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Menschenrechte
Thailand wird Vorreiter bei LGBTQ-Rechten

Schwule, Lesben und Transgender können in Thailand wohl schon bald Lebensgemeinschaften eintragen lassen.
LGBTQ Thailand Demonstranten
© picture alliance / NurPhoto | Anusak Laowilas

LGBTQ-Kultur ist in Thailand allgegenwärtig. In TV-Serien gibt es viele schwule und lesbische Figuren. Prominente Blogger und YouTuber aus der LGBTQ-Community haben zehntausende Zuschauer.

Doch trotz der gesellschaftlichen Anerkennung dürfen in Thailand nur heterosexuelle Paare heiraten. Noch gibt es keinen rechtlichen Partnerschaftsstatus für LGBTQ-Paare. Dies könnte sich jedoch bald ändern. In diesem Sommer verabschiedete das Kabinett nach jahrelangen Konsultationen und Debatten einen Gesetzentwurf, der es gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglichen soll, sich als Lebenspartner registrieren zu lassen. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Gesetz vom Parlament verabschiedet wird.

Die geplante Gesetzgebung wäre ein wichtiger Durchbruch. Auch wenn das Gesetz noch keine echten Eheschließungen zulassen würde, verleiht es Thailand eine Vorreiterrolle bei LGBTQ-Rechten in Südostasien. Sollte der Gesetzentwurf vom Parlament verabschiedet werden, wäre Thailand das erste Land, das gleichgeschlechtliche Partnerschaften in Südostasien erlaubt. In ganz Asien war bisher nur Taiwan schneller. Es erkannte 2019 die gleichgeschlechtliche Ehe an.

Die wohl bald möglichen Eingetragenen Partnerschaften beenden die rechtliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare nicht vollständig - aber sie würden zumindest deren Status verbessern. Wenn der Entwurf wie erwartet angenommen wird, könnten die Paare Vermögen gemeinsam verwalten und Kinder adoptieren. Es stünde ihnen auch offen, Dritte im Namen ihres Lebenspartners verklagen.

Schon jetzt gilt Thailand als ein relativ LGBTQ-freundliches Land. „In Thailand gibt es im Vergleich zu Taiwan weniger geschlechtsspezifische Diskriminierung von LGBTQ ... Taiwan hat zwar die Pride Parade und verfügt über einen rechtlichen Rahmen zur Unterstützung von LGBTQ, aber meiner Meinung nach erkennt die Gesellschaft LGBTQ nicht so an wie Thailand", sagt Jer Jer, ein taiwanesischer YouTuber, in einem seiner Videos.

Tatsächlich fördert die thailändische Regierung sogar das Leben und die Kultur von LGBTQ. Mit speziellen Kampagnen versucht das Land beispielsweise, homosexuelle Touristen ins Land zu locken. "LGBTQ gelten als ein Markt mit hohem Potenzial und einem überdurchschnittlich hohen verfügbaren Einkommen", sagte Srisuda Wanapinyosak von der thailändischen Tourismusbehörde gegenüber der lokalen Presse. Sie forderte, dass Thailand „LGBTQ-Personen aufrichtig willkommen heißt und nicht oberflächlich 'LGBTQ-freundlich' ist".

Doch das geplante Gesetz wird die Diskriminierung von LGBTQ in Thailand nicht vollständig beenden: Der „Civil Partnership Bill“ würde homosexuellen Paaren die Adoption von Kindern durch Leihmutterschaft verbieten. Darüber hinaus können sie sich gegenseitig keine medizinische Notfallbehandlung genehmigen oder Sozialleistungen eines Partners, wie beispielsweise Altersrenten, erhalten.

Aufgrund solcher Einschränkungen lehnen einige Mitglieder der LGBTQ-Gemeinschaft den Gesetzentwurf ab. Nachdem das thailändische Kabinett das Gesetz verabschiedete hatte, fand auf Twitter eine hitzige Diskussion statt. Unter Hashtags wie #NoCivilPartnership (#ไม่เอาคู่ช่ชีวิต) und #EqualMarriage (#สมรสเท่าเทียม) debattierten User, ob der Gesetzentwurf die Gleichstellung tatsächlich fördert – oder sogar diskriminierend wirkt, weil weiterhin Unterschiede zwischen Homo- und Heterosexuellen gemacht werden.

Anstelle des Civil Partnership Bill drängen viele in der LGBTQ-Gemeinschaft auf eine Änderung von Paragraph 1448 des Zivil- und Handelsgesetzbuches. Gegenwärtig sieht Paragraph 1448 nur die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau vor. Die von der LGBTQ-Community geforderten Änderung würde die klassische Ehe für alle Konstellationen öffnen.

Doch nach Jahren des Wartens sehen viele in der LGBTQ-Community den aktuellen Gesetzentwurf immerhin als einen Anfang an.  Der erste Entwurf des Civil Partnership Bill war bereits 2013 von der Abteilung für den Schutz von Rechten und Freiheiten des Justizministeriums vorgelegt worden. "Es ist ein guter Anfang ... zumindest bietet der Civil Partnership Bill einen gewissen Rechtsstatus für LGBTQ-Paare. Es ist besser, dass wir einen Rechtsmechanismus haben, der uns anerkennt und unterstützt", sagte Pauline Ngarmpring, eine Transfrau, die im vergangenen Jahr als Premierministerin kandidierte.

Pauline Ngarmpring hätte jedoch auch eine Änderung von Abschnitt 1448 vorgezogen. Ihrer Meinung nach sehen sich LGBTQ-Leute immer noch mit vielen Problemen konfrontiert, nicht nur mit rechtlichen: „Es gibt immer noch Diskriminierung in unserem täglichen Leben. So müssen wir zum Beispiel das Zimmer eines Mannes benutzen, und wenn wir ins Krankenhaus gehen, werden wir Mister genannt".

Trotz dieser Hindernisse und Probleme ist die geplante Gesetzgebung in Thailand für Asien bemerkenswert. In der Region werden viele Homosexuelle nicht nur diskriminiert, sondern sogar strafrechtlich verfolgt. Zum Beispiel kriminalisiert Malaysia gleichgeschlechtliche Liebe immer noch mit Strafen von bis zu 20 Jahren Gefängnis oder Stockschlägen.  Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong bekräftigte erst letztes Jahr, dass der Stadtstaat einen Paragraphen beibehalten wird, der Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren ermöglicht.

In Indonesien, mit Ausnahme von Banda Aceh, ist Homosexualität kein Straftatbestand. Dennoch werden LGBTQ-Personen häufig Opfer verbaler und physischer Angriffe von Polizei, Islamisten und Politikern. Die Behörden verwenden häufig ein Pornographiegesetz von 2008, um LGBTQ-Leute zu verfolgen. Im Februar schlugen die Abgeordneten ein Gesetz vor, das Homosexuelle und Transgender sich bei Behörden melden sollen – zur „Umerziehung“.

Thailands Nachbar im Osten, Myanmar, bestraft „Geschlechtsverkehr gegen die Ordnung der Natur“ mit bis zu 10 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe. Gleich hinter der Grenze, in Thailand, werden Homosexuelle wohl schon bald Kinder adoptieren dürfen.

Sirindhara Teeramachwanich ist Projektassistentin im Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Thailand.