auf. In einer emotionalen Rede dankte er allen, die für den Wandel gekämpft hatten, und betonte, Rumänien brauche nun neue Menschen in der Politik. An die Diaspora gerichtet erklärte er, dass Rumänien immer für sie da sei.
George Simion erklärte sich zunächst selbst zum Wahlsieger, räumte jedoch wenige Stunden später seine Niederlage offiziell ein. In einer Videobotschaft gratulierte er Nicușor Dan und dankte den über fünf Millionen Rumänen, die ihn unterstützt haben. Gleichzeitig kündigte er an, seinen politischen Kampf fortzusetzen – für Gerechtigkeit, christliche Werte und die natürliche Familie. Er betonte, AUR werde ein bedeutender Teil der rumänischen Gesellschaft bleiben, was dazu hindeutet, dass er die Spaltung in der Gesellschaft weiter vorantreiben wird.
Außenpolitische Auswirkungen
George Simion, Kandidat der extremistischen AUR und sichtbar unterstützt von Donald Trumps Umfeld sowie indirekt von Moskau, hatte offen angekündigt, Rumäniens Unterstützung für die Ukraine zu beenden, den ungarischen Kurs Orbáns zu übernehmen und sich aus der westlichen Solidaritätsarchitektur zurückzuziehen. Ein Sieg Simions hätte die EU in ihrer verwundbarsten Flanke erschüttert. Rumänien verfügt nämlich über die längste Grenze zur Ukraine – entscheidend für militärische Logistik, humanitäre Hilfe und politischen Rückhalt. Ein Bruch Bukarests mit der EU-Ukraine-Politik hätte die Position Selenskyjs geschwächt, den Spielraum Putins gestärkt und die Republik Moldau, mit ihren anstehenden Wahlen, weiter destabilisiert.
Nicht nur Russland hatte in Bukarest investiert. Auch die Trump-nahe MAGA-Bewegung sah Rumänien als mögliches Einfallstor für die Exportstrategie ihrer Ideologie. Nach Rückschlägen bei den Parlamentswahlen in Deutschland, Kanada und Australien sollte George Simion als europäischer Vorposten dienen. Doch sein öffentlicher Appell an die USA, Rumänien aus dem Visaprogramm auszuschließen, was auch eingetreten ist, rief bei den Wählern massive Ablehnung hervor. Ein symbolischer Akt, der sein Scheitern besiegelte.
Der Wahlsieg von Dan ist Ausdruck einer breiten Ablehnung autoritärer Versuchungen. Offene Unterstützung mit Videobotschaften aus Paris, Warschau und Chișinău zeigte, wie groß die internationale Bedeutung dieser Wahl war. Emmanuel Macron, Maia Sandu und auch Donald Tusk gratulierten umgehend – nicht nur aus Höflichkeit, sondern aus Interesse an einem geeinten, starken Europa.
Diese Wahl war kein Blankoscheck für Nicușor Dan, sondern ein entschiedenes Nein zur Entfremdung von der EU. Die rumänische Gesellschaft hat in einem historischen Moment Verantwortung übernommen – für ihre Zukunft, für die Ukraine, für Moldau und für Europa. Das von Simion angestrebte europäische MAGA-Netzwerk bleibt vorerst ein Fragment. In Polen, wo in Kürze ebenfalls gewählt wird, wird sich zeigen, ob Bukarests Signal zur Verteidigung der liberalen Demokratie Nachahmer findet. Doch schon jetzt lässt sich sagen: Mit dieser Wahl wurde Moskaus Einfluss in Rumänien erfolgreich pariert.