KI & Bildung
KI in der Schule: Zwischen Fortschrittsversprechen und Bildungsrealität

Eine Schulung für Lehrkräfte an der Sekundarschule Zörbig im Umgang mit einer neuen digitalen Tafel.
© picture alliance/dpa | Heiko RebschKünstliche Intelligenz ist da – auch im Klassenzimmer. Was vor Kurzem noch nach Zukunftsmusik klang, ist längst Realität. Schülerinnen und Schüler nutzen ChatGPT, DeepL oder andere Tools, um sich Informationen zu beschaffen, Aufgaben zu lösen oder Texte zu überarbeiten. Doch wie verändert KI den Schulalltag wirklich? Und was braucht es, damit aus einem technologischen Hype ein bildungspolitischer Fortschritt wird?
Ein neues Policy Paper der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) in Kooperation mit dem Think Tank iRights.Lab gibt Antworten – und zeigt: Der Weg zu einer sinnvollen Integration von KI in Schule und Unterricht ist machbar, aber noch steinig.
Zwischen Euphorie und Orientierungslosigkeit
Was zunächst wie ein Digitalisierungsschub erscheint, ist in Wirklichkeit ein diffuses Gemisch aus Neugier, Euphorie, Überforderung und regulatorischen Unsicherheiten. Viele Lehrkräfte stehen dem Thema grundsätzlich offen gegenüber, fühlen sich aber mit den technischen, rechtlichen und didaktischen Anforderungen allein gelassen. Dabei nutzt laut einer Umfrage bereits aktuell jede zweite Lehrkraft KI im Unterricht - vor allem zur Vorbereitung oder Erstellung von Aufgaben. Gleichzeitig fehlt es vielerorts an Fortbildungen, verlässlicher Infrastruktur und klaren Handreichungen für den Unterrichtsalltag.
Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat im Herbst 2024 erstmals gemeinsame Empfehlungen vorgelegt. Sie fordert unter anderem mehr Schulungen, transparente Rahmenbedingungen und eine reflektierte Prüfungskultur. Doch die Umsetzung erfolgt – wie so oft im föderalen System – uneinheitlich. Einige Bundesländer setzen auf eigene Plattformen und Lizenzen, andere Bundesländer setzen offenbar auf die Improvisationskünste ihrer Schulen.
Potenziale erkennen, ohne in Technikgläubigkeit zu verfallen
Die Autoren des Papers betonen, dass KI Bildungsprozesse durchaus verbessern kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Besonders in der Schulorganisation beim personalisierten Lernen oder als inklusives Hilfsmittel eröffnen sich neue Chancen. Tools wie fobizz oder FelloFish bieten etwa adaptive Lernpfade, automatisiertes Feedback und Übersetzungsfunktionen. Das kann insbesondere Schülern mit Förderbedarf oder unterschiedlichen Sprachniveaus zugutekommen.
Doch KI-Anwendungen sind kein Wundermittel. Die Autoren von „Bildung und KI“ warnen vor überhöhten Erwartungen, beispielsweise Lehrkräfte durch KI ersetzen zu wollen oder pädagogische Qualität an Algorithmen auszulagern. Denn Lernprozesse leben vom sozialen Miteinander, von individueller Ansprache und einer wertebasierten Reflexion. Gerade im schulischen Kontext braucht es viel mehr als reine Effizienz. Es braucht Vertrauen und verlässliche menschliche Beziehung(en), Urteilskraft und vor allem pädagogische Verantwortung.
Prüfungen neu denken – aber wie?
Besonders kontrovers diskutiert wird derzeit der Einfluss von KI auf die Prüfungskultur. Wenn Lernende ihre Aufsätze mit ChatGPT schreiben – wie lässt sich dann noch „Eigenleistung“ feststellen? Die KMK fordert daher neue Prüfungsformate, die Zukunftskompetenzen wie kritisches Denken oder kollaboratives Arbeiten einbeziehen. Leistungen sollen nicht nur bewertet, sondern auch hinterfragt und kontextualisiert werden können – auch unter KI-Bedingungen.
Digitalisierungslücken schließen, bevor sie zu Gerechtigkeitslücken werden
Ohne funktionierende Infrastruktur bleibt jedes pädagogische Konzept zur Einbettung von KI entfernte Theorie. Laut einer Umfrage der Vodafone Stiftung berichten rund 42 Prozent der Schülerinnen und Schülern von mangelhafter Internetverbindung, viele verfügen über keine geeigneten Endgeräte. Der Digitalpakt I hat zwar Wirkung gezeigt – aber reicht nicht aus. Ein zügiger und wirkungsvoller Digitalpakt II ist daher überfällig.
Gleichzeitig muss auch Chancengerechtigkeit mitgedacht werden: KI darf nicht nur denen nützen, die privilegiert sind. Vielmehr sollten Länder und Bund dafür sorgen, dass alle Schulen – unabhängig von Trägerschaft oder Region – Zugang zu datenschutzkonformen, pädagogisch durchdachten KI-Anwendungen haben.
Ein Bildungssystem im Suchmodus
Mit der Integration von KI in den Schulalltag ist mehr als nur eine technische Frage verbunden. Damit es nicht zu einem bildungspolitischen Experiment mit offenem Ausgang wird, müssen passende Rahmenbedingen geschaffen werden. Klar ist zudem, dass Lehrkräfte Zeit, Raum und Unterstützung brauchen, um sich weiterzubilden. Schüler brauchen Orientierung, um zwischen Tool-generiertem Inhalt, Tatsachen und Täuschungen unterscheiden zu lernen. Und Politik braucht den Mut, über Zuständigkeitsgrenzen hinweg zu handeln und Chancen nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.
Die zehn Thesen, welche dem Papier eine Klammer geben, sind dabei mehr als ein Fazit. Sie sind ein Aufruf; für eine Bildungspolitik, die Zukunft gestaltet, ohne sich von einem Digitaltrend oder Hype treiben zu lassen. Und ein Plädoyer für ein Bildungssystem, das Verantwortung übernimmt – technologisch, pädagogisch, und gesellschaftlich zukunftsgewandt.
Unterstützung für diese Gedanken kommen auch aus dem Vorstand der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sowie aus der Geschäftsführung vom iRights.Lab. So zeigt sich Dr. Maren Jasper-Winter, Vorstandsmitglied der FNF, überzeugt: „Das Policy Paper liefert den notwendigen Kompass für eine zukunftsfähige Bildungspolitik. Es zeigt, dass wir KI in der Schule nicht einfach zulassen dürfen, sondern durch transparente Leitplanken und partizipative Prozesse gestalten müssen. Nur so bleibt unser Bildungssystem offen, gerecht und innovationsfähig.“ Philipp Otto, Direktor und Geschäftsführer des iRights.Lab betont: „Wenn wir über KI in der Bildung sprechen, geht es zuallererst um diejenigen, die sie nutzen. Schülerinnen und Schüler wie auch Lehrkräfte benötigen eine gute Begleitung auf dem Weg in die Zukunft des Lernens“.