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Nachruf
Hans Friderichs: Ein Leben für die Wirtschaft

Nachruf auf Hans Friderichs
Hans Friderichs an einem Rednerpult ca. 1970

Hans Friderichs an einem Rednerpult, ca. 1970.

© Foto J.H. Darchinger; Quelle: ADL, Audiovisuelles Sammlungsgut, FD-270

Mit Hans Friderichs ist einer der bedeutendsten Wirtschaftsführer der Bundesrepublik verstorben. In seinem Leben erreichte er die höchsten Ämter in Staat und Wirtschaft und nahm damit erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der marktwirtschaftlichen Ordnung.

Ähnlich wie das Justizministerium weist auch das Amt des Wirtschaftsministers eine große inhaltliche Nähe zum Liberalismus auf. Während in der Weimarer Republik die Liberalen mehrfach dieses Amt besetzten, u. a. mit dem späteren Widerstandskämpfer Eduard Hamm 1923/24 und Hermann Dietrich 1930, geschah dies in der Bundesrepublik – wohl wegen der Ausnahmegestalt Ludwig Erhard – relativ spät, dann aber mit einer bedeutenden Kontinuität. Hans Friderichs war der erste liberale Bundeswirtschaftsminister, der 1972 aus den Reihen der FDP kam. Er war für diese Position aufgrund einer wendungsreichen Karriere sowohl politisch als auch fachlich besonders versiert:

Aus Wittlich, in einem Seitental der Mosel gelegen, gebürtig, hatte Friderichs nach einem Jurastudium und einer Promotion in Nationalökonomie an der Universität Marburg zunächst als Geschäftsführer der rheinhessischen Industrie- und Handelskammer gearbeitet. 1963 wurde er Stellvertreter von Hans-Dietrich Genscher in der Geschäftsführung der Bundes-FDP. Selbst im Amt des Bundesgeschäftsführers förderte Friderichs ab 1964 die Bestrebungen zu einer Neupositionierung der FDP, die 1969 dann zur Bildung der sozial-liberalen Koalition führte. Der neue Bundesvorsitzende nach 1968, Walter Scheel, hatte ihn – wie auch andere neue Führungspersonen – persönlich angesprochen. Und Friderichs war fest davon überzeugt, dass ein Wechsel der Regierungsverantwortung Ende der 1960er Jahre überfällig war. 1969 leitete er – wie schon 1965 – den Wahlkampf für die FDP, bei dem es, spätestens als Scheel sich für eine Koalition mit den Sozialdemokraten eindeutig positioniert hatte, um die Existenz der Partei ging. Doch zwei Tage vor den Wahlen von 1969 verließ Friderichs, seit 1965 auch Bundestagsabgeordneter, die Bonner Bühne und arbeitete bis 1971 als Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsministerium in der Landesregierung von Ministerpräsident Helmut Kohl.

In all diesen sehr verschiedenen Ämtern und Funktionen hatte Friderichs mit Fleiß und Können brilliert und zudem eine enorme Arbeitsleistung an den Tag gelegt. Nach dem Wahlerfolg von 1972 nominierte ihn die FDP überraschend als Bundeswirtschaftsminister. In dieser Funktion setzte er erkennbar und zum Unwillen des linken FDP-Flügels marktwirtschaftliche Akzente, die dann auch programmatisch in die 1977 von der Partei verabschiedeten „Kieler Thesen“ Eingang fanden. In der Bundesregierung unter Helmut Schmidt sorgte er dafür, seine Idealvorstellung einer „sozial verpflichteten Marktwirtschaft“ durchzusetzen. So wurde 1976 ein Mitbestimmungsgesetz verabschiedet, das seine Handschrift trug und eine paritätische Besetzung der Aufsichtsräte großer Unternehmen bei einem Zweitstimmrecht des Vorsitzenden vorsah.

Seit 1974 auch stellvertretender Bundesvorsitzender und damit potenzieller Nachfolger Genschers an der Parteispitze kehrte er 1976 in den Bundestag zurück. Im Herbst 1977 brach Friderichs zur allgemeinen Überraschung seine politische Karriere ab und wechselte als Nachfolger des kurz zuvor von der Roten Armee Fraktion (RAF) ermordeten Jürgen Ponto an die Spitze der zweitgrößten deutschen Bank, der Dresdner Bank. Diese Position behielt er bis 1985, als er wegen des Verfahrens in der sogenannten „Flick-Spenden-Affäre“ vom Vorstandsvorsitz zurücktrat. Im Amt des Wirtschaftsministers setzte Otto Graf Lambsdorff Friderichs Linie eines wirtschaftspolitisch auf Konsolidierung ausgerichteten Kurses fort.

Bis ins Alter von knapp achtzig Jahren war Friderichs als Berater und Aufsichtsratsmitglied zahlreicher Großunternehmen im In- und Ausland, aber auch als Kurator gesellschaftlicher Institutionen tätig. Für die Friedrich-Naumann-Stiftung war er 1991/92 kurzzeitig auch Kuratoriumsmitglied. Friderichs, der im Wirtschaftsministerium auf den späteren Kanzler Helmut Schmidt folgte, begründete eine liberale Tradition in diesem Amt, das im Anschluss mehrfach noch von der FDP besetzt wurde.

Friderichs war ein Wirtschaftsmensch mit dezidierten Ansichten und beeindruckender Tatkraft. Die Liberalen werden den hochanerkannten Experten als Freund und Ratgeber sehr vermissen.