EN

Frühkindliche Bildung
Getrennt, was zusammengehört: Bildung und Forschung nach der Auflösung des BMBF

Kinder basteln gemeinsam in einer Kindertagesstätte.

Frühe Bildung entfacht Chancen, doch die Auflösung des BMBF zerreißt die Einheit von Bildung und Forschung.

© picture alliance/dpa | Maximilian von Klenze

Alphabetisierung ist mehr als das Aneinanderreihen von Buchstaben zu einzelnen Wörtern. Sie eröffnet Teilhabe, befähigt zu kritischem Denken und ist Voraussetzung für gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Fortschritt. Der Weltalphabetisierungstag am 8. September erinnert daran, dass gute Bildung vom Lebensanfang an entscheidend ist – und dass die Weichen für eine erfolgreiche Bildungsbiografie schon in den ersten Jahren gestellt werden. Hierfür braucht es die bestmöglichen Rahmenbedingungen. Doch wie sähen diese allein organisatorisch auf Bundesebene aus?

Vor dem Hintergrund dieser Frage fällt eine bildungspolitische Neuordnung ins Auge: Mit der jüngsten Regierungsbildung wurde das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) aufgelöst. An seine Stelle treten zwei getrennte Häuser: eines für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und eines für Forschung, Technologie und Raumfahrt. Mit diesem Schritt ist eine Institution aufgegeben worden, die seit Jahrzehnten das Zusammenspiel von Bildung und Wissenschaft organisierte und seit 1998 unter dem Namen BMBF bundespolitische Kontinuität garantierte sowie wichtige Programme, wie jüngst das Startchancenprogramm auf den Weg gebracht hat.

Diese Aufteilung in zwei Ressorts beinhaltet einen Bruch mit einer bildungspolitischen Tradition. Wilhelm von Humboldt hat die Einheit von Forschung und Lehre als Kern moderner Bildung verstanden. Wenn Bildung und Forschung auf Regierungsebene getrennt werden, erschwert dies kohärente Strategien, schwächt die gegenseitige Befruchtung und erhöht den Abstimmungsaufwand zwischen den Häusern. Innovation entsteht nicht nebeneinander, sondern im Zusammenspiel von wissenschaftlicher Erkenntnis und Bildungspraxis. Dass in einem Haus alle administrativen Knotenpunkte - vom ersten Eintritt in die Bildungslaufbahn, bis hin zur Spitzenforschung - auf Bundesebene vereint sind, wäre der eigentlich beste Zustand.

So ist es generell positiv zu sehen, dass der Bereich der frühkindlichen Bildung nun nicht mehr im Familienministerium mitverwaltet wird, sondern gemeinsam mit der schulischen Bildung in einem Ministerium verankert ist. Damit ist ein lange bestehender Bruch geschlossen worden: frühkindliche Bildung wird von Beginn an als zentrale bildungspolitische Aufgabe verstanden. Dieser Schritt war überfällig, da Studien die große Wirkmacht guter frühkindlicher Bildung unterstreichen – individuell wie auch volkswirtschaftlich.

Darüber hinaus ist die enorme gesellschaftliche Bedeutung frühkindlicher Bildung ist zu beachten. In diesem Alter entscheidet sich, ob Kinder die nötigen Sprachfertigkeiten und soziale Kompetenzen entwickeln, ob Lernfreude geweckt und Talente gefördert werden. Investitionen in frühe Bildung wirken zwar langsamer, dafür aber nachhaltiger als jedes Konjunkturprogramm. Sie legen den Grundstein für eine prosperierende Zukunft: Vom Bestärken der individuellen Neugier auf Erkenntnis, über Grundlagen einer kritisch-reflektierten Geisteshaltung bis hin zu sozialem Verhalten. Die politische Debatte um die Bedeutung frühkindlicher Bildung nimmt gerade vor dem Hintergrund der heterogener werdenden Gesellschaft deutlich an Fahrt auf. Folgerichtig wäre, das Startchancenprogramm auch auf die Kitas auszuweiten. Allein hierfür wäre die Bündelung aller Bildungs- und Forschungskompetenzen in einem Haus lohnend.

Das Gefühl bleibt bestehen, dass bei der Ressortverteilung eher individuelle, persönliche Präferenzen der Entscheider den Ausschlag für die Zuschnitte gegeben haben, als inhaltliche Überlegungen. Die bessere Lösung wäre gewesen, das BMBF zu erhalten und es einerseits um den erwähnten Bereich der frühkindlichen Bildung sowie andererseits um alle Forschungsfragen, etwa rund um den Themenkomplex Raumfahrt, der vormalig beim Wirtschaftsministerium lag, zu erweitern. So wäre eine gesamte mögliche Bildungsbiografie – von der Kita über Schule und Hochschule bis zur Spitzenforschung – in einer institutionellen Hand geblieben. Die Trennung hingegen schwächt die bildungs- und forschungspolitische Kohärenz und bringt unnötige Reibungsverluste.

Das neue Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt will mit dem Schwerpunkt Raumfahrt zwar ein zukunftsweisendes Signal setzen. Diese Zukunftsorientierung ist zu begrüßen. Aber ambitionierte Themen allein reichen nicht. Entscheidend ist, dass sie organisatorisch und personell vorbereitet und getragen werden. Jüngst erschienen Berichte lassen daran Zweifel. So berichtete die ZEIT, dass mehr als hundert Tage nach der Regierungsbildung zentrale Fragen zu Zuständigkeiten und Personal in den neuen Abteilungen noch ungeklärt sind. Mit entsprechender Vorbereitung und dem politischen Konsens, dass Bildungs- und Forschungspolitik zusammen gehören, könnten Friktionen vermieden werden.

Der neue Zuschnitt schwächt nun also das Fundament. Wenn Bildung und Forschung institutionell auseinanderfallen, verliert Deutschland die Chance, diese beiden Bereiche strategisch gemeinsam zu entwickeln. Der Internationale Tag der Alphabetisierung erinnert uns daran, dass Bildung von Anfang an entscheidend ist – und dass sie politische Klarheit auch in den Strukturen braucht. Wer Zukunft gestalten will, muss Bildung und Forschung zusammen denken, institutionell wie inhaltlich.