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Wohnungsbautag

Kann Deutschland noch bauen?

Beim 14. Wohnungsbau-Tag der deutschen Bau- und Immobilienbranche stellt sich eine grundlegende Frage: „Kann Deutschland noch bauen?“. Im Rahmen des Branchen-Gipfels werden u.a. Klara Geywitz (Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen), Robert Habeck (Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz) sowie Christian Dürr (Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion) diskutieren. Es ist wahrlich kein Wunder, dass die nachlassende Bautätigkeit in diesem Jahr das zentrale Thema des Wohnungsbau-Tags ist. Das ausgegebene Neubauziel der Bundesregierung von 400.000 Wohnungen pro Jahr erscheint unter den derzeitigen Rahmenbedingungen unerreichbar. Die Baukosten und Baulandpreise steigen immer weiter, die Zeit niedriger Zinsen ist endgültig vorbei und es gibt erhebliche Material- und Lieferengpässe. Unser neues Policy Paper „Die Lage auf dem Wohnungsmarkt“ gibt einen kompakten Einblick in die aktuelle Situation und zeigt, wie es überhaupt zu den jetzigen Problemen kommen konnte.

Warum ist die aktuelle Situation so schwierig?

Für die derzeitige Lage auf dem Wohnungsmarkt sind unterschiedlichste Gründe verantwortlich. Die folgende Liste greift hiervon fünf Ursachen auf. Die Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, soll jedoch einen Eindruck von der Komplexität der Einflussfaktoren vermitteln.

1. Die Städte boomen

Zum Ende des Jahres 2021 lebten 83,2 Millionen Menschen in Deutschland, rund 1,9 Millionen Menschen mehr als im Jahr 2000, was einem Bevölkerungszuwachs von etwa 2,3 Prozent entspricht (siehe Abbildung 1). Dieser Bevölkerungsanstieg war regional sehr ungleich verteilt. Allein die sogenannten TOP7-Städte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart) verzeichneten im selben Zeitraum einen Bevölkerungszuwachs von über einer Million Menschen. Die Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahre hat die Wohnungsmärkte in den Metropolen daher vor besonders große Herausforderungen gestellt.

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© Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

2. Es wurde zu wenig gebaut

Die Bundesregierung hat sich für die laufende Legislaturperiode zum Ziel gesetzt, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu errichten. Aufgrund des russischen Angriffskriegs und den damit verbundenen Folgen sieht es im Moment nicht danach aus, als wäre dieses Ziel umsetzbar. Aber klar ist: Insbesondere in der Vergangenheit wurde zu wenig gebaut. Im Jahr 2009 wurden beispielsweise lediglich 159.000 neue Wohnungen fertiggestellt. Erst ab dem Jahr 2010 hat der Wohnungsneubau wieder Fahrt aufgenommen, aber die Lücke, die in den Jahren zuvor entstand, konnte nie ganz geschlossen werden (siehe Abbildung 2).

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© Statistisches Bundesamt

3. Wir erleben eine Baukostenexplosion

Bereits in den vergangenen Jahren und insbesondere zu Beginn der Corona-Pandemie war ein erheblicher Anstieg der Baukosten zu beobachten. Dieser Preisanstieg hat sich im vergangenen Jahr nochmal dramatisch beschleunigt. Dies geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Während die Verbraucherpreise im Zeitraum zwischen 2000 und 2022 um rund 46 Prozent gestiegen sind, betrug das Wachstum bei den Baukosten satte 78,5 Prozent (siehe Abbildung 3).

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© Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

4. Wir erleben eine Explosion der Baulandpreise

Im Vergleich zum Anstieg der Baulandpreise wirkt der Baukostenanstieg regelrecht moderat. Während die Baukosten seit dem Jahr 2000 um rund 78 Prozent angestiegen sind, betrug das Wachstum der Baulandpreise allein bis zum Jahr 2021 satte 168 Prozent. Heißt: Die Preise für einen Quadratmeter Bauland haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt und sich damit auch deutlich dynamischer entwickelt als die Verbraucherpreise, die im selben Zeitraum nur 36,6 Prozent gestiegen sind (siehe Abbildung 4).

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© BBSR, Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

5. Die Zinswende scheint von Dauer

Die letzten Jahre waren geprägt von einem historisch niedrigen Zinsniveau. Der deutliche Anstieg der Inflationsrate hat nun jedoch auch die Zinsen nach oben getrieben. Dies gilt (wenig überraschend) auch für die Bauzinsen. Eine Auswertung von Interhyp zeigt, dass Kredite mit langfristiger Zinsbindung (wie sie für die Finanzierung eines Immobilienerwerbs üblich sind) nur noch mit deutlichem Risikoaufschlag vergeben werden. Der Zinssatz für zehnjährige Kredite lag Ende 2021 noch bei lediglich einem Prozent. Aktuell liegt der Zinssatz für einen Kredit mit zehnjähriger Laufzeit bereits bei 3,84 Prozent. Bei Krediten mit fünfzehnjähriger Zinsbindung liegt der Zinssatz aktuell bei 3,95 Prozent, während er Ende 2021 noch bei 1,29 Prozent lag (Stand: 01.04.2023; siehe Abbildung 5).

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© Interhyp

Wie lässt sich die Situation verbessern?

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist schwierig – dies wird sich aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen so schnell auch nicht ändern lassen. Dennoch gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die die Situation verbessern können:

Unrechtmäßige Markteingriffe beenden: Eigentumseingriffe wie in Berlin sind aus moralischer und wirtschaftlicher Perspektive falsch und schaffen ein Klima der Unsicherheit, in dem niemand investieren will.

Bauland, Bauland, Bauland: Um den Preisanstieg der letzten Jahre zu durchbrechen, muss insbesondere in den Städten zusätzliches Bauland aktiviert und die bürokratischen Hürden für Umnutzungen so gering wie möglich gehalten werden.

Baukostenanstieg strukturell angehen: Die 16 Bauordnungen der Bundesländer setzen auf zu viele Normen und Vorgaben. Eine Angleichung bestehender Landesbauordnungen würde insbesondere dafür sorgen, dass das serielle Bauen hierzulande endlich an Bedeutung gewinnt und für Kosteneinsparungen sorgt.

Nach oben bauen: Beim Vergleich mit internationalen Metropolen wird deutlich, dass deutsche Städte sehr niedrig sind und fast keinen Raum für echte Hochhäuser bieten. Das muss sich ändern. Insbesondere der Dachgeschossausbau sollte so einfach wie möglich durchführbar sein.

Eigentumsbildung unterstützen: Die zunehmende Abkehr von Wohneigentum hat den unliebsamen Nebeneffekt, dass sich die Lage auf dem Mietwohnungsmarkt weiter verschärft. Daher sind Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer nötig, um die Erwerbsnebenkosten zu senken.

Stärkung des ländlichen Raums: Mit dem Aufstieg des mobilen Arbeitens erlebt unsere Arbeitswelt gerade eine echte Revolution, die auch zu einem Erstarken ländlicher Räume führen könnte. Hierfür braucht es jedoch eine ausgezeichnete digitale Infrastruktur und eine optimal ausgebaute Verkehrsinfrastruktur zwischen Stadt und Land.