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Gipfel von Teheran
Putin und Erdogan zu Gast in Teheran – So verlief das Gipfeltreffen der Autokraten

Putin

Erdogan, Putin und der iranische Präsident Ebrahim Raisi beim Zusammentreffen in Teheran.

© picture alliance / AA | Mustafa Kamaci

Im Schatten des russischen Krieges gegen die Ukraine haben sich am 19. Juli die Präsidenten Irans, Russlands und der Türkei in Teheran zu Gesprächen getroffen. Dabei diskutierten sie sowohl zu dritt als jeweils bilateral Fragen, die im engeren oder weiteren Sinne mit der kriegsbedingt veränderten Kräftelage in Europa und im Nahen Osten zusammenhängen, wie die Lage in Syrien, den Getreidekorridor aus der Ukraine, Wirtschafts- und Energiekooperationen.  

Das Zusammentreffen der Präsidenten Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, Ebrahim Raisi sowie des iranischen obersten Führers Ayatollah Ali Chamenei setzte einen sichtbaren Kontrapunkt wenige Tage nach dem Besuch Joe Bidens in Israel und Saudi-Arabien. Vor dem Hintergrund der sich weiter vertiefenden Kluft zwischen Russland und der westlichen Welt sucht Putin offenkundig den Schulterschluss zu Staaten, die das Sanktionsregime gegen ihn nicht unterstützen. Zudem konnte er mit seiner zweiten Auslandsreise seit Kriegsbeginn demonstrieren, dass er regional keineswegs isoliert dasteht. Dabei bestand durchaus nicht in allen Gesprächsthemen Einigkeit.

Kein grünes Licht für türkisches Militär in Syrien

Hauptthema des Treffens war die Lage in Syrien, zu der die drei Staaten als selbsternannte Schutzmächte des Bürgerkriegslandes bereits seit 2016 im Rahmen des sogenannten „Astana-Prozesses“ im Austausch sind. Iran und Russland unterstützen den syrischen Machthaber Assad, Russland kontrolliert zudem den Luftraum. Die Türkei hingegen kooperiert mit verschiedenen Oppositionsgruppen im Nordwesten des Landes. In den letzten Wochen hatte sich Ankara öffentlichkeitswirksam auf eine neuerliche Militäraktion vorbereitet, die einen Streifen von ca. 30km entlang der türkischen Grenze unter türkische Kontrolle bringen soll. Ziel ist es, kurdische Kräfte aus dieser Region zu verdrängen, die zuvor von den USA im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat unterstützt wurden und die nach türkischer Lesart als Terrorgruppen einzustufen sind und die Sicherheit der Türkei bedrohen. Zudem propagiert der türkische Präsident die Idee, in diesen Landstreifen künftig bis zu einer Million Geflüchtete zurückzuführen und anzusiedeln.  Für eine solche Militäraktion bemühte er sich in Teheran offenkundig um grünes Licht seiner Gesprächspartner, um die delikate Kräftebalance in Syrien nicht zu gefährden. Dieses blieb ihm allerdings verwehrt. Ali Chamenei betonte, ein solches Vorgehen würde Syrien, der Türkei und der Region schaden und letztlich nur die Terroristen stärken. Einigkeit wurde nur insofern demonstriert, dass es die gemeinsame Abschlusserklärung ein Bekenntnis zur territorialen Unversehrtheit und Integrität des syrischen Staates enthält. Ob Erdogan sich allerdings durch die versagte Zustimmung von seinen militärischen Plänen abbringen lässt, ist fraglich. Im Anschluss an die Treffen betonte er, den Kampf gegen den Terrorismus unvermindert fortsetzen zu wollen: „Tel Rifaat und Manbij (Städte in Nordsyrien) haben sich zu terroristischen Brutstätten entwickelt. Es ist längst überfällig, diese Häfen, in denen die Terrororganisation Zuflucht findet, zu räumen. Wir erwarten von unseren Partnern in Astana, dass sie unsere Bemühungen um die Stabilisierung Syriens aufrichtig unterstützen.“

Massive Gazprom-Investitionen in Iran

Größere Einigkeit bestand bei den bilateralen Gesprächen zu bilateralen Kooperationsfragen. So verstärken Russland und Iran, die beide unter Sanktionen und internationaler Isolation leiden, ihre Zusammenarbeit im Energiebereich. Noch vor den Gesprächen hatten am selben Tag die Geschäftsführer der russischen Gazprom und der National Iranian Oil Company (NIOC) einen Kooperationsvertrag über 40 Mrd. USD unterzeichnet, in dem sie unter anderem die gemeinsame Entwicklung neuer Gas- und Ölfelder in Iran vereinbarten. Unklar ist indes, ob es auch Gespräche zu iranischen Drohnenlieferungen an Russland gab. Im Vorfeld hatte es aus amerikanischen Regierungskreisen geheißen, Putin hätte Teheran um eine solche Lieferung gebeten. CNN berichtete, russische Militärs hätten sich im letzten Monat zweimal vor Ort über das iranische Drohnenprogramm informiert. Von iranischer Seite wurden derartige Pläne dementiert – erst vergangene Woche hatte der iranische Außenminister seinem ukrainischen Amtskollegen telefonisch versichert, Teheran werde nichts tun, um das Kämpfen zu verlängern. Rhetorisch allerdings unterstützt Iran das russische Vorgehen in der Ukraine voll und ganz. So sagte Chamenei, hätte Russland keine Truppen in das Nachbarland gesandt, hätte es sich früher oder später einem Angriff der NATO gegenübergesehen.

Zwischen der Türkei und Iran, deren Beziehungen notorisch angespannt sind, wurden unter anderem Fragen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit besprochen. Der türkische Präsident sprach sich für Investitionen türkischer Firmen in Iran aus und hofft auf ein künftiges Handelsvolumen von 30 Mrd. USD. Am Ende der Pandemie liegt dieses derzeit nur noch bei 7,5 Mrd. USD.

Getreidekorridor und Handel ohne Dollars

Im Gespräch zwischen Erdogan und Putin ging es unter anderem um die Getreideexporte aus der Ukraine, um deren Vermittlung sich die Türkei bemüht. Erst am 13. Juli hatten in Istanbul Verhandlungen zwischen Russland, der Ukraine und der Türkei unter Leitung von UN-Vertretern stattgefunden, bei der es erstmals vorsichtige Zeichen für eine mögliche Einigung gegeben hatte. Zuletzt war die Türkei von Kiew stark kritisiert worden, weil sie ein zunächst in einem türkischen Schwarzmeerhafen festgesetztes russisches Schiff wieder hatte auslaufen lassen, auf dem nach ukrainischen Angaben gestohlenes ukrainisches Getreide geladen war. Die Ukraine wirft der Türkei auch vor, von russischen Exporten des gestohlenen ukrainischen Getreides zu profitieren. Ein weiteres Thema des Gesprächs war laut türkischen Regierungsangaben die Möglichkeit, den bilateralen Handel in Landeswährungen abzuwickeln, um die sanktionsbedingten Beschränkungen im Zahlungsverkehr zu umgehen.

Wenngleich die Interessenlagen der Türkei, Irans und Russlands in vielen Punkten durchaus konkurrieren, sandte dieser Gipfel doch ein deutliches Zeichen: Man ist auf „den Westen“ nicht angewiesen. Medien in allen drei Staaten reflektieren im Nachgang den Stolz auf die gemeinsam demonstrierte Stärke. „Der Besuch Putins und Erdogans wird zu einer neuen internationalen Ordnung führen.“, schreibt etwa die mit den iranischen Revolutionsgarden verbundene Zeitung Javan und hofft auf ein „Bündnis gegen die amerikanischen Sanktionen und den Dollar“. Die Türkei zeigte damit einmal mehr, dass sie innerhalb der NATO eine problematische Sonderrolle einnimmt.