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Meinungsfreiheit
Umfrage zur Meinungsfreiheit – Jüngere und Social-Media-Nutzer fühlen sich häufiger gehemmt

Jüngere und Social-Media-Nutzer fühlen sich in ihrer Meinungsfreiheit zunehmend gehemmt.

Jüngere und Social-Media-Nutzer fühlen sich in ihrer Meinungsfreiheit zunehmend gehemmt.

© picture alliance / MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com | MAX SLOVENCIK

Eine neue Umfrage zur Meinungsfreiheit durch dimap im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zeigt ein deutliches Spannungsfeld zwischen Anspruch und erlebter Realität: Die Mehrheit der Befragten fühlt sich beim freien Sprechen gehemmt. Zwar sagen 72 Prozent, sie verträten ihre Meinung grundsätzlich frei und offen, zugleich berichten 60 Prozent, heute vorsichtiger zu sein, weil sie negative Reaktionen befürchten. Nur 41 Prozent haben das Gefühl, man könne überall sagen, was man möchte, ohne Konsequenzen zu riskieren.

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Positiv: Eine deutliche Mehrheit würde sich dafür stark machen, dass andere ihre Meinung frei äußern dürfen – auch dann, wenn sie selbst inhaltlich nicht damit übereinstimmen

Gleichzeitig zeigt die Umfrage auch etwas für eine liberale Demokratie Positives: Eine deutliche Mehrheit (81 Prozent) gibt an, sich dafür stark zu machen, dass andere ihre Meinung frei äußern dürfen – auch dann, wenn sie selbst inhaltlich nicht damit übereinstimmen. Dieses Bekenntnis zur Redekultur reicht über Altersgruppen und politische Lager hinweg; häufiger bejaht wird es von Männern und in Westdeutschland.

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Die Hälfte hat negative Folgen freier Meinungsäußerung erlebt

Schatten werfen allerdings die Erfahrungen mit den Reaktionen auf die eigene freie Meinungsäußerung: 51 Prozent geben an, negative Konsequenzen erlebt zu haben (siehe Chart 1). Am häufigsten betreffen diese das soziale Umfeld – Widerspruch, Anschuldigungen oder Spannungen bis hin zum Abbruch von Freundschaften - sowie Anfeindungen in sozialen Medien. Inwiefern solch negative Reaktionen allerdings tatsächlich eine Einschränkung der Meinungsfreiheit darstellen oder Widerspruch nicht eher zur üblichen Debattenkultur gehört, kann hinterfragt werden. Deutlich seltener werden berufliche Nachteile oder juristische Konsequenzen genannt. Allerdings ist es für eine liberale Demokratie ebenfalls bedenklich, wenn fast ein Drittel der Menschen (28 Prozent) befürchtet, dass ihre freie Meinungsäußerung juristische Konsequenzen nach sich ziehen kann.

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Social Media als Meinungskiller: Wer sich online informiert, traut sich seltener zu sprechen

Eine zentrale Rolle spielt dabei die Hauptinformationsquelle. Wer sich überwiegend über soziale Medien informiert, nimmt den Debattenraum spürbar eingeschränkter wahr und berichtet häufiger von Hemmungen (67 Prozent). Das gilt besonders in konfliktträchtigen Debatten wie zu Corona oder zum Ukraine-Krieg, aber auch in ansonsten eher wenig aufgeregten Debatten wie zur Steuerpflicht. Nutzerinnen und Nutzer traditioneller Medien schildern solche Hemmnisse seltener. Der Befund legt nahe, dass Reichweiten- und Empörungslogiken digitaler Plattformen das subjektiv empfundene Risiko freier Meinungsäußerung erhöhen – und damit das Verhalten in Diskussionen prägen.

Über politische Präferenzen hinweg sticht eine Gruppe deutlich heraus: Wählerinnen und Wähler der AfD berichten in nahezu allen Themenfeldern am häufigsten, sich in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt zu fühlen. Beim Thema Flucht und Migration geben sogar 91 Prozent an, vorsichtig mit ihrer Meinung sein zu müssen. Diese Gruppe nimmt nach eigener Auskunft besonders häufig negative Reaktionen wahr oder fürchtet diese.

Das Thema "Verwahrlosung des öffentlichen Raums“ bietet einen vergleichsweise offenen Debattenraum. Nur ca. ein Viertel der Befragten (23 Prozent) nimmt hier Einschränkungen in der öffentlichen Diskussion wahr. Diese Ausgangslage ermöglicht es, konstruktiv zu diskutieren, Kompromisse zu entwickeln und konkrete Lösungen umzusetzen. Deutlich anders stellt sich die Lage bei „Flucht & Migration“ dar: 65 Prozent der Befragten geben an, ihre Meinung hierzu nicht frei äußern zu können. Auch „Innere Sicherheit & Kriminalität“ wird von 38 Prozent als Themenfeld wahrgenommen, zu dem man sich vorsichtig äußern müsse. Beide Felder sind emotional stärker aufgeladen und weniger geeignet für eine sachorientierte, lösungsgetriebene Debatte.

Jüngere fühlen sich besonders gehemmt – insbesondere zum Nahostkonflikt und zur Wehrpflicht

Besonders auffällig ist schließlich der Blick auf die Jüngeren: Je jünger die Befragten, umso häufiger geben sie an, sich in unterschiedlichsten Politikfeldern nicht wohl damit zu fühlen, ihre Meinung frei zu äußern. Überdurchschnittlich deutlich zeigt sich das in der Wehrpflichtdebatte (34 Prozent) und in Diskussionen zum Israel‑Gaza‑Krieg (63 Prozent). Die Werte sind insbesondere im Vergleich zur Gesamtheit der Befragten besorgniserregend, denn dort geben nur jeweils 15 Prozent (Wehrpflicht) oder 42 Prozent (Israel-Gaza) an, vorsichtig mit ihrer Meinung sein zu müssen.

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Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit, Debattenkompetenz - gerade auch für junge Menschen - zu stärken. Sie zeigt außerdem, wie essentiell verlässliche Informationsangebote in sozialen Medien sind. „Meinungsfreiheit ist kein Selbstläufer. Sie lebt davon, dass wir sie leben. Dass wir sie anderen zugestehen. Und dass wir uns einmischen, wenn sie bedroht wird: Durch Angst, durch Hass, durch Schweigen. Der Auftrag an uns als Zivilgesellschaft – an jede und jeden einzelnen – ist es, sich dafür im Freundeskreis, im Berufsleben, in Diskussionen im Alltag starkzumachen. Jeder von uns hat es mit in der Hand, dass sich Debattenräume nicht verengen.“ sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D. und stellvertretende Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Die repräsentative Umfrage wurde im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit von dimap im Zeitraum Oktober 2025 durchgeführt.