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Volkstrauertag 2023
Gemeinsam für den Frieden

Eine Rede von Guido Wolf MdL, Vorsitzender des Landesverbandes Baden- Württemberg im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
Volkstrauertag

Am Volkstrauertag am Sonntag ist bundesweit an die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert worden

© picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Patrick Pleul

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Volksbund-Mitglieder und Unterstützer,

im Namen des Volksbundes begrüße ich Sie ganz herzlich hier im Weißen Saal des neuen Schlosses, anlässlich des Volkstrauertages. Sie sind uns alle herzlich willkommen. Ich erlaube mir trotzdem, den einen oder anderen persönlich zu begrüßen. Zunächst danke ich unserem Gedenkredner, dem ehemaligen Bundesvorsitzenden der FDP, Herrn Dr. Wolfgang Gerhardt, dass er heute das Wort an uns richten wird. Es ist eine große Ehre, dass Sie Sie heute zu uns sprechen. Sie verkörpern wie nur wenige die Bonner und Berliner Demokratie. Ob als Minister für Wirtschaft und Kunst in Hessen, als stellvertretender Ministerpräsident oder als Oppositionsführer im Bundestag waren Sie ein glühender Verfechter des Liberalismus und der Grundrechte. Wie wichtig diese Werte sind, sehen wir in einer Welt, in der Autokraten sich weder um Grundrechte noch um die Freiheit des Einzelnen kümmern, nein, sogar diese Freiheiten verachten oder gar unter Strafe stellen. In Russland existiert Seite 2 von 13 keine wirkliche Opposition mehr, im Iran werden die Rechte von Frauen unterdrückt. Leider ließe sich diese Aufzählung fortsetzen. Danke, Herr Dr. Gerhardt, dass Sie heute zu uns sprechen.

Für die Stadt Stuttgart begrüße ich Bürgermeisterin Isabel Fezer und danke Ihnen und Herrn Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper für die Unterstützung durch die Stadt Stuttgart. Ich begrüße die Vertreter aus der Politik. Unter uns ist der Vizepräsident des Europäischen Parlaments Rainer Wieland. Es ist ein gutes Zeichen, dass zahlreiche Frauen und Herren Landtagsabgeordnete und ehemalige Landtagsabgeordnete heute hier sind: Dr. Ulrich Rülke, Ayla Cataltepe, Daniel Lindenschmid, Ralf Nentwich, Konrad Epple, Gabriele Reich-Gutjahr

Es freut mich, dass heute auch der ehemalige Bundesfinanzminister Dr. Helmut Haussmann und der Staatsminister a. D. Ernst Burgbacher zu Gast sind. Ich begrüße aus der diplomatischen Vertretung den italienischen Generalkonsul Massimiliano Lagi, Stellvertretend für die religiösen Vertreter begrüße ich den Direktor des katholischen Büros Stuttgart, Herrn Dr. Neudecker, Dekan a. D. Ellinger und ev. Stadtdekan Schwesig ich begrüße und danke Herrn Oberst Thomas Köhring, Kommandeur des Landeskommandos, für die Unterstützung, die wir aus seinen Reihen erhalten - auch heute bei der Rahmenorganisation. Ich grüße die Vertreter der Bundeswehr, der Reservisten und des Bundeswehrverbandes. In Vertretung des Landesvorsitzenden der Reservisten begrüße ich seinen Stellvertreter Oberstabsfeldwebel d. Res. Dieter Helm sowie Hans-Jürgen Blümlein. Für den Bundeswehrverband begrüße ich den stellvertretenden Vorsitzenden für Süddeutschland Oberstleutnant a. D. Josef Rauch. Sehr geehrte Herren Oberste und Oberstleutnante, ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Aus den Reihen des Volksbundes begrüße ich stellvertretend für viele andere unseren Ehrenlandesvorsitzenden Johannes Schmalzl, Vorstandsvorsitzender der Würth-Stiftung, den stellvertretenden Landesvorsitzenden Brigadegeneral a. D. Manfred Hofmeyer, den Bezirksvorsitzenden Nordwürttemberg OB Hartmut Holzwarth, den ehemaligen Bezirksvorsitzenden Reg. Präs. a. D. Udo Andriof sowie den ehemaligen Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes Baden- Württemberg und Mitglied im Landesvorstand Volker Ellenberger. Ich grüße alle weiteren Mitglieder des Landesvorstandes und der verschiedenen Bezirksvorstände, welche heute hier zu Gast sind. Ich freue mich, dass auch der Regierungsvizepräsident aus Tübingen, Dr. Utz Remlinger, unter uns ist und begrüße General a. D. Berthold Graf Schenk von Stauffenberg. Schön, dass Herr Steck, der stellvertretende Vorsitzende des Sozialverbandes VdK bei uns ist. Ein besonderer Gruß und ein Dankeschön gehen an Christoph Zalder und Franz Longin, Stiftungsratsvorsitzende der Margarete Müller-Bull Stiftung. Ohne die Unterstützung aus der Stiftung wären einige Projekte der Jugendarbeit nicht umsetzbar. Ich grüße die Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen Uta Lüttich und Frau Gabriele Wulff vom Bund der Vertriebenen. Hier möchte ich mit den Begrüßungen enden. Sie sind uns alle willkommen und schließe mit Dankesworten für diejenigen an, die heute hier das Programm erst möglich machen.

Im Namen des Volksbundes danke ich Herrn Ministerpräsident Winfried Kretschmann für die Übernahme der Schirmherrschaft für diese Veranstaltung sowie für die Unterstützung durch das Staatsministerium. Ich danke dem Holzbläsertrio des Heeresmusikkorps Ulm unter der Leitung von Frau Stabsfeldwebel Michaela König und dem Solotrompeter Ralf Huber für die musikalische Umrahmung. Eine ganz besondere musikalische Bereicherung sind in diesem Jahr die Interpretationen von Judith Mutschler, welche wir gleich im Anschluss hören werden. Sie werden dazu im Hintergrund ein Video der Kriegsgräberstätte Ysselsteyn sehen, welche von Leon Vrijdag, einem niederländischen Fotografen, produziert wurde.

Ich freue mich auf den Beitrag der Robert – Franck Schule aus Ludwigsburg. Die Schülerin Sara Zor stellt ihren Beitrag zum Comicwettbewerb des Volksbundes zusammen mit Herrn Schulleiter Wolfgang Ulshöfer vor. Sara Zor hat mit ihrem Beitrag den zweiten Preis bei dem Wettbewerb gewonnen, bei dem sich Schulen aus Deutschland, Belgien und Frankreich messen. Uns ist es wichtig, dass wir alljährlich einen kleinen Teil unserer Arbeit mit der Jugend präsentieren. Diese Beschäftigung mit der nächsten Generationen ist unverzichtbar. Dies war mir als Minister für Europa wichtig und ist es mir unverändert! Die Kriege in der Ukraine und in Nahost haben den Wert dieser europäischen Bildungs- und Jugendarbeit schlagartig ins Rampenlicht gerückt. Trotz der vielfältigen Bemühungen so vieler Friedensorganisationen – der Volksbund ist eine von ihnen – und zwar eine mit einhundertjähriger Tradition – scheint es einfach nicht zu gelingen, Frieden in der Welt dauerhaft zu sichern. Aber gerade jetzt heißt es eben nicht im Angesicht der Konflikte zu verzagen. Wir müssen jetzt mit unserer Friedensarbeit dafür Sorge tragen, dass wir Immun sind, gegen Demagogie, Demokratievergessenheit und schließlich Nationalismus.

Wie wir jetzt feststellen müssen: Es gilt auch wieder dem Antisemitismus – importiert oder in der Gesellschaft schon vorhanden – die Stirn zu bieten. Nie wieder ist jetzt! Daher ist auch die Friedensarbeit, wie sie die Schule in Ludwigsburg gemeinsam mit dem Volksbund leistet, unverzichtbar. Jetzt müssen wir der Entstehung von Vorurteilen und der Abkehr von Europa entgegenwirken. Überleitung allgemein und praktische Arbeit. Dafür müssen wir auch die Kriegsgräberstätten, auf denen über 2.8 Millionen deutsche Kriegstote im Ausland ruhen, erhalten. Diese entwickeln wir zu Lernorten der Geschichte. Aus Angehörigenfriedhöfe werden – das ist der Lauf der Zeit – Besucherfriedhöfe. Über die Ruhe der Kriegstoten hinweg, die eng mit der Würde des Menschen verbunden ist, weisen sie damit auch mit ihrer Friedensbotschaft in die Zukunft.

In diesem Jahr konnte in Lettland der einmillionste deutsche Kriegstote in Osteuropa geborgen werden. Eine Million Schicksalsklärungen seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Diese Aufgabe wird uns auch weiterhin voll auslasten. Diese Arbeit steht sinnbildlich für die Friedensarbeit des Volksbundes, die zu einem friedlichen und einigen Europa beiträgt – und gerade heute erscheint dies wichtiger denn je. Begonnen hat diese Friedensarbeit aber bereits nach dem II. Weltkrieg. Wir haben aus den Verbrechen eines Angriffskrieges gelernt. In Europa kamen etwa 80 Millionen Menschen ums Leben. Sechs Millionen europäische Juden wurden im größten Menschheitsverbrechen, dem Holocaust, industriell ermordet. Diese Schuld wird für immer bleiben. Das deutsche Gedenken ist gebrochen. Das Wissen, dass nicht nur Opfer sondern auch Täter unter den Grabkreuzen des II. Weltkrieges ruhen, hat die deutschen Kriegsgräber, neben einem Platz für die persönliche Trauer, auch zu Lernorten der Geschichte gemacht. Unseren Weg der Friedensarbeit möchten wir weiter beschreiten und wir sind stolz, dass über 20.000 junge Menschen und Schüler aus Europa unsere Angebote annehmen. In Workcamps werden Vorurteile abgebaut, Freundschaften geschlossen. Über Arbeit, Bildung und Begegnung wird der Frieden gestärkt. Ganze Schulklassen besuchen unsere Bildungsstätten in Niederbronn im Elsass, Lommel in Belgien, Ysselstein in den Niederlanden und auf dem Golm auf der Halbinsel Usedom an der polnischen Grenze. Ganz aktuell werben wir auch hier um öffentliche Gelder, damit diese Arbeit fortgeführt werden kann. Der Volksbund nutzt die Ruhestätten, um über seine europazentrierte Jugendarbeit junge Menschen aller Nationen über diese Grabkreuze hinweg pädagogisch für den Wert des Friedens zu sensibilisieren. In diesem Jahr hat die internationale Jugendbegegnung im Raum Tuttlingen für den Frieden geworben und wir durften das 70 jährige Jubiläum unserer Jugendarbeit feiern. Wir organisierten aus Baden-Württemberg heraus zudem ein Workcamp mit Auszubildenden von Carl-Zeiss in Ysselstein, sowie unser Traditionsworkcamp bei Cassino unter der Leitung von Oberstaabsbootsmann Arne Zühr. Die Jugendgruppe Federsee, unter der Leitung von Klaus Knoll, hat sich in Tschechien mit der Geschichte der Vertreibung beschäftigt. Klaus Knoll spricht gerade jetzt, als Vertreter der Jugendarbeit bei der Feierstunde im Bundestag. Ergänzt wurden diese Workcamps, die in den Sommerferien stattfinden, durch unsere Bildungsarbeit. Zahlreiche Schulen und ein Lehrerseminar haben bei Projekten mit uns im In- und Ausland verschiedene Perspektiven der Gedenkarbeit kennen gelernt. Diese oft schmerzhafte Gedenkarbeit möchten wir den Schülerinnen und Schülern, den Lehrkräften nicht ersparen. Sie ist wichtig, um die Geschichte zu verstehen und die Zukunft gut zu gestalten.

An dieser Stelle waren in Rede, welche vor dem russischen Angriffskrieg gehalten wurden, rhetorische Fragen erklungen: Warum tun wir das? Warum ist uns dies so wichtig in einer Zeit, die doch in Zentraleuropa von Frieden, Wohlstand und Prosperität geprägt ist. Nun, der Grund wird uns nun Tag für Tag in den Nachrichten vor Augen geführt. In Deutschland sind über eine Million Geflüchtete, vor allem Frauen und Kinder, aus der Ukraine angekommen. Wohlstand, Frieden und Prosperität sind in Europa eben nicht mehr selbstverständlich. Selbst die Gewissheit, dass es unseren Kindern sicher besser gehen wird als uns, das Aufstiegsversprechen ist angesichts aktueller Rahmenbedingungen gefährdet. Ja, wir brauchen keine Rhetorik mehr. Es ist die normative Macht des Faktischen, die uns vor Augen führt, wie wichtig Europa, wie wichtig Friedensarbeit ist.

Daher lassen Sie uns gemeinsam für ein friedliches und geeintes Europa eintreten. Wir mögen unterschiedliche Ansichten zu Migration und der Bekämpfung des Klimawandels haben. Aber wir müssen im Gespräch bleiben. Dem anderen zuhören. Wir dürfen nicht auf eine schiefe Ebene kommen, in der nur die eigenen Argumente zählen. Auch erwachsene Demokratien im Westen sind dafür anfällig wie uns die letzten Jahre gelehrt haben. Ist erst einmal eine Spaltung im Land geschehen, lassen sich Gräben nur noch schwer überwinden. Jede Spaltung verringert die Möglichkeit gute Kompromisse zu schließen. Aber gerade diese Politik des Ausgleichs hatte uns diese lange Zeit des Friedens gesichert. Daher ist auch dieser Volkstrauertag als Tag der Mahnung zum Frieden so wichtig. Erinnern für die Zukunft ist nicht rückwärtsgewandt. In unserem Gedenken an die Kriegstoten und auch der Opfer der Bundeswehreinsätze wenden wir uns einer friedlichen Gegenwart und Zukunft zu. Ich danke, Ihnen allen, dass wir heute zusammen unsere Gedanken hierzu austauschen. Der Volksbund hat es in seinem Motto zusammengefasst: Gemeinsam für den Frieden. Aktuell müssen wir dieses Leitmotiv leider ergänzen: Nie wieder ist jetzt.