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Waffenstillstand im Donbas gescheitert

Drei Fragen und drei Antworten mit Beate Apelt, Projektleiterin Ukraine und Belarus
Protestkundgebung vor dem Waffenstillstand in Kiew
Protestkundgebung vor dem Waffenstillstand in Kiew © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Efrem Lukatsky

Am 27. Juli ist ein Waffenstillstand im ostukrainischen Donbas in Kraft getreten. Wie kam es dazu und was genau wurde vereinbart?

Der umfassende Waffenstillstand wurde am 22. Juli durch die trilaterale Kontaktgruppe (TKG) vereinbart und ist am 27 Juli um Mitternacht in Kraft getreten. Im Rahmen der TKG treffen sich zweiwöchentlich Vertreter der Ukraine, Russlands und der OSZE, eigentlich in Minsk, wegen der Corona-Pandemie zurzeit per Videokonferenz. Es wurden etliche konkrete Maßnahmen vereinbart, die absichern sollten, dass die Waffen auch wirklich schweigen. Dazu gehört das Verbot von Drohnen, die wohl oft Beschuss provoziert haben. Es wurde untersagt, schwere Waffen in Wohngebieten zu stationieren. Und schließlich sollte die Entscheidungsgewalt für eine Beantwortung von Beschuss nicht mehr bei den Einheiten im Feld liegen, sondern bei den Oberkommandierenden. Erst, wenn im Falle einer Verletzung der Waffenruhe ein Koordinierungsmechanismus der TKG erfolglos bemüht worden ist, sollten diese eine militärische Antwort anordnen können.

Die Vereinbarung wurde dadurch bestärkt und auch ins Bewusstsein der internationalen Öffentlichkeit gebracht, dass die Präsidenten Russlands und der Ukraine – Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskij – kurz vor ihrem Inkrafttreten miteinander telefoniert haben. Dabei kamen auch weitere Themen zur Sprache wie die Minenräumung im Gebiet der Kontaktlinie, weitere Truppenentflechtungen, die Öffnung neuer Übergangspunkte oder die Freilassung ukrainischer Staatsbürger, die in den sogenannten Volksrepubliken oder in Russland gefangen gehalten werden.

Wie erfolgreich wird der Waffenstillstand umgesetzt, was unterscheidet ihn von früheren Vereinbarungen?

Der Waffenstillstand hat keine Stunde gehalten. Die ukrainische Armee berichtet über Beschuss in der Nacht von Seiten der prorussischen Separatisten mit Kleinwaffen, handgehaltenen Panzerabwehrraketen und großkalibrigen Maschinengewehren. Gegen Morgen seien an einem anderen Frontabschnitt drei Granaten auf die ukrainischen Einheiten abgefeuert und drei Minen verlegt worden.

Damit reiht sich dieser Waffenstillstand nahtlos in frühere Versuche ein, die militärische Auseinandersetzung zu beenden. Seit Beginn des Krieges 2014 hat es 29 solcher Vereinbarungen gegeben und sie haben nie länger als wenige Tage gehalten. Oft sind sie im Zusammenhang mit Feiertagen beschlossen worden oder sollten es den örtlichen Bauern ermöglichen, die in der Grauzone liegenden Felder abzuernten.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen waren die Erwartungen an die aktuelle Vereinbarung in der Ukraine äußerst zurückhaltend. Sie wurde vielfach auch kritisiert, da sie den ukrainischen Soldaten quasi verbietet, sich bei Beschuss zu verteidigen. Dass dieser Beschuss von Seiten des Gegners aufhören könnte, daran glaubte eigentlich keiner.

Was ist der Grund für das Scheitern und was müsste getan werden, damit im Donbas die Waffen schweigen?

Wie es ganz konkret zum Bruch des Waffenstillstands kam – ob durch Eigenmächtigkeiten von Soldaten oder aufgrund höherer, politisch motivierter Anordnung, kann ich nicht beurteilen. Grundsätzlich fehlt es aber von Seiten der prorussischen Separatisten und insbesondere Russlands an einem Willen zur Befriedung des Konflikts. So hat es in den zwei Wochen vor dem Waffenstillstand fast 180 Fälle von Beschuss gegeben, vier ukrainische Soldaten sind getötet und 20 verwundet worden. Der Beschuss geht ganz überwiegend von der separatistischen Seite aus. Noch am Vorabend der Waffenruhe sind von dort Minen an der Kontaktlinie verlegt worden, was man nur als Provokation empfinden kann. Letzten Endes ist das Problem, dass Russland sich immer wieder auf die Position zurückzieht, am Konflikt nicht beteiligt zu sein und auf die separatistischen Truppen keinen Einfluss zu haben. Dass dies nicht der Wahrheit entspricht, ist vielfach belegt. Die westlichen Partner der Ukraine dürfen sich hier nicht blenden lassen: Ohne einen politischen Willen aus Moskau wird es keinen Frieden in der Ostukraine geben. Und ob der sich einstellt, hat auch mit einer klaren Haltung der westlichen Gesprächspartner zu tun, einschließlich der zu Verfügung stehenden Druckmittel.