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EU-Haushaltsentwurf
Europas Budget: Große Ambitionen, kleines Portemonnaie

Drei Fahnen der Europäischen Union wehen vor dem Gebäude der EU-Kommission.

Drei Fahnen der Europäischen Union wehen vor dem Gebäude der EU-Kommission.

© picture alliance/dpa | Alicia Windzio

Auf den ersten Blick klingt es beeindruckend: Knapp zwei Billionen Euro möchte die EU-Kommission im neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2028–2034 mobilisieren. Die symbolisch große Zahl klingt nach Kraft, Handlungsfähigkeit und Zukunft. Doch auf den zweiten Blick entfaltet der Finanzplan eher wenig Wirkung. Die wohl zwei Jahre andauernden Verhandlungen zum Finanzrahmen dürften sich als äußerst schwierig gestalten.

Tatsächlich verteilt sich dieser gigantisch wirkende Betrag auf sieben Jahre, was einem jährlichen Volumen von etwa 286 Milliarden Euro entspricht. Zur Einordnung: Die Budgets der EU-Mitgliedstaaten übertreffen das europäische Gemeinschaftsbudget um das 40-Fache. Dass die EU auch mit diesem Vorschlag „ein regulatorischer Gigant, aber ein budgetärer Zwerg“ bleibt, kann niemanden überraschen. Aber immerhin sieht der Vorschlag der EU-Kommission von Ursula von der Leyen eine Steigerung von 1,13 auf 1,26 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung vor.

Doch angesichts der vielen Ankündigungen einer „Zeitenwende“, eines „europäischen Moments“ angesichts des Kriegs in der Ukraine, etwa in den Bereichen Verteidigung oder Energie, lohnt sich eine Frage: Wohin fließt dieses Geld konkret? Hier kommt es schnell zur großen Ernüchterung: Zu etwa 85 Prozent dient die Budgetsteigerung allein der Rückzahlung von Schulden aus dem Corona-Hilfsfonds „NextGenerationEU“. Echte Investitionen in Europas Zukunft tragen kaum zur Steigerung bei. Noch ist unklar, wie hoch tatsächlich der Anteil der Mittel ist, die echten Zukunftsinvestitionen dienen – eine genaue Bestimmung dieser „Zukunftsquote“ wird entscheidend sein.

Zwar setzt die Kommission künftig stärker auf Bereiche wie Forschung, Wettbewerbsfähigkeit, Schutz der Außengrenzen sowie Außenpolitik – alles unzweifelhaft „öffentliche Güter“ für die Europäische Union. Doch hinter dem Budgetzuwachs steckt kein wirkliches europäisches Mehr. Das wird in der Debatte mit den Mitgliedstaaten noch eine intensive Diskussion sein. Auch die „Nationalisierung“ von Fördermitteln, die traditionell an europäische Regionen ausgezahlt werden, ist aus föderaler Sicht durchaus kritisch zu sehen.

European Competitiveness Fund: Chance für Innovation oder Gefahr für den Wettbewerb?

Hoffnung macht, jedenfalls auf dem Papier, der neue „European Competitiveness Fund“. Denn mehr Wettbewerbsfähigkeit braucht die Europäische Union dringend. In einer Weltwirtschaft, die von schnellen technologischen Veränderungen und intensivem globalem Wettbewerb geprägt ist, kann Europa es sich nicht leisten, zurückzufallen. Der geplante Fonds soll genau hier ansetzen, indem er gezielt Zukunftstechnologien fördert, die langfristig Wachstum und Arbeitsplätze sichern sollen. Dazu zählen Bereiche wie erneuerbare Energien, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und biotechnologische Innovationen, allesamt identifizierte Schlüsselbranchen.

Doch während die Idee eines solchen Fonds zunächst vielversprechend klingt, birgt sie gleichzeitig auch erhebliche Risiken. Es besteht die reale Gefahr, dass die EU-Kommission in die Versuchung gerät, mit gezielten Förderungen Technologie-Sieger auszuwählen. Solche selektiven Förderungen führen erfahrungsgemäß häufig zu Marktverzerrungen und ineffizienten Ergebnissen. In einer EU mit vielen einzelstaatlichen Interessen und einer Geschichte von „Subventionswettläufen“ könnte so ein Wettbewerbsfähigkeitsfonds damit auch zu unerwünschten Ergebnissen führen. In der Praxis ist die Gefahr groß, dass politische Präferenzen und regionale Interessen entscheidender werden als echte Marktchancen und Innovationspotenziale. Gerade in einer Wirtschaft, die sich dynamisch entwickelt und oftmals unvorhersehbar entwickelt, könnte eine zentralistische Auswahl von Technologien oder Unternehmen Innovationen eher bremsen als fördern. Die „Anmaßung von Wissen“ bei der Auswahl von Investitionszielen könnte damit die ohnehin knappen EU-Mittel versickern lassen.

Um diese Gefahr zu minimieren, sollte die EU vor allem auf Rahmenbedingungen setzen, die echten Wettbewerb ermöglichen. Weniger Bürokratie, transparente Verfahren und klare Regeln sind entscheidend dafür, dass Unternehmen und Forscher ihre Ideen effizienter und effektiver umsetzen können, ein funktionierender EU-weiter Kapitalmarkt ließe sie besser wachsen und international expandieren.

Wettbewerbsfähigkeit braucht mutige Reformen der Mitgliedstaaten

Zudem kommt den Nationalstaaten eine zentrale Rolle zu. Sie müssen ihre Wirtschaftspolitik und Steuerstrategien so gestalten, dass Innovationen begünstigt und nicht durch unnötige regulatorische Belastungen behindert werden. Im internationalen Wettbewerbsfähigkeitsranking des Schweizer Instituts IMD zeigt sich wiederholt, dass einige EU-Länder sehr wohl wettbewerbsfähig sind. Dänemark oder Schweden schneiden hier regelmäßig näher am Spitzenreiter Schweiz ab als Italien oder die Slowakei. Ein offener Binnenmarkt, der freien Wettbewerb und fairen Marktzugang garantiert, ist der zentrale EU-Beitrag für mehr Wettbewerbsfähigkeit in der Union, aber ebenso entscheidend sind innovationsfreundliche Politiken auf nationaler Ebene.

Die Herausforderung besteht darin, den „European Competitiveness Fund“ so zu gestalten, dass er als Wegbereiter und nicht als Irrweg wirkt. Gleichzeitig müssen die Mitgliedstaaten Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass ihre nationale Politik den Zielen des Fonds nicht entgegenläuft.

Auch bei den geplanten Einnahmequellen gibt es Widersprüche: Während man wettbewerbsfähiger werden möchte, plant man die Unternehmensbesteuerung zu erhöhen. Während man bei den Ausgaben viel für Umwelt und Klima plant, fehlen gleichzeitig potenzielle Einnahmen aus dem Emissionshandel für Verkehr und Wärme überraschend. Dabei wäre die Bepreisung von CO2 viel sinnvoller als eine Vielzahl unterschiedlicher Fördertöpfe.

CORE-Abgabe und EU-Steuern: Gefahr für Innovation und Standortattraktivität

Die geplante CORE‑Abgabe – eine pauschale Umsatzsteuer auf Unternehmen mit mehr als 100 Mio € Nettoumsatz in der EU – stößt zunehmend auf fundamentale Kritik. Das fängt bereits bei der Grundlage an, dass solche Umsatzbasissysteme nicht nach Profit, sondern nach Umsatz bemessen werden – und damit insbesondere Unternehmen mit niedrigen Gewinnmargen unverhältnismäßig belasten. Da unabhängige Firmen mit großen Umsätzen aber geringen Margen den gleichen Betrag zahlen wie hochprofitable Konzerne, verzerrt dieses System den Wettbewerb und schwächt kleinere oder wachsende Unternehmen überproportional.

Dadurch gerät Europas Wettbewerbsfähigkeit unter zusätzlichen Druck – gerade zu einem Zeitpunkt, in dem der Kontinent gegenüber den USA oder China ohnehin schon in Rückstand gerät. So nachvollziehbar es ist, dass die EU-Kommission umsatzsteuerrelevante Reformen vorschlägt (nur in diesem Bereich gibt es EU-Zuständigkeiten), so problematisch ist die konkrete Ausgestaltung: Ausweicheffekte der Unternehmen könnten bereits vorhandene Themen für die europäische Wettbewerbsfähigkeit noch einmal verschärfen. So warnt etwa die Denkfabrik Bruegel, dass diese Umsatzsteuer zu Wettbewerbsverzerrungen und Preisinflation entlang der Lieferkette führen, da Unternehmen versuchen, die Mehrkosten intern oder an Verbraucher weiterzugeben. Insgesamt kritisieren auch Regierungen wie Deutschland, die Niederlande oder Schweden die CORE-Abgabe, da sie Investitionsanreize untergrabe und Standortentscheidungen negativ beeinflusse. Und das just in einer Zeit, in der die EU-Kommission ein ganzes Bündel an Maßnahmen für die Wettbewerbsfähigkeit der EU in Umsetzung hat.

Das Problem mit einer eigenen EU-Besteuerung auf Tabak wiederum ist eher ein strukturelles: Viele der sogenannten „Sündensteuern“, ob auf Zucker, Alkohol oder in diesem Fall Tabak, zielen auf einen Lenkungseffekt ab. Auch die Nationalstaaten haben in der jüngeren Vergangenheit ihre Besteuerung des Rauchens teils dramatisch nach oben geschraubt. Nur zwei Länder (Malta und Griechenland) haben zwischen 2020 und 2024 ihre Tabaksteuern nicht angepasst, wie Daten der EU-Kommission zeigen. Im Schnitt wurden die Steuern um rund 14 Prozent erhöht. Die EU-Kommission plant mit ihrer Steuer allerdings bereits Einnahmen bis 2034 und will mit dieser durchaus unsicheren Einnahmenquelle Ausgaben finanzieren, die wesentlich fixiert sind, etwa in Form von Personalkosten. Damit diese Rechnung aufgeht, braucht es paradoxerweise den Misserfolg der weiteren Ausweitung der Tabakbesteuerung. Soll sie genug Aufkommen bringen, darf sie als „Lenkungssteuer“ nicht lenken und den Tabakkonsum weiter stark einschränken. Auch wenn dieses Argument bei der bereits erwähnten Ausweitung des CO2-Emissionshandels ebenfalls angeführt werden könnte, so ergibt sich dort durch die Ausgabe der Zertifikate eine vergleichsweise einfache Gegensteuerungsmöglichkeit.  

Die wohl zwei Jahre dauernden Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen werden schwierig. Umso dringender braucht Europa nicht nur eine realistische Finanzpolitik, sondern vor allem einen Fokus auf echten europäischen Mehrwert. Nur dann hinterlässt das Budget auch nachhaltig Eindruck.