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20. Juli 1944
Ehre, Haltung und Mut

Viele Verschwörer des 20. Juli 1944 ahnten es, dass sie scheitern und sterben würden. Sie handelten trotzdem. Allein das macht sie zu Vorbildern.
© picture alliance / dpa | Jens Wolf

Gedenkstein für den Generalmajor Henning von Tresckow am Nordpark in Magdeburg.

 

© © picture alliance / dpa | Jens Wolf

Die Worte finden sich auf einer Gedenktafel, die zum 100. Geburtstag von Henning von Tresckow 2001 in seiner Geburtsstadt Magdeburg errichtet wurde. Sie stammen von ihm selbst, dem „bösen Geist“ der Verschwörer, wie ihn angeblich Adolf Hitler nannte. Tresckow sagte zu Stauffenberg wenige Tage vor dem 20. Juli 1944, als selbst der spätere Attentäter Stauffenberg am Erfolg der bevorstehenden Operation Walküre zu zweifeln begann:

Das Attentat muss erfolgen, coûte que coûte. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und  vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat.

Henning von Tresckow

Diese Worte sagen alles. Hier spricht jemand, der eigentlich die Hoffnung auf Erfolg aufgegeben hat, der aber trotzdem an den Plänen festhält – und offenbar damit bei seinem Gesprächspartner auf Zustimmung stößt. Und es ist wahrscheinlich, dass in den letzten Gesprächen der führenden Verschwörer dieser Geist des Unbedingten, des Opfers um jeden Preis, zu einer zentralen Botschaft wurde. Tief pessimistisch, aber entschlossen ging man zu Werk. Was zählte waren allein Ehre, Haltung und Mut.

Dahinter verblassen all die Vorwürfe, die den Verschwörern über die Jahrzehnte danach – durchaus zu Recht – gemacht wurden: ihre frühe Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie; ihre undemokratischen, jedenfalls elitären Vorstellungen von der Zukunft Deutschlands; ihre lange Zeit zögerliche Haltung in der ersten Hälfte des Krieges; ihre endlosen Diskussionen über unbedeutende Details der Planung bei gleichzeitiger Schwäche im Kernbereich; ihre Mitwisserschaft und zum Teil Billigung von Gräueltaten an der Ostfront, wo ja gerade Tresckow und seine engsten Vertrauten der Heeresgruppe Mitte Dienst taten.

Diese Vorwürfe sind längst durch eine Fülle von historischen Einzelforschungen im Kern bestätigt. Aber sie ändern nichts an Ehre, Haltung und Mut, die nötig waren, um bereit zu sein, im wahrscheinlichen Falle des Scheiterns in den Tod zu gehen. Genau dies tat dann auch Henning von Tresckow am 21. Juni 1944 im Wald bei Nowosiolski, nachdem das Attentat tatsächlich gescheitert war, um nicht in Gefangenschaft unter Folter Kameraden und deren Angehörige zu gefährden.

Genau in diesem wohldefinierten Sinn – und nicht etwa als liberale Gestalter einer demokratischen Zukunft oder kluge Planer von komplexen Staatsstreichen – sind die Verschwörer zu Vorbildern geworden. Vorbilder sind sie alleine in Ehre, Haltung und Mut.      

Dieser Artikel erschien erstmals am 20. Juli 2023 in der Magdeburger Volksstimme.