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30 Jahre Maastricht-Vertrag
Europas Zukunft: Maastricht 2.0? Krakauer Vertrag 2026!

Zwischenruf aus Brüssel
Bundesaussenminister Hans-Dietrich Genscher (l) und Bundesfinanzminster Theo Waigel (r) unterzeichnen am 7. Februar 1992 den Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion der Europäischen Gemeinschaft in Maastricht (Niederlande)
Bundesaussenminister Hans-Dietrich Genscher (l) und Bundesfinanzminster Theo Waigel (r) unterzeichnen am 7. Februar 1992 den Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion der Europäischen Gemeinschaft in Maastricht (Niederlande). © picture-alliance/ dpa | epa

Am 7. Februar ist es 30 Jahre her, dass die Staats- und Regierungschefs in Maastricht den Vertrag über die Europäische Union unterzeichnet haben. Das Vertragswerk, das ein Jahr später in Kraft trat, begründete die EU. Die auf Maastricht folgenden Verträge von Amsterdam (1997), Nizza (2001) und Lissabon (2007) buchstabierten die Arbeitsweise und das Verhältnis von Mitgliedstaaten, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament zueinander weiter aus und gaben ihm seine bis heute gültige Form. Zeit für eine Verortung.

Europa im Februar 1992: Helmut Kohl hatte noch 6 Jahre Kanzlerschaft vor sich, in Frankreich regierte Francois Mitterand, in den USA stand Bill Clinton am Beginn seiner Amtszeit. Der Zusammenbruch der Sowjetunion lag erst wenige Wochen zurück, 1992 erschien ein Buch mit dem Titel „The End of History and the Last Man“, das die westliche intellektuelle Szene vom ewigen Sieg der Demokratie und Menschenrechte träumen ließ. Emmanuel Macron war gerade 14 Jahre alt, Viktor Orban ein 29jähriger, liberaler 89er-Mauerfall-Held, der daran arbeitete Vorsitzender einer Partei namens Fidesz zu werden, in China schwor Deng, nach der noch keine drei Jahre zurückliegenden Tienanmen-Katastrophe, die kommunistische Führung auf eine neue Öffnung des Landes in Wirtschaft und Politik ein.

Und Europa 2022? Seit 2008 haben wir erlebt: die Finanz- und Schuldenkrise, die russische Annektion der Krim, den Einmarsch von Putins Truppen in Georgien und der Ostukraine, die Flüchtlingsströme über Mittelmeer und Balkanroute, die COVID-Krise, Regierungs-Populismus à la Kaczynski, Orban, Trump et. al., den (Wieder)aufstieg Chinas zu einer aggressiven Weltmacht, die weniger handeln als herrschen will. Das politische Klima und die harten Fakten, nach denen heute in Europa und weltweit Politik gemacht wird, haben sich grundlegend verändert. Optimismus ist in Pessimismus umgeschlagen, der verbreitete Wille, mit Hilfe von multilateralen Institutionen Konflikte zu lösen und künftige Entwicklungen zu vereinbaren, ist zunehmend selbstbezogener Machtpolitik gewichen.

Und doch leben wir in der institutionellen Architektur der Maastricht-Zeit und ihrer Folge-Verträge, die noch so ganz dem multilateralen Optimismus, der sich aus Mauerfall und Globalisierungserfolgen speiste, verpflichtet ist. Und wir sehen an allen Ecken und Enden der aktuellen europäischen Politik, wie sehr die Maastrichter Mauerwerke unter Druck geraten und bröckeln. Die unzureichende Gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik, der Rechtsstaatsstreit mit den Regierungen Polens und Ungarns, das Ringen um eine kohärente Klima- und Energiepolitik mögen als beispielgebende Stichworte genügen.

Müssen wir nun die EU neu aufbauen, neu gründen, den nächsten Supervertrag unterzeichnen und ratifizieren? Abgesehen davon, dass dies beim gegenwärtigen Stand der Einigkeit unter den EU27 kaum gelingen wird, ist eine andere politische Ressource wohl entscheidender und leichter mobilisierbar: Führung. Wie wäre es, wenn die Willigen gemeinsam vorangehen und die, die mitgehen wollen, einfach mitnähmen auf den Weg zu einer besseren Verteidigungs- und Außenpolitik, einer kraftvollen Wirtschaftspolitik mit Augenmaß und einer klaren europäischen Innenpolitik.

Alles keine neuen Erkenntnisse, und leichter gesagt als getan, wohl wahr und leider wahr. Aber noch ist Zeit, Europa aus seiner Unbeweglichkeit und Lethargie zu heben. Und wie wäre es, die dazu nötigen Veränderungen, wenn sie denn einen vertraglichen Rahmen brauchen, z.B. 2026 in Krakau zu unterzeichnen? In Krakau, einer typischen europäischen Metropolregion, die für reiche Geschichte, Selbstbewusstsein, Widerstandskraft und Innovationsfähigkeit steht. Krakau 2026, ein Zeichen auch, dass die EU die Transformationserfahrungen, die ihr mittel- und osteuropäischer Teil seit 1989 so überreich gemacht hat, zum gemeinsamen Politikschatz rechnet. Neue politische Führungen in Deutschland und Frankreich könnten die Führung, die so dringend gebraucht wird, bieten. Die Regierung Scholz und ein bestätigter Macron im Elysee. Das wäre doch was, oder?