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Schleswig-Holstein
Klare Kante an der Küste

Daniel Günther

Daniel Günther nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein

© picture alliance/dpa | Daniel Bockwoldt

Die Vorwahlumfragen hatten es angedeutet, und so kam es dann auch: Die Landtagswahl in Schleswig-Holstein sieht die CDU mit Ministerpräsident Günther mit 43,4 Prozent als klar stärkste Partei, zudem mit sehr deutlichen Zugewinnen (+11,4) gegenüber der Wahl 2017. Ebenfalls deutliche Zugewinne (+5,4) verzeichnen die Grünen, die auf 18.3 Prozent kommen, während die FDP ihr ausgezeichnetes Ergebnis aus 2017 bei dieser Wahl nicht wiederholen kann und 6,4 Prozent (-5,1) erreicht. Die SPD setzt ihren nach dem Rekordergebnis von 1988 begonnenen Abwärtstrend in Schleswig-Holstein fort, verliert massiv an Stimmen und Prozentpunkten (-11,3) und kommt mit 16,0 Prozent hinter den Grünen nur auf Platz 3. Die SSW überwindet mit 5,7 Prozent (+2,7) die Fünf-Prozent-Hürde und schafft den Einzug ins Parlament; die Linke scheitert erneut und kommt nur noch auf 1,7 Prozent (-2,1). Die AfD scheidet mit 4,4 Prozent (-1,5) zum ersten Mal seit ihrer Gründung aus einem Landesparlament aus.

Anteil der Zweitstimmen
Gewinne und Verluste Zweitstimmen

Welche Gründe lassen sich für diesen Wahlausgang finden?

  1. Hohes Ansehen des Ministerpräsidenten Günther

Der Ausgang dieser Wahl hat außergewöhnlich viel mit der Person des amtierenden Ministerpräsidenten zu tun. Laut Wahlanalyse von Infratest dimap waren 75 Prozent der Befragten mit der Arbeit von Daniel Günther sehr zufrieden oder zufrieden – ein Spitzenwert im bundespolitischen Vergleich und ein großer Vorsprung vor den Kandidatinnen und Kandidaten der anderen Parteien bei dieser Wahl. Bei einer Direktwahl würden sich 62 Prozent aller Befragten für Günther aussprechen (übrigens unter den Sympathisanten der Grünen 43 und unter denen der SPD 34 Prozent) und nur 11 Prozent für den Bewerber der SPD. 78 Prozent aller Befragten hielten Daniel Günther für einen guten Ministerpräsidenten – auch dies ein bundesweiter Spitzenwert. Und 73 Prozent sagten, Günther sei ein Politiker, bei dem man wisse, wofür er steht. Hier liegt dann auch der entscheidende Faktor für den Wahlausgang: Für 54 Prozent der Wählerinnen und Wähler der CDU stand die Person des Kandidaten bei ihrer Wahlentscheidung im Vordergrund, was bei keiner anderen Partei bei dieser Wahl auch nur ansatzweise vergleichbar war.

  1. Keinerlei Wechselstimmung

75 Prozent der Befragten zeigten sich mit der Arbeit der Landesregierung sehr zufrieden oder zufrieden – auch dies ein bundesweiter Spitzenwert. Bei der Abfrage von Koalitionsoptionen war das Modell „Jamaika“ die am häufigsten gewünschte Konstellation. Eine Woche vor der Wahl wünschten sich bei Infratest dimap 46 Prozent eine von der CDU geführte Landesregierung; 22 Prozent wünschten sich eine SPD-geführte Landesregierung, 14 Prozent eine von den Grünen geführte Landesregierung; 18 Prozent konnten oder wollten sich nicht festlegen. Der Wunsch nach einer politisch-strategischen Veränderung war bei dieser Wahl nicht ersichtlich.

  1. Starke Orientierung an der Landespolitik

Im ZDF-Politbarometer eine Woche vor der Wahl gaben 65 Prozent an, sich in ihrer Wahlentscheidung an der Politik in Schleswig-Holstein zu orientieren, 30 Prozent richteten sich an der Bundespolitik aus; 5 Prozent legen sich nicht fest. Da es auch in Schleswig-Holstein mit Jamaika ein „ungewohntes“ Koalitionsmodell gibt, das zudem auch noch überzeugend bestätigt wurde, dürfte es schwerfallen, im Wahlausgang eine Bewertung der Bundes-Ampel zu sehen. Auch für eine konkrete Wähler-Aussage zur Situation von SPD oder CDU im Bund gibt es wenige Anhaltspunkte – zu speziell war die Ausgangslage der SPD in Schleswig-Holstein, zu stark die Position der CDU in Schleswig-Holstein, um daraus Schlüsse auf die Bundesebene zu ziehen. Zum einen gilt Günther eher als ein Gegenmodell zu Friedrich Merz, zum anderen konnte der SPD-Kandidat Losse-Müller in der relativ kurzen Zeit seiner Kandidatur keine Marksteine setzen. Aufschlussreich auch die Ergebnisse bei Infratest dimap: Dass Olaf Scholz „eine gute Unterstützung für die Partei in Schleswig-Holstein“ sei, sagten 27 Prozent aller Befragten (und nur 54 Prozent der SPD-Anhänger); von Friedrich Merz sagten dies gar nur 17 Prozent (und 21 Prozent der CDU-Anhänger).

  1. Rückenwind für die Grünen

Ganz anders die Lage für die Grünen: Dass Robert Habeck – der allerdings zuvor ja auch Landesminister war - eine gute Unterstützung gewesen sei, sagen 69 Prozent aller Befragten und sogar 86 Prozent bei den Anhängerinnen und Anhängern der Grünen.

Das gute Wahlergebnis der Grünen hat einige Gründe: Zum einen waren die Menschen in Schleswig-Holstein mehrheitlich (53 Prozent) mit der Arbeit der Grünen in der Regierung zufrieden. Zum anderen konnten sich die Grünen auf herausragende Kompetenzbeimessungen in den Themen Umwelt/Klima und Energieversorgung stützen, die ihnen eine breite Wählerbasis sichern. Zwei Drittel der Befragten sagten, sie „fänden es gut, wenn die Grünen in Schleswig-Holstein weiterhin an der Regierung beteiligt wären“.

  1. Themen

Im Gegensatz zu anderen Wahlen stand in Schleswig-Holstein kein politisches Thema deutlich im Vordergrund. Bei Infratest dimap nannten jeweils 16 Prozent „Energieversorgung“ und „Klima“, je 14 Prozent „Bildung“ und „Preissteigerungen“, 11 Prozent „Gesundheitsversorgung“ und 10 Prozent „Arbeitsplätze“. Auch die von manchen Beteiligten am Wahlabend geäußerte Meinung, die weltpolitische Lage habe den Wahltag überstrahlt, lässt sich hier nicht bestätigen: Das Thema „Krieg in der Ukraine“ wird nur von 9 Prozent genannt.

  1. Das Wahlergebnis der FDP

Mit der Arbeit der FDP in der Landesregierung waren bei Infratest dimap 41 Prozent zufrieden, 48 Prozent weniger bzw. gar nicht zufrieden – die anerkannt gute Arbeit der Landesregierung zahlte (so auch der CDU-Spitzenkandidat Günther in einem Statement) also eher auf die Konten von CDU und Grünen ein. Die Kompetenzbeimessungen für die FDP in deren Kernthemen (Wirtschaft, Finanzen, Verkehr) waren gut, auch die Werte für das Spitzenpersonal zeugten von breiter Zustimmung. Aber gerade die FDP musste viele Stimmen an die CDU abgeben und verlor kräftig ans Nichtwählerlager. Starken Rückhalt hatten die Freien Demokraten vor allem bei den jüngeren Wählerinnen und (vor allem) Wählern. Auffällig ist, dass diejenigen, die ihre Stimme der FDP gaben, dies zu einem sehr hohen Anteil (76 Prozent) aus Überzeugung taten. Ob es zu einer erneuten Regierungsbeteiligung reicht, wird sich zeigen. Bei Infratest dimap sagten vor der Wahl 51 Prozent „Ich fände es gut, wenn die FDP in Schleswig-Holstein weiterhin an der Regierung beteiligt wäre“. Nimmt man die Statements am Wahlabend, ist zumindest der amtierende Ministerpräsident nicht abgeneigt.

  1. Ausfransen der Ränder

Für zwei Parteien ist das Wahlergebnis irgendwie so wie Schleswig-Holstein: In der Mitte spielt sich alles ab, an den seitlichen Rändern gibt es kein Land. Die Linke versinkt mit 1,7 Prozent der Stimmen in der Bedeutungslosigkeit, läuft in der Berichterstattung unter „Sonstige“. Ihre Kompetenzwerte liegen in den meisten Politikfeldern bei einem Prozent. Sie kommen in der Wahlberichterstattung fast nicht vor.

Und die AfD muss lernen, dass man aus Parlamenten auch wieder ausscheiden kann. Mit ihrem Spitzenkandidaten waren vor der Wahl gerade einmal 10 Prozent der Befragten zufrieden – wenn sie ihn denn überhaupt kannten. Die früheren AfD-Wähler wanderten in Scharen zur CDU und zu den Nichtwählern, aber auch zur FDP.

  1. Was kommt jetzt in Schleswig-Holstein?

Daniel Günther hat die freie Auswahl, wenn man rein nach den Zahlen geht. Es würde in allen Konstellationen für eine Mehrheit reichen: Jamaika, Schwarz-Gelb, Schwarz-Grün, Schwarz-Rot, Schwarz-SSW. Schon am Wahlabend wurde ausführlich darüber diskutiert, welche Mehrheit denn überhaupt notwendig sei – und tatsächlich wäre Jamaika eher eine politisch-taktische Ansage als eine unbedingte Notwendigkeit.

  1. Was heißt das für NRW und Niedersachsen?

Bei den nächsten Wahlen, die in NRW (15.05.) und in Niedersachsen (09.10.) stattfinden, werden die Karten neu gemischt. Folgt man den gängigen Analysen, hat das gestrige Ergebnis stark mit landespolitischen und landespersonellen Umständen zu tun – die sich natürlich nicht auf die anderen beiden Länder übertragen lassen. Ob die CDU nun mit Rückenwind in die NRW-Wahl geht, ob die SPD in NRW und erst Recht in Niedersachsen zeigen kann, dass das Ergebnis in Schleswig-Holstein ein „Ausreißer“ war, ob die FDP ihre Regierungsbeteiligung in einer Zweier-Konstellation deutlicher in Wählerstimmen ummünzen kann, ob die Grünen weiterhin Zugewinne haben, ob die AfD in eine Abwärtsschleife geraten ist – man wird es sehen.