Menschenrechte
Körperliche Unversehrtheit für eine wirtschaftliche Entwicklung - Erfolgreicher Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung in Tansania

Gemeinsam mit der Partnerorganisation, der Kilimanjaro Women Information Exchange and Consultancy Organization (KWEICO), hat die FNF Tanzania erfolgreich ein vierjähriges Projekt mit dem Titel „Eine sichere Gesellschaft für eine Entwicklung“ abgeschlossen. Ziel war es, die öffentliche Teilhabe von Frauen zu erhöhen. Dazu sollten in erster Linie die Genitalverstümmelungen von Mädchen und Frauen reduziert werden. Wichtige Interessengruppen mussten innerhalb der Gemeinschaften in den Bezirken Karansi und Donyomurwa im Siha-Distrikt in die Projektarbeit integriert werden. Der Erfolgsfaktor war jedoch die Schaffung alternativer wirtschaftlicher Erwerbsmöglichkeiten für diejenigen, die zuvor von der weiblichen Genitalverstümmelung als Einkommensquelle abhängig waren.
Frauen stärken und Gemeinschaften verändern
Im Fokus des Projekts stand die Stärkung der Frauen vor Ort. Um dies zu erreichen, mussten erst die Schlüsselfiguren innerhalb der einzelnen Gemeinschaften mobilisiert werden. Das sind diejenigen, die tief in den kulturellen Traditionen verwurzelt sind. Daher wurden neben Frauen und Jugendlichen, gezielt traditionelle Maasai-Älteste und religiöse Führer einbezogen, um das Bewusstsein für die Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung zu sensibilisieren: für die betroffenen Mädchen und Frauen, wie für die Gemeinden.
Traditionelle Älteste, die so genannten Lagwanan, wurden als wichtige Akteure des Wandels betrachtet. Respektiert als Führungspersönlichkeiten waren ihre Botschaften entscheidend, um die Einstellung über weibliche Genitalverstümmelung allmählich zu verändern. Das Projekt richtete sich an 132 Älteste mit intensiven Aufklärungsprogrammen über die rechtlichen Folgen und gesundheitlichen Risiken von weiblicher Genitalverstümmelung. Am Ende dieser Veranstaltungen verpflichteten sich viele Älteste nicht nur, die Genitalverstümmelung aufzugeben, sondern auch, ihre Gemeinden aufzuklären. So erklärte Maasai-Stammesführer Allen Laiza:
„Wir als traditionelle Führer haben die Erlaubnis erteilt, alle Orte wie Gebetsstätten und öffentliche Versammlungen zu nutzen, um diese Praxis zu verurteilen. Das ist das Ende der weiblichen Genitalverstümmelung, denn wir haben uns mit der Regierung zusammengetan, um sicherzustellen, dass dies in unseren Gemeinden nicht mehr geschieht.“
„Wir haben begonnen, in unseren Dorfversammlungen offen über Genitalverstümmelung zu sprechen. Bei unseren traditionellen Zeremonien vermittelten wir dieses Wissen, erreichten eine große Anzahl von Menschen und gaben Frauen und Mädchen Selbstvertrauen“, sagte Moses Mollel, ein weiterer Stammesführer der Massai.
Finanzielle Unabhängigkeit als Schlüssel
Ausschlaggebend für den Erfolg war alleine die finanzielle Unabhängigkeit der ehemaligen Beschneiderinnen durch eine neue Selbständigkeit. Die Ngaribas ernährten bis dato sich und ihre Familie von der praktizierten Tradition der körperlichen Verstümmelung von Mädchen. Neben der Bewusstseinsbildung waren daher Schulungen zum Aufbau kleiner Ich-AGs wichtigster Bestandteil des Projekts. So ist es gelungen rund 120 Personen einen Weg zu alternativen Einkommensquellen zu ermöglichen
„Wir haben die Initiative ergriffen und Gruppen gebildet, um zu verhindern, dass wir zu Genitalverstümmelung zurückkehren. Wir haben ein Maisgeschäft gegründet und arbeiten nun gemeinsam, in dem Wissen, dass das, was wir tun, legal ist“, erzählt Angela Mollel, eine ehemalige Praktizierende der weiblicher Genitalverstümmelung, die jetzt Unternehmerin ist.
Das Projekt richtete sich auch an Jugendliche und Schulen, um eine neue Generation von Entscheidungsträgern zu fördern. Jugendleiter in den Dörfern führten Aufklärungskampagnen durch, und schulische Menschenrechtsgruppen informierten Kinder über geschlechtsspezifische Gewalt.
„Wir haben die Gemeinde besucht und deutlich gemacht, dass wir, die Jugend, bereit sind, Frauen zu heiraten, die keine Genitalverstümmelung hatten“, erklärte Daniel Tajiri, Lehrer und Dorfvorsteher in Donyomurwa.
Die Rolle von Nichtregierungsorganisationen bei der Förderung des Wandels
Der Erfolg dieser Initiative unterstreicht die Bedeutung von Nichtregierungsorganisationen für tiefgreifenden Wandel auf lokaler Ebene. Die Maßnahmen zum Capacity-Building gingen über das direkte Engagement in den Gemeinden hinaus und umfassten auch die Schulung lokaler Fürsprecher.
„Für uns war es wichtig, die Basis der Gemeinden zu erreichen. Wir sollten nicht nur an politischen Einzelmaßnahmen arbeiten, sondern sicherstellen, dass diese auch fundiert und nachhaltig sind und das Bewusstsein schärfen, damit die Gemeinden selbst zu Hütern und eigenen Botschaftern für Menschenrechte werden“, betonte Veni Swai, Programmmanagerin in Tansania.
Darüber hinaus stellten Partnerschaften mit religiösen Führungspersonen und Gesundheitsdienstleistern sicher, dass die Aufklärung über die weibliche Genitalverstümmelung in verschiedene Bereiche des Gemeinschaftslebens integriert wurde. Traditionelle Hebammen, wie Suzana Lekoko, spielten dabei eine entscheidende Rolle:
„Wenn wir jetzt sehen, dass jemand weibliche Genitalverstümmelung praktiziert, informieren wir unsere traditionellen Ältesten und die Regierung. Wir werden weiterhin die Mütter aufklären, die wir betreuen.“
Wirtschaftliche Stärkung: Ein Weg zu nachhaltigem Wandel
Die weibliche Genitalverstümmelung war nicht nur für die einzelnen Beschneiderinnen, sondern auch in den Gemeinden eine wichtige wirtschaftliche Einnahmequelle. Dies gilt als wesentliche Ursache, weshalb die Tradition überhaupt so lange bestehen konnte. Von Beginn an, wurde im Projekt ein Fokus daraufgelegt, alternative Einkommensquellen auch innerhalb der Gemeinden zu schaffen. Insgesamt wurden 52 Frauengruppen mit 1.300 Mitgliedern gegründet, die zusammen 172 Millionen tansanische Schilling gespart haben.
Die Frauen wurden in unternehmerischen Fähigkeiten, Finanzmanagement und gemeinschaftlichem Sparen geschult. Das angewandte Modell selbsttragender Gemeinschaftsspar- und Mikrofinanzgruppen hat die Lebensbedingungen der Mitglieder erfolgreich verbessert. Aveline Laitayo erzählte von ihrem Erfolg:
„Ich habe 300.000 Schilling geliehen und zwei Ziegen gekauft, die beide Nachwuchs bekommen haben. Jetzt kann ich auf dem Markt Geschäfte machen, und von dem Gewinn kann ich Lebensmittel für meine Familie kaufen, mir Seife leisten und die Schulgebühren für meine Kinder bezahlen. Mein Mann respektiert mich mehr, weil ich einen finanziellen Beitrag leiste.“
Selbstverwaltete Gruppen haben mittlerweile neue Mitglieder aufgenommen und setzen ihre Arbeit auch nach dem Ende des Projekts fort.
“Dieser wirtschaftliche Wandel geht über bloße Zahlen hinaus. Er ist zu einem Katalysator für Veränderungen in den Gemeinden geworden. Diese Frauen sind nun Verteidigerinnen der Menschenrechte, insbesondere in Bereichen wie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Ihre Stimmen, die einst still waren, hallen nun durch die Dörfer und fordern Gleichberechtigung und Gerechtigkeit für alle.
Die Geschichte dieser Frauen ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte, sondern auch ein Hoffnungsschimmer für eine inklusivere und gerechtere Zukunft. Durch ihren Mut, ihre Entschlossenheit und ihren unerschütterlichen Kampfgeist verändern sie nicht nur ihr Leben, sondern auch die Welt um sie herum – Schritt für Schritt.“