Election Interference Romania
Verteidigung der Demokratie im digitalen Zeitalter: Einblicke vom Bukarester Runden Tisch zur Wahlbeeinflussung

Insights from the Bucharest Roundtable on Election Interference, April 2025
Am 25. April 2025 veranstalteten die Denkfabrik GlobalFocus Centre und die FNF Rumänien einen hochrangigen nicht öffentlichen Expertenrundtisch in Bukarest, um eine der dringendsten Herausforderungen für europäische Demokratien anzugehen: Wie kann Wahlbeeinflussung durch externe Akteure bekämpft werden? Das Treffen fand im Außenministerium statt und vereinte 48 angesehene Teilnehmer, darunter sechs Botschafter, Diplomaten, Experten und Vertreter der Zivilgesellschaft aus ganz Europa, um die sich wandelnde Landschaft demokratischer Bedrohungen und Resilienzstrategien zu erörtern.
Der Zeitpunkt des Treffens war besonders passend, da es nur einen Monat vor den rumänischen Präsidentschaftswahlen im Mai 2025 stattfand. Es folgte auf Rumäniens beispiellose Entscheidung, die erste Runde der Präsidentschaftswahlen im Dezember 2024 aufgrund von Bedenken hinsichtlich ausländischer Einmischung für ungültig zu erklären. Die Veranstaltung diente als deutliche Erinnerung daran, dass Wahlmanipulation eine aktuelle Realität ist, die bereits demokratische Prozesse im Herzen Europas gefährdet hat.

Dr. Raed Arafat, State Secretary, attended the Roundtable on Election Interference as a special guest.
Die sich wandelnde Natur demokratischer Bedrohungen
Die Diskussionen zeigten, dass sich Wahlbeeinflussung von äußeren Angriffen hin zu tief verankerten hybriden Herausforderungen entwickelt hat, die innere Schwachstellen ausnutzen. Die Teilnehmer betonten, dass die Bedrohung nicht nur von ausländischen Akteuren ausgeht, die außerhalb der Landesgrenzen agieren, sondern dass sich diese Einflüsse innerhalb der Gesellschaften, politischen Systeme und demokratischen Institutionen selbst festsetzen.
Beeinflussungskampagnen sind zu komplexen, grenzüberschreitenden Operationen geworden, die Cyberangriffe, Desinformationskampagnen und wirtschaftliche Manipulation miteinander verbinden. Russland und China sind die Hauptakteure, die durch ausgefeilte Werkzeuge wie native Werbenetzwerke (z. B. MGID und GEOZO), Microtargeting und Proxy-Agenten „gesichtslose“ Einflussnahme ausüben. Russlands antidemokratische Bemühungen stehen im Einklang mit Bewegungen wie MAGA und vertiefen so ihren Einfluss.
In Moldau und Georgien tritt ausländische Einmischung oft als lokale Bewegung auf, was Gegenmaßnahmen erschwert. In Armenien verbreiten pro-kremlnahe Gruppen die Vorstellung, westlicher Einfluss bedrohe die Souveränität und westliche Demokratie sei mit der armenischen Identität unvereinbar. Sie plädieren für eine Form der Demokratie, die sich an nationalen Traditionen orientiert.
Besonders besorgniserregend ist wohl die Identifikation interner Ermöglicher, die ausländische Beeinflussung verstärken. Dazu gehören Personen, die von den Teilnehmern als „nützliche Idioten“ bezeichnet wurden und unbewusst ausländische Propaganda verbreiten, politische Eliten, die institutionelle Reformen aus Eigeninteresse blockieren, sowie gefälschte politische Akteure, die von feindlichen ausländischen Mächten finanziert werden, um Verwirrung zu stiften und legitime demokratische Alternativen zu untergraben. Das Rundtischgespräch hob hervor, wie Extremismus die Prinzipien der Meinungsfreiheit zynisch ausnutzt, um Falschinformationen zu verbreiten – insbesondere in Rumänien, wo dieses Phänomen seit der Pandemie deutlich zugenommen hat

Miroslav Sazdovski, Senior Analyst at Hybrid CoE (European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats) Helsinki, presented during the Models of Resilience panel discussion.
Fallstudien zu Vulnerabilität und Resilienz
Das Treffen analysierte eine Vielzahl nationaler Erfahrungen, die sowohl die universelle Natur dieser Bedrohungen als auch die unterschiedlichen Reaktionen darauf in Europa beleuchteten. Moldau wurde als Staat an der vordersten Front umfassender hybrider Kriegsführung vorgestellt. Dazu zählen Desinformationskampagnen, Bargeldschmuggel, Stimmenkauf und koordinierte Verleumdungskampagnen, die sich gegen wirtschaftlich schwache und marginalisierte Bevölkerungsgruppen richten. Der Rückzug der Unterstützung durch die USAID hat den Bedarf an externer Hilfe für diese gefährdete Demokratie noch verstärkt.
Frankreichs Erfahrung hat gezeigt, dass selbst gefestigte Demokratien überrascht werden können, wie die Macron-Leaks 2017 und die Gelbwesten-Proteste bewiesen haben. Als Reaktion darauf schuf Frankreich mit Viginum eine Institution zur Bekämpfung von Desinformation und verfolgte eine „Strategie der Zuschreibung“, bei der ausländische Einflussnehmer öffentlich benannt und bloßgestellt werden. Dennoch fällt es selbst Frankreich schwer, das richtige Gleichgewicht zwischen Gegenmaßnahmen und dem Schutz der Meinungsfreiheit zu finden.
Die baltischen Staaten haben sich als relativ widerstandsfähig erwiesen. Dies ist auf ein hohes Maß an institutionellem Vertrauen, umfangreiche Medienkompetenzprogramme und innovative Bildungsansätze wie Gamification über Plattformen wie Minecrafts-ähnlichen zurückzuführen. Ihre Erfahrung legt nahe, dass langfristige Investitionen in staatsbürgerliche Bildung und kritisches Denken einen erheblichen Schutz gegen Manipulationsversuche bieten können.
Strategische Antworten und Empfehlungen
Die Teilnehmer des Rundtischgesprächs entwarfen einen umfassenden Rahmen zur Stärkung der demokratischen Resilienz. Dieser betont die Notwendigkeit nachhaltiger, sektorübergreifender Ansätze. Dabei wurden Bildung und Medienkompetenz als grundlegende Säulen hervorgehoben. Die Teilnehmer betonten jedoch, dass Resilienz nicht durch einfache Faktenchecks erreicht werden kann. Vielmehr sei hierfür eine tiefgehende, langfristige staatsbürgerliche Bildung erforderlich, die kritisches Denken in alle Fächer integriert, anstatt es als isoliertes Thema zu behandeln.
In den Diskussionen wurde die Bedeutung institutioneller Instrumente zur Erkennung und Zuschreibung betont, wobei auch deren derzeitige Grenzen anerkannt wurden. Zwar haben Länder wie Frankreich in diesem Bereich Fortschritte gemacht, doch die Durchsetzung ist uneinheitlich und viele Staaten verfügen nicht über spezielle Behörden zur Bekämpfung von Desinformation. Bemerkenswert ist, dass Rumänien über keine zentrale Stelle zur Bekämpfung dieser Bedrohungen verfügt, sondern auf Arbeitsgruppen in verschiedenen Ministerien angewiesen ist.
Eine zentrale Erkenntnis des Runden Tisches war, dass Regierungen die Demokratie nicht im Alleingang gegen derart komplexe Bedrohungen verteidigen können. Der empfohlene „Whole-of-Society-Ansatz” erfordert die Zusammenarbeit von Regierungen, Zivilgesellschaft, Medien, Bildungswesen und Privatsektor. Insbesondere in politischen Krisenzeiten genießen Organisationen der Zivilgesellschaft oft größeres öffentliches Vertrauen, was ihre Rolle bei der Förderung von Gemeinschaftszusammenhalt und demokratischen Werten umso wichtiger macht.
Die Schlussfolgerungen waren nicht pessimistisch. Trotz der immensen Bedrohung stehen demokratische Gesellschaften bei ihren Verteidigungsbemühungen nicht mit leeren Händen da. „Wir haben Werkzeuge, Erkenntnisse und vor allem Menschen – Pädagogen, zivilgesellschaftliche Führungspersönlichkeiten, Journalisten und Bürger –, die sich dem Schutz demokratischer Werte verschrieben haben“, bemerkte Oana Popescu Zamfir, Direktorin des Global Focus Centre. Sie betonte, dass der Aufbau von Resilienz eine langfristige Anstrengung erfordert, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die politische Repräsentation auf der Grundlage demokratischer Ideen wiederherzustellen.
In ihren Schlussworten gaben die Teilnehmer eine zwar ernüchternde, letztlich aber hoffnungsvolle Einschätzung des aktuellen Zustands der demokratischen Resilienz ab. Sie betonten, dass Russland nicht nur militärisch, sondern auch ideologisch gegen demokratische Systeme vorgeht. Raimar Wagner stellte fest, dass die Herausforderungen für europäische Demokratien heute tief in ihren Gesellschaften, der Politik und den Institutionen verwurzelt sind. Er sagte: „Wir sollten nicht nur über russischen Einfluss in Europa sprechen, sondern auch das Ausmaß seiner Präsenz in jedem einzelnen Staat untersuchen.“
Letztlich zeigte der Bukarester Runde Tisch, dass europäische Demokratien zwar beispiellosen Herausforderungen durch ausgeklügelte Beeinflussungskampagnen gegenüberstehen, jedoch über das Wissen, die Werkzeuge und die menschlichen Ressourcen verfügen, um eine wirksame Verteidigung aufzubauen. Der Schlüssel liegt in nachhaltigem Engagement, internationaler Zusammenarbeit und der Erkenntnis, dass der Schutz der Demokratie die aktive Beteiligung der gesamten Gesellschaft erfordert.