EN

Costa Rica
Präsidentschaftswahl: Wer schafft es in die Ballotage?

25 Präsidentschaftskandidaten gehen am 6. Februar in Costa Rica ins Rennen
25 Präsidentschaftskandidaten gehen am 6. Februar in Costa Rica ins Rennen
©  picture alliance / EPA | Jeffrey Arguedas

3,5 Millionen Bürger stehen in der zentralamerikanischen Schweiz vor maßgeblichen Entscheidungen, wenn sie am 6. Februar zu den Urnen gehen, um einen der 25 Präsidentschaftskandidaten zu wählen. Derart merkwürdige Zerrissenheit des politischen Spektrums kennt die costa-ricanische Geschichte nicht. Aber das Standing der traditionellen großen sozialdemokratischen Partido Liberación Nacional PLN und christdemokratischen Partido Unidad Social Cristiana PUSC ist abgenutzt, und die Regierungspartei Partido Acción Ciudadana (Partei der bürgerlichen Aktion) konnte unter Präsident Carlos Alvarado nicht ausreichend punkten. PLN und PUSC, aber auch viele Kleinstparteien hoffen, bei den Wahlen von internen Spaltungen der PAC profitieren zu können.

Costa Rica hat sich den Beitritt zur OECD mühevoll erarbeitet und Reformen zur Förderung von Wettbewerb, zur Bekämpfung von Korruption, zur Umsetzung einer effizienten Corporate Governance, u.a. verabschiedet. Im Mai 2021 ratifizierte die costa-ricanische Abgeordnetenkammer den Eintritt des Landes in die OECD. Unter den OECD-Mitgliedern investiert Costa Rica mit 8% des BIP das höchste Budget in Bildung. Aber diese Ressourcen werden nicht immer effizient genutzt, um beispielsweise die Überwindung der digitalen Kluft zu befördern.

Überschattet wird die OECD-Mitgliedschaft außerdem von einer tiefen Krise, die ihren Ursprung in der nicht konsequenten Umsetzung einer Steuerreform aus dem Jahr 2018 hat. Durch die Anhebung der Steuern sollte das beachtliche Haushaltsdefizit von damals 6% ausgeglichen werden. Aber die Hoffnungen in die Steuerreform von 2018 sind geschwunden, ihre Umsetzung lahmt, was dem Land 2020 auch die Herabsetzung seiner Bewertung durch Standard & Poor’s einher gebracht hat. Gerade in Zeiten der Pandemie zeigte sich die costa-ricanische Regierung wenig stringent in der Reduzierung der Staatsausgaben. Die Staatsverschuldung liegt bei 52,9%, das Haushaltsdefizit ist minimal auf 5,18% gesunken.

Inzwischen hat Präsident Carlos Alvarado die Zusage eines IWF-Kredits, der vom Parlament ratifiziert wurde. Der Kredit setzt allerdings die Reduktion der Staatsausgaben und eine vom IWF geforderte und dringende tiefgreifende Reform im Bereich der öffentlichen Beschäftigung voraus. Durch die Reform würden die Gewerkschaften viele ihrer Privilegien verlieren und sie sind nicht bereit, dies zuzulassen; Demonstrationen sind folglich sehr wahrscheinlich. Allerdings ist es illusorisch, dass diese Reform noch vor Amtsübergabe im Mai zu schaffen sei, wenngleich Alvarado das zugesagt hat.

In Costa Rica rührt die Unzufriedenheit der Bevölkerung insgesamt weniger von einem schlechten Umgang mit der Pandemie, als vielmehr von der Arbeitslosigkeit (14%), der Armut (23%), hohen Lebenshaltungskosten und der florierenden Korruption auf allen Ebenen der Politik her.

Das Szenario mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen ist aufgrund der Aufstellung von 25 Präsidentschaftskandidaten ungewiss. Das ist ein Rekord, der Wähler hat die Qual der Wahl. Spitzenreiter ist in den letzten Umfragen der mit Korruptionsvorwürfen behaftete ehemalige Präsident des Landes (1994-1998) José María Figueres der Partido Liberación Nacional PLN mit 15%, gefolgt von der ehemaligen Vizepräsidentin des Landes (2002-2006) Lineth Saborío der Partido Unidad Social Cristiana mit 13,7%, dem evangelikalen Fabricio Alvarado der Partei Nueva República mit 10,6% und dem radikalen Linken José María Villalta des Frente Amplio mit 7,6%. Jedoch ist für das Rennen am 6. Februar nichts in Stein gemeißelt, denn fast 41% der Befragten ist noch unentschlossen und wird sich ggfs. kurzfristig für einen der hier genannten Kandidaten entscheiden. Aber die zahlreichen Kandidaturen werden eine Entscheidung im ersten Wahlgang verhindern. Wer in die Ballotage am 3. April einzieht, ist völlig offen. Präsident des Landes wird, wer 40% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen kann.

Die liberalen Kräfte sind mit vier Kleinstparteien gespalten in den Wahlkampf gegangen, was jedem Einzelnen nur wenige Stimmen einbringen wird. Eliécer Feinzaig der Partido Liberal Progresista liegt in Umfragen an 7. Stelle mit 2,5%. Die anderen Kandidaten erreichen weniger als 0,5%. In Folge könnte Feinzaig als liberaler Abgeordneter ins Parlament einziehen und manch wichtige liberale Reformvorhaben europäischer Prägung anstoßen. Costa Rica ist eines der wenigen Länder in Lateinamerika, das eine Doppelkandidatur auf das Präsidentenamt und ein Abgeordnetenmandat zulässt. Gewinnt der Kandidat nicht die Präsidentschaft, bleibt die Hoffnung auf einen Sitz im Parlament. Und klare Stimmen der Opposition werden im kleinen Einkammerparlament mit 57 Sitzen unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahl wichtig sein. Denn die dem evangelikalen Fabricio Alvarado treuen Abgeordneten vertreten mit ihm Positionen, welche LGBTI-Rechte, das Recht auf Abtreibung sowie Religionsfreiheit gefährden könnten und im Falle der linken Abgeordneten des Frente Amplio sind Stimmen zu erwarten, welche die Diktaturen in Nicaragua und Venezuela gutheißen und stützen.

Die lange Liste der Präsidentschaftskandidaten ist für die stabilste Demokratie Zentralamerikas Synonym einer ungewissen Zukunft. Zwar plädieren alle Spitzenkandidaten für wirtschaftliche Reaktivierung und eine effiziente Steuerpolitik sowie für die Reduzierung der Staatsausgaben und Reformen, darüber hinaus für Digitalisierung, also für ein Land, das im Idealfall weiterhin als die Schweiz Zentralamerikas gelten könnte. Ob die so drängenden Reformen umgesetzt und die großen Herausforderungen unter einer Regierung welcher Couleur auch immer gelöst werden können, bleibt allerdings abzuwarten.