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Provinzialwahlen Niederlande
"New Kids on the Block"

Bürger- und Bauernbewegung gewinnt niederländische Provinzwahlen
 BBB-Vorsitzende Caroline van der Plas

BBB-Vorsitzende Caroline van der Plas

© picture alliance / ANP | Sem van der Wal

Eine neue populistische Partei hat die politische Landschaft in den Niederlanden mit ihrem Sieg bei den Provinzwahlen auf den Kopf gestellt. Die BoerBurgerBeweging (Bürger- und Bauernbewegung / BBB) gewann landesweit mehr als ein Fünftel der Stimmen mit einer Kampagne, die sich den ländlichen Ärger über die Umweltpolitik der Regierung zunutze machte. Das Ergebnis wird die Handlungsfähigkeit der regierenden Vierparteienkoalition unter Druck setzen, da die Wahlen in den Provinzen auch über die Zusammensetzung des niederländischen Senats bestimmen, und könnte zu verstärkten Spannungen innerhalb der Regierung führen.

Die Abstimmung erfolgte nach einem wochenlangen Wahlkampf, der sich auf ein einziges Thema konzentrierte: Stickstoffemissionen. Die niederländische Regierung unter dem liberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte (VVD) hat sich vorgenommen, die Stickstoffemissionen in den Niederlanden bis zum Ende dieses Jahrzehnts um 50 Prozent zu senken. Mit mehr als 100 Millionen Kühen, Schweinen und Hühnern übersteigt die Konzentration von Stickoxiden in der Luft und im Wasser die in den EU-Vorschriften festgelegten Höchstwerte bei weitem. Um die Emissionen zu senken, hat die Regierung daher Pläne zur Reduzierung des Viehbestands und zur möglichen Schließung von Betrieben vorgelegt.

Jedoch sind die Pläne der Regierung bei Bauern und ländlichen Gemeinden im ganzen Land auf heftige Gegenwehr gestoßen. Die vor vier Jahren von der Agrarjournalistin Caroline van der Plas gegründete BBB machte sich diesen Widerstand zunutze und führte eine Kampagne mit einer starken Anti-Regierungsbotschaft. Die Partei, die die Notwendigkeit einer Reform des Agrarsektors in Frage stellt, ist in allen Provinzen die größte Partei und wird 17 der 75 Sitze im Senat erhalten.

Ernüchterndes Wahlergebnis

Die regierende Koalition aus den Liberalen VVD und D66, den Christdemokraten (CDA) und der kleineren Christlichen Union (CU) musste bei den Wahlen schwere Verluste hinnehmen. Die Gesamtzahl ihrer Sitze im Oberhaus sank von 32 auf 22, was auf die Unzufriedenheit der Wähler mit einigen Regierungsmaßnahmen hinweist. Obwohl die liberalen Parteien mit relativ geringen Verlusten davonkamen (die VVD verlor zwei Sitze und hat jetzt zehn, die D66 rutschte von sieben auf fünf ab), werden sich die Delegationen der CDA (-4, nur noch 7 Prozent der Sitze) und der Christlichen Union (-2) etwa halbieren. Die zwei letzteren Koalitionsparteien haben traditionell einen starken Rückhalt in den ländlichen Gebieten und viele ihrer Wähler wechselten zur BBB.

Aber es gibt nicht nur schlechte Nachrichten für die Regierungskoalition. Die rechtsextreme Partei Forum für Demokratie (FvD) wurde auch dezimiert und verlor 10 von 12 Sitzen. Viele ihrer Wähler wechselten zur BBB, was zeigt, wie fragil das Schicksal der populistischen Parteien in den Niederlanden ist. Es wird zu einem immer festeren Trend, dass unzufriedene Wähler zwischen den verschiedenen populistischen Parteien wechseln. In den letzten Jahren ging der Zuwachs einer der populistischen Parteien in der Regel auf Kosten der anderen, da sie sich gegenseitig die Wählerschaft wegnehmen.

Wie geht es weiter?

Das Wahlergebnis wirkt sich auf die Zusammenstellung des niederländischen Senats aus und setzt die Regierung von Mark Rutte zunehmend unter Druck, was die Fähigkeit der Regierung, Gesetze zu verabschieden, demzufolge beschränkt. Bereits in der letzten Legislaturperiode hatten die Regierungsparteien mit 32 von 75 Sitzen eine Minderheit im Senat. Es war ihnen daher nicht fremd, andere Parteien um Unterstützung zu bitten. Da sie jedoch nur noch 23 Sitze haben, werden sie wesentlich mehr Unterstützung von den Oppositionsparteien benötigen, um Gesetze zu verabschieden.

In den vergangenen vier Jahren konnte die Regierung von Mark Rutte oft auf die Unterstützung der linken Oppositionsparteien PvdA (Sozialdemokraten) und GroenLinks (Grüne) zählen. Beide traten bei der Wahl mit einer gemeinsamen Liste an, um einen "linken Pol" zu schaffen. Obwohl die Listenverbindung der beiden Parteien nur einen leichten Zugewinn verzeichnen konnte (GroenLinks blieb mit acht Sitzen stabil, die PvdA gewann einen zusätzlichen Sitz und wird mit sieben Sitzen im Parlament vertreten sein), wird ihr gemeinsamer Stimmenanteil (der immer noch kleiner ist als der der Liberalen zusammen) erneut für eine Mehrheit im Senat ausreichen. Weitere Unterstützung ist von der pro-europäischen Partei Volt zu erwarten, die in den meisten Provinzen Sitze gewonnen hat und im Senat mit zwei Senatoren vertreten sein wird. Mit der Unterstützung dieser Parteien für die Vorschläge zur Agrarreform könnte die Regierung theoretisch ihre Pläne fortsetzen.

Trotz des bedeutenden Sieges der BBB steht die Mehrheit der niederländischen Bevölkerung weiterhin hinter dem Plan der Regierung, die Stickstoffemissionen zu senken. Die größte Frage bleibt jedoch, wie dieses Signal in der Regierung wahrgenommen wird. Die Umsetzung der Reformen mit Unterstützung der Linken würde wahrscheinlich zu Spannungen mit den Parteien führen, die am meisten verloren haben, nämlich CDA und CU. Für den sozial-liberalen Koalitionspartner D66 ist es jedoch inakzeptabel, das Reformziel gänzlich aufzugeben. Das wird wieder ein harter Brocken, der die niederländischen Politiker wohl noch viele Monate lang beschäftigen wird