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Europatag
Die junge Generation sieht ihre Zukunft in der EU

Es wird Zeit, dass die EU ihre Zukunft auch in der jungen Generation sieht
Julius Graack
Julius Graack auf einer Pulse of Europe Kundgebung in Göttingen

Ich bin 1998 geboren. Ein Europa ohne Schengen kenne ich nicht, an die Deutsche Mark habe ich keine Erinnerung. In der Schule gab es mal eine Klassenfahrt ins Vereinigte Königreich, auch nach Frankreich wurde ein Austausch angeboten. Im Studium lief es nicht anders: Erasmus-Aufenthalte, egal ob nach Rumänien oder Schweden, werden mittlerweile von fast allen meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen erwägt und meistens umgesetzt. Meine Generation trägt den europäischen Gedanken als Selbstverständnis in sich.

Dieses Selbstverständnis ist aber alles andere als selbstverständlich. Meine Generation weiß das. Der Brexit hat uns den Wert der Europäischen Union auf krasse Art und Weise vor Augen geführt. Die abschreckenden Konsequenzen, gerade für die junge Generation im Vereinigten Königreich, motivieren aber auch. Die jüngste Verfassungsänderung im Land Berlin mit ihrem Bekenntnis zu Europa gelang vor allem dank der Jungen Europäische Bewegung Berlin-Brandenburg. Unser europäisches Selbstverständnis ist ein Bekenntnis, für Europa Verantwortung zu übernehmen.

Ich persönlich bezeichne mich als überzeugten Vollbluteuropäer und europäischen Föderalisten. Eine Zukunft ohne die Europäische Union ist für mich unvorstellbar. Das bedeutet nicht, dass mich die EU in ihrer derzeitigen Lage durchgängig begeistert. Die immer noch laufende Flüchtlingskrise ist für mich glaube ich ein Paradebespiel für fatale Uneinigkeit und das Handeln gegen eigene Werte. Die Europäische Union muss sich verändern, um mehr Verantwortung zu übernehmen.

In meinen Augen braucht die EU eine Generalüberholung, um ihrem heute notwendigen Anspruch und damit dem Anspruch meiner Generation gerecht zu werden. Wir wollen Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit sehen. Die Herausforderungen von heute sind nicht mehr allein auf nationaler Ebene lösbar. Und sie können zu existenziellen Problemen von morgen werden. Wir brauchen eine europäische Klimapolitik, damit andere Staaten einem starken Vorbild im Kampf gegen dem Klimawandel folgen können. Wir brauchen eine europäische Migrationspolitik, damit Humanität in allen Mitgliedstaaten wieder als Wert angesehen wird. Wir brauchen eine europäische Außenpolitik, damit die EU sich gegenüber Systemrivalen wie China mit vereinten Kräften behaupten kann.

Für all das braucht es auch institutionelle Veränderungen: Ein stärkeres Europäisches Parlament mit eigenem Initiativrecht, transnationale Listen, ein verbindliches Spitzenkandidatensystem und ein Wahlrecht ab 16 bei den Europawahlen. Seien wir ehrlich: Obwohl unsere Generation die europäische Idee mit am stärksten unterstützt, wird unsere Stimme viel zu selten gehört. Ähnlich wie im Bundestag beträgt der Altersdurchschnitt im Europäischen Parlament fast 50 Jahre. Beteuerungen, bei Demonstrationen wie zum Uploadfilter auf die Stimme der Jugend zu hören, werden doch ignoriert. Unsere Generation ernst zu nehmen, das bedeutet für viele nicht mehr als eine Stärkung von Erasmus+.

Am 9. Mai, dem Europatag, startet nach langer Vorbereitung die Konferenz zur Zukunft Europas. In allen Mitgliedstaaten können sich Unionsbürgerinnen und -bürger bei Veranstaltungen einbringen und ihre Ideen für die Zukunft der EU teilen. Unsere Generation wird hier mit starker Stimme sprechen. Aber eins ist entscheidend: Die Zukunftskonferenz muss den Willen nach Veränderung ernstnehmen. Die Konferenz muss mehr als eine Demokratieübung sein, die nur das Gefühl einer Beteiligung vermittelt. Wenn die EU und ihre Institutionen ihren Blick wirklich auf die Zukunft richtet, dann muss sie auf die junge Generation und unser europäisches Selbstverständnis hören. Dann müssen institutionelle Neuerungen und Vertragsveränderungen Teil der Debatte sein. Dann müssen die Mitgliedstaaten ihre nationalstaatlichen Einflüsse zurücknehmen und an europäischen Lösungen arbeiten. Wir sind bereit: Auf geht’s in eine wirklich europäische Zukunft!

Julius Graack (23) ist seit 2018 Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und studiert in Göttingen Volkswirtschaftslehre und Philosophie.