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Archiv des Liberalismus
Hermann Otto Solms: Frei heraus. Mein selbstbestimmtes Leben.

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Hermann Otto Solms kann man ohne jeden Zweifel nicht nur – wie im Klappentext seiner Autobiographie beschrieben – als ein „FDP-Urgestein“ bezeichnen, sondern auch als ein Urgestein bundesrepublikanischer Parteiengeschichte. Nach seinem Ausscheiden als langjähriger Schatzmeister seiner Partei wird er als FDP-Ehrenvorsitzender mit Sicherheit trotz seines fortgeschrittenen Alters (Jahrgang 1940) weiter Gehör finden. Dass dies so sein wird und dass Solms Umtriebigkeit nicht so rasch endet, belegt eindrucksvoll seine Vita. In der hier vorliegenden Autobiographie lässt Solms alle Stationen seines Lebens Revue passieren.

Geboren als Sohn eines deutschen Reserveoffiziers, der 1940 zu Tode kam, prägten ihn wesentlich die ersten Kriegsjahre und die unmittelbare Nachkriegszeit. Trotz seines bürgerlichen Nachnamens „Solms“, unter dem er fast ausschließlich bekannt ist, entstammt er dem deutschen Hochadel. Seinen vollen Namen Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich führt er zwar nicht, verleugnet aber auch nicht seine Herkunft. Solms steht hier eher für ein unprätentiöses Understatement.

Was sich wie ein roter Faden durch sein Leben zieht, ist die Verbundenheit zu seiner Familie, zu seinen Freunden, zum Liberalismus und zur neu geschaffenen Bundesrepublik Deutschland. Solms‘ Autobiographie nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise durch die Vergangenheit. Neben den vielen sehr persönlichen Erinnerungen an die frühe Kindheit, die er – trotz des Schicksals, seinen Vater früh verloren zu haben – als sehr glücklich darstellt, begleitet der Leser Solms aufseinem Weg  durch Internat, kurze Bundeswehrzeit und Studium. Immer wieder wird das eigene Leben mit der deutschen Geschichte verbunden und Solms Gedanken zu den aktuellen Ereignissen dargestellt, wie z.B. zum Mauerbau 1961 (S. 91). Denn genau sie sind es, die den politischen Menschen Hermann Otto Solms prägen und seinen Wunsch nach Freiheit stärken. Amüsant sind auch die Schilderungen der eigenen Erlebnisse als eines „Schach spielenden, libertären Revolutionstouristen aus der oberhessischen Provinz“ (S. 104), die in einem doch eher sozialistisch-totalitär geprägten studentischen Ideologieumfeld der 68er Generation durchaus als non-konformistisch bezeichnet werden können.

Bemerkenswert sind auch die Schilderungen seines unternehmerischen Lebens. Von 1976 bis 1984 führte Solms erfolgreich ein eigenes Unternehmen. Daneben lief die Parteiarbeit, die nach dem Beitritt zur FDP 1971 immer mehr an Bedeutung gewann und die letztlich eine Entscheidung für das eine oder andere verlangte. Jahrelang schlugen zwei Herzen in Solms‘ Brust. Solms bezeichnet dies als Spagat. Letztlich war es die Parteiarbeit, die das Rennen gewann und in die besonders nach Ende der Unternehmertätigkeit sämtliche Energie floss. Positiv hinsichtlich der eigenen Geschäftstätigkeit ist, dass diese Solms – wohl im Gegensatz zu dem einen oder anderen Parlamentarier – finanzielle Unabhängigkeit als Politiker bescherte und er seinen eigenen Weg gehen konnte.

Gerade die neue Ostpolitik war es, die bei Solms starke Sympathien für eher linksliberale Ansätze entstehen ließ und ihn zum „überzeugten Fahnenträger des sozialliberalen Richtungswechsels“ werden ließ. Zum Ende der sozialliberalen Koalition neigte er immer mehr dem „wirtschaftspolitischen Erneuerungskurs Otto Graf Lambsdorffs“ zu (S. 151). Solms bewies dadurch, dass er stets bereit ist, seine eigene Position zu überdenken, wenn es die Umstände erfordern und es sinnvolle Argumente für einen Paradigmenwechsel gibt. Solms vereint somit die unterschiedlichen Strömungen, die es im Liberalismus gibt, selbst wenn es in der Gegenwart so scheint, dass die sozialliberale Position gewonnen hat und libertäre und nationalliberale Ansätze wenig gewollt erscheinen.

Interessant sind auf jeden Fall Solms Beschreibungen der internen Vorgänge in der FDP, von den Überlegungen zur Zusammenarbeit mit der SPD über die Hinwendung zur CDU Helmut Kohls bis hin zum Wiedereinzug in den Bundestag unter Christian Lindner im Jahr 2017 nach dem Ausscheiden der Partei aus dem Bundestag 2013. Viele bekannte Namen der Zeitgeschichte tauchen auf und werden in Beziehung zueinander gesetzt sowie aus Solms‘ Sicht detailliert bewertet, letzteres vor allem in Bezug auf den Nutzen für die Partei und deren Fortbestehen in einem sich wandelnden Umfeld. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis – Solms‘ Ausblick auf wichtige Themen der Gegenwart wie Bildung und Digitalisierung im Rahmen eines neuen Leitbildes (S. 396 ff.), geben ein Zeugnis darüber ab, wie stark er versucht, auch auf die neuen Herausforderungen zu reagieren. „Offenheit für Fortschritt, die Liebe zur Freiheit und faire Spielregeln“, wie er Christian Lindner zitiert (S. 398), sind es auch, die Solms Zeit seines Lebens geprägt haben.

Die Biographie ist in allen Teilen spannend, sowohl für den Leser, den die Geschichte der Bonner Republik mit Koalitionsverhandlungen, NATO-Doppelbeschluss und Wiedervereinigung interessiert, als auch für den, der sich mit den Gründen, die zum Abbruch der Jamaika Koalitionsverhandlungen im Jahr 2017 seitens der FDP geführt haben, beschäftigt.

Aus vielen Worten des Buches spricht der liberale Geist Solms‘. Für den Berufspolitiker ist klar, „worin der Stellenwert und die zentralen Aufgaben liberaler Politik im deutschen Parlament bestehen: In der konsequenten Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte gegenüber einemtendenziell übergriffigen  Staat [...]“ (S. 431). Genau dies ist es, was den liberalen Geist der Partei prägen soll. Besonders wichtig wird dies in der heutigen Zeit, in der in Deutschland wieder sozialistische und etatistische Politik an Bedeutung gewinnt und in der nicht-marktwirtschaftliche Lösungen staatlicher Feinsteuerung als Lösungen diskutiert werden. Bei einer Staatsquote von über fünfzig Prozent in der Bundesrepublik hat diese den liberalen Geist atmende Forderung Solms‘ nach mehr Freiheit eine tiefgehende Bedeutung. Solms gehörte seit 1980 mit einer unfreiwilligen Unterbrechung dem Deutschen Bundestag bis 2021 an. Auch wenn er nie Ambitionen dazu hatte, den Parteivorsitz zu übernehmen, beschreibt er doch eindrücklich, wie durch seine Arbeit der Kurs der FDP maßgeblich geprägt wurde. Als Schatzmeister seiner Partei schaffte er zunächst Ordnung in den desolaten Finanzen, begleitete den Aufbau Ost und hinterließ nach 26-jähriger Tätigkeit ein geordnetes Haus.

Die Autobiographie von Hermann Otto Solms trägt ihren Untertitel „Mein selbstbestimmtes Leben“ zu recht. Denn in jeder Zeile wird klar, dass es sich bei dem Autor um einen Menschen handelt, der Verantwortung für sich und für andere übernommen hat. Neben der zeitgeschichtlichen Dimension, sind Biographien stets auch ein wichtiges Instrument für die eigene Persönlichkeitsentwicklung, um tatsächlich eigenverantwortlich für sein Schicksal zu sein. Insofern wird jeder Leser aus dem vorliegenden Buch etwas für sich gewinnen können, welchem an dieser Stelle eine volle Leseempfehlung gilt.

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