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Rivers as Lifeline for South Asia
Warum Südasiens Lebensadern in Gefahr sind – und wie sie noch zu retten sind

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Kathmandu-Rivers as Lifeline for South Asia conference

© FNF South Asia

Sie sind Tausende Kilometer lang und prägen das Leben in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt: Südasiens Flüsse – vom Ganges über den Brahmaputra bis zum Indus – bilden die Lebensgrundlage für mehr als 1,5 Milliarden Menschen. Sie bewässern die Landwirtschaft, versorgen die Bevölkerung mit Trinkwasser, ermöglichen den Fischfang, sind Transportwege, Energielieferanten und kulturelles Zentrum. Gleichzeitig stehen die Gewässer im Zentrum enormer Herausforderungen: Umweltverschmutzung, Klimawandel und politische Konflikte bedrohen die nachhaltige Nutzung der wichtigen Lebensadern.

Die Konferenz "Rivers as Lifeline for South Asia" des Südasien-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung hat in Nepals Hauptstadt Kathmandu Expertinnen und Experten zusammengebracht, um über problematische Entwicklungen rund um die Wassersysteme zu diskutieren. Gleichzeitig hob die Veranstaltung technologische Lösungsansätze sowie das Potenzial einer friedlichen, grenzüberschreitenden Zusammenarbeit entlang der Flussläufe hervor. Im Fokus stand dabei unter anderem auch die Frage, wie wissenschaftliche Erkenntnisse über die Ökosysteme in der politischen Entscheidungsfindung mehr Gehör finden können.

Nepals früherer Außen- und Energieminister Prakash Sharan Mahat betonte die hohe Relevanz des Konferenzthemas. Die mehr als 20 bedeutenden Ströme, die vom Hindukusch und Himalaja aus durch Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Bhutan fließen, seien für das Leben in der Region seit Jahrtausenden elementar. Wichtigste Aufgabe sei nun, die wertvolle Ressource so einzusetzen, dass die Bevölkerung davon profitiere, ohne dabei weitere Umweltschäden zu verursachen.

Mahat sieht darin auch eine entwicklungspolitische Aufgabe. So habe sein Land zwar ein großes Potenzial mit Blick auf Wasserkraft und Bewässerungssysteme, sagte er. Um die zur Regenzeit reichhaltigen Wasserressourcen, aber auch in der Trockenzeit nutzbar machen zu können, seien zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur nötig – etwa der Bau neuer Dämme. "Momentan sind wir in der Trockenzeit noch auf Energieimporte angewiesen", sagte er.

Dr. Stephan Russek, stellvertretender Leiter der deutschen Botschaft in Kathmandu und Verantwortlicher für die Entwicklungszusammenarbeit, hob hervor, dass die Flüsse der Region zunehmend bedroht seien. "Das Bevölkerungswachstum verursacht einen enormen Druck", sagte er. Wassermangel nehme zu und die Wasserqualität sinke – unter anderem wegen unzureichender Behandlung von Abwasser, das in die Flüsse geleitet werde. Er machte jedoch Hoffnung, dass der Negativtrend gestoppt werden könne. "Zu allen Problemen gibt es technische Lösungen", sagte er. "Es kommt jetzt auf den politischen Willen an."

Verkompliziert wird die Lage durch Differenzen zwischen den Flussanrainerstaaten, die Kooperationen oftmals im Weg stehen. Besonders spannungsreich ist dabei das Verhältnis von Indien und Pakistan. Zwischen den rivalisierenden Ländern kommt es immer wieder zu Streit über die Gewässer. In den vergangenen Monaten spitzte sich ein Konflikt über ein vor Jahrzehnten abgeschlossenes Abkommen zur Nutzung des Indus und seiner Nebenflüsse weiter zu. Indien wirft Pakistan vor, gegen den Vertrag verstoßen zu haben, und strebt nun eine Neufassung der Vereinbarung an. Beobachter warnen vor einem Zusammenbruch der Hydrodiplomatie zwischen den Ländern, sollte es zu keiner Annäherung kommen.

Der aus Pakistan stammende Wasserexperte Hassan Abbas beklagte, dass der Diskurs über die Wasserressourcen beider Länder seit Jahrzehnten von gegenseitigen Vorurteilen geprägt sei. "Immer wenn die Menschen mit Problemen konfrontiert sind – egal ob Überschwemmungen oder Dürren – dann wird das in den Medien als Folge des Verhaltens Indiens dargestellt", sagte er über die öffentliche Debatte in Pakistan.

Auch Medha Bisht, die an der South Asian University in der indischen Hauptstadt Neu Delhi lehrt, sprach davon, dass als Folge der politischen Polarisierung bilaterale Wasserabkommen in der Region in Geiselhaft genommen würden. Die Wasserdiplomatie zwischen den Ländern sei eine "gewaltige Aufgabe". Sie betonte aber, dass es auch Fortschritte gebe. So komme es besonders an kleineren Flüssen zu grenzüberschreitenden Wasserkooperationen, die von Anwohnerinnen und Anwohnern vor Ort vorangetrieben würden. Der Nachteil dieser Projekte sei jedoch, dass sie oftmals auf die Unterstützung internationaler Geldgeber angewiesen seien – und die Fortsetzung gefährdet sei, wenn sich die Spender zurückziehen.

Sonia Binte Murshed, die an der Bangladesh University of Engineering and Technology forscht, sprach sich für eine stärker multilateral ausgerichtete Zusammenarbeit im Umgang mit Südasiens Flüssen aus. Die bisher vorherrschenden bilateralen Wasserabkommen reichten nicht aus, um die Probleme der gesamten Flusseinzugsgebiete anzugehen.

Als Vorbild nannte Murshed die Arbeit der Mekong River Commission in Südostasien, zu der sich Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam zusammengeschlossen haben. Die multilaterale Organisation sorgt unter anderem für den ständigen Datenaustausch über Wassermengen und den Zustand des Mekongs. Die Informationen werden unter anderem für Frühwarnsysteme genutzt, die Überschwemmungen und Dürren ankündigen. "Auch wir müssen unsere Daten zugänglich machen", forderte Murshed. Sie hoffe, dass die Südasiatische Vereinigung für regionale Kooperation (SAARC) eine stärkere Rolle beim länderübergreifenden Flussmanagement spielen könne.

Der Klimawandel wird aus Sicht von Diskussionsteilnehmenden die Herausforderungen in der Region noch weiter vergrößern. "Das Abschmelzen der Gletscher wirkt sich auch auf die Verfügbarkeit von Wasser in unserer Region aus", warnte Norbu Wangdhi, Forscher an der Bhutan Ecological Society. Es sei zudem bereits jetzt eine rasante Änderung der Niederschlagsmengen zu beobachten – mit überdurchschnittlich intensivem Regen im Sommer und annähernd kompletter Trockenheit im Winter. "Diese Wetterphänomene werden immer häufiger."

Aus Sicht von Arpita Nepal, Mitgründerin der Samriddhi Foundation, die zusammen mit der Friedrich-Naumann-Stiftung die Konferenz ausrichtete, steht nun im Fokus, Strategien zur Anpassung an die Klimaänderung aufzuzeigen. In ihrem Fazit der Diskussionsbeiträge betonte sie dabei, wie wichtig es sei, die Zivilgesellschaft in diesen Prozess miteinzubeziehen. Zudem hob sie die Notwendigkeit der länderübergreifenden Kooperation in Südasien hervor. "Die Liste der Herausforderungen, die abzuarbeiten sind, ist sehr lang", sagte sie.