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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Stromsteuer
Ohne ordnungspolitische Orientierung!

Das Stromsteuer-Chaos zeigt einmal mehr, dass es in der Bundesregierung am marktwirtschaftlichen Kompass fehlt.
Hochspannungsleitungen und Gittermasten i
© picture alliance / imageBROKER | Arnulf Hettrich

Deutschland hat in der Europäischen Union die höchsten Strompreise für private Verbraucher - rund ein Drittel höher als in Frankreich, doppelt so hoch wie in Luxemburg, viermal so hoch wie in Ungarn. Kein Wunder, dass dringender politischer Handlungsbedarf besteht, zumal mehr als die Hälfte des Strompreises hierzulande auf das Konto von (staatlich lenkbaren) Netzentgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen geht, also nichts mit Beschaffung und Vertrieb zu tun hat.

Tatsächlich war es bei der Einführung der Stromsteuer 1999 die erklärte Absicht, aus umwelt- und klimapolitischen Gründen den Verbrauch von Strom allgemein zu verteuern. Allerdings: natürlich für alle Verbraucher von Strom gleichermaßen, ob nun große Unternehmen des produzierenden Gewerbes und der Landwirtschaft, kleine Handwerksbetriebe oder private Endverbraucher. Genau dies ist auch sinnvoll, denn Strom ist - wie kaum ein zweites Gut - "homogen". Es ist völlig gleichgültig für die Umwelt und das Klima, ob die Kilowattstunde Strom industriell, landwirtschaftlich oder privat verbraucht wird. Ökologisch entscheidend ist allein, wie ökologisch und klimaschonend man sie herstellt. Differenzierungen der Stromsteuer sind daher allenfalls für unterschiedliche Quellen des Stroms gerechtfertigt, was ja auch im Gesetz berücksichtigt wird.

Soweit, so gut. Seit seinen Anfängen 1999 und späteren Anpassungen findet sich für industrielle Abnehmer einiges an Vergünstigungen im Gesetz, die sich indes zum Teil als europarechtswidrig herausstellten. Unter dem Deckmantel des euphemistischen Begriffs des "Spitzenausgleichs" verbergen sich aber weiterhin steuerliche Sonderregelungen für (energieintensive) Großunternehmen, um deren internationale Wettbewerbsfähigkeit der Gesetzgeber besorgt war. Das allein ist schon ein bedauerlicher ordnungspolitischer Sündenfall, der den Grundideen des Gesetzes zuwiderläuft.

Und jetzt will die Bundesregierung auch noch ihre großspurig angekündigte Strompreissenkung auf industrielle und landwirtschaftliche Verbraucher beschränken. Dies wäre - mit Verlaub - ein weiterer Gipfel des ordnungspolitischen Versagens. Der Strompreiskeil zwischen gewerblichen Großkunden und privaten Verbrauchern würde sich weiter öffnen, was im Übrigen den so sehnlichst erwünschten Umstieg auf die Elektromobilität für private Autofahrer weiter erschwerte. Das wäre ordnungs- und auch klimapolitisch kompletter Unsinn - ganz abgesehen davon, dass es die Frustration in der Bevölkerung über die politisch Verantwortlichen nur verstärken würde, weil diese offenbar Rücksicht auf industrielle, aber nicht auf private Verbraucherinteressen nehmen.

All dies zeigt: Der marktwirtschaftliche Kompass ist der Regierung an zentraler Stelle der Steuerpolitik abhandengekommen, genauso wie die politische Sensibilität im Kampf gegen den Populismus, der gerade dadurch an Boden gewinnt, weil die Interessen der privaten Verbraucher im Auge immer größerer Teile der Wählerschaft mit Füßen getreten werden. Es wird höchste Zeit, dass in dieser Hinsicht Vernunft einkehrt - marktwirtschaftlich und politisch.