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Historie
Von der „dritten Kraft” zum Innovationsmotor

Historische Einblicke in den „Maschinenraum” der Politik

In den frühen Jahren der Bundesrepublik kam den Freien Demokraten traditionell die Rolle der „dritten Kraft“ zwischen den Volksparteien CDU/CSU und SPD und damit die Funktion des Mehrheitsbeschaffers zu. In der unübersichtlicher gewordenen Parteienlandschaft von heute, in der nur noch selten eine einzelne Partei das „Zünglein an der Waage“ der Regierungsbildung ist, kommt der FDP mehr und mehr die Rolle des Innovationstreibers zu – so die These einer gemeinsamen Veranstaltung des Länderbüros Berlin-Brandenburg der Stiftung für die Freiheit und der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag anlässlich der Übergabe einer Edition der Fraktionsprotokolle der FDP von 1949-1969.

Die Editionsbände der Fraktionsprotokolle der Freien Demokraten 1949-1969

Die Editionsbände der Fraktionsprotokolle der Freien Demokraten 1949-1969

© Frank Nürnberger

Einzigartiger Einblick in die parlamentarische Arbeit

Aus einem Bestand von über 6.000 maschinenschriftlichen Seiten zu Protokollen der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten aus den Jahren 1949 bis 1969 hat ein Forscherteam der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus in Zusammenarbeit mit dem Archiv des Liberalismus der Stiftung für die Freiheit eine Edition sorgfältig ausgewählter Originaldokumente veröffentlicht, die einen einzigartigen Einblick in die parlamentarische Arbeit der Freien Demokraten in den ersten zwei Jahrzehnten der Bundesrepublik bietet. Kein zweites Nationalparlament in Europa verfügt über eine so umfassende und kontinuierliche Überlieferung, die einen vergleichbaren Zugang zur Binnenkommunikation der Volksvertretung ermöglicht.    

Als „dritte Kraft“ im Dreiparteiensystem kam den Freien Demokraten als kleine Partei eine außerordentliche Verantwortung zu: Sie bestimmte den zentralen Kurs der deutschen Politik entscheidend mit.

Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Hermann Otto Solms

Zu Zeiten des Dreiparteiensystems, das in der Bundesrepublik vor dem Einzug der Grünen in den Bundestag herrschte, kam der FDP-Fraktion als „dritte Kraft“ zwischen Konservativen und Sozialdemokratie eine Rolle von außerordentlicher Verantwortung zu: Durch ihre Koalitionsentscheidungen bestimmte sie den zentralen Kurs der deutschen Politik entscheidend mit. Das betonte Dr. Hermann Otto Solms, Ehrenvorsitzender der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten, im Rahmen der Podiumsdiskussion im Berliner Reichstagsgebäude.

Deutschlandpolitik als Markenzeichen

Anne Christine Nagel, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Gießen, hob hervor, dass der Einsatz für die Wiedervereinigung Deutschlands und eine innereuropäische Verständigung schon in den fünfziger und sechziger Jahren eines der prägenden Merkmale liberaler Politik gewesen sei.

Annett Witte, stv. Hauptgeschäftsführerin der Stiftung für die Freiheit

Annett Witte, stv. Hauptgeschäftsführerin der Stiftung für die Freiheit, moderierte den Abend und stellte dabei immer wieder Bezüge zur aktuellen politischen Situation in Deutschland her

© Frank Nürnberger

Wie die FDP durch eine so konsequente Politik schon früh ihre eigene Marke geprägt hat, das ist für Frau Professor Marie-Luise Recker, Historikerin an der Universität Frankfurt am Main, eine der großen Leistungen der FDP im Dreiparteiensystem.  Auch Dr. Stefan Ruppert, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion der Freien Demokraten im Bundestag, hob hervor, dass die FDP sich schon früh als eigenständige politische Kraft profilieren konnte - spöttischen Behauptungen des politischen Wettbewerbers zum Trotz, bei den Liberalen könne es sich doch nur um Christdemokraten handeln, die auf Abwege geraten seien.

Innovationstreiber der Deutschland-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik

Gerade die Rolle der FDP-Fraktion als alleinige Opposition im Bundestag nach 1966, als sie die Grundlinien der Deutschland-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik neu definierte und damit zum Innovationsmotor wurde, ermöglicht interessante Vergleiche zum heutigen Verständnis von Funktion und Aufgabe der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag. So stellte Annett Witte, die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die den Abend moderierte, immer wieder interessante Bezüge zur Politik der Gegenwart her. Im heutigen Parteienspektrum, in dem es mindestens zwei Parteien gebe, die an einer Regierungsbeteiligung gar kein Interesse hätten, sei es, wie man an den gescheiterten „Jamaika“-Gesprächen gesehen hätte, immer schwieriger geworden, durch Glaubwürdigkeit ein breites politisches Spektrum zu überspannen.

Die Freien Demokraten bleiben Innovationsmotor bei den Herausforderungen, die vor uns stehen.

Professor Karl-Heinz Paqué
Professor Karl-Heinz Paqué

Professor Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, nahm in seinem Schlusswort Bezug auf zukünftige Aufgaben der Freien Demokraten - als Innovationsmotor bei den Herausforderungen, die vor uns stehen: „Globalisierung, Digitalisierung, neue Wellen des Protektionismus, Umgang mit der Migration, der demographische Wandel mit seinen ganz tiefgreifenden Konsequenzen und, nicht zu vergessen: Die Balance zwischen Bürger und Staat, die ja allzu leicht aus den Fugen gerät bei denen, die immer zuerst auf den Staat setzen.“