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Erdgasstreit im Mittelmeer
„Wie ein Spiel mit dem Feuer“ – Außenminister Heiko Maas vermittelt zwischen Athen und Ankara

Erdgasstreit im Mittelmeer Maas appelliert - Griechenland drängt
Einfach war Maas' Rolle als Vermittler im Erdgasstreit beim Besuch in Athen nicht. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Thanassis Stavrakis

Politische Erfolgsmeldungen klingen anders: „In Athen und Ankara habe ich konträre Standpunkte vernommen“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas vor Journalisten nach seinen Gesprächen mit dem türkischen Amtskollegen Mevlut Cavusoglu. Vorangegangen waren Beratungen in Athen und Ankara und der Versuch, den schwelenden Konflikt zwischen den Nachbarn an der Südostflanke Europas wenn schon nicht zu lösen, so zumindest einzudämmen.

Wie gefährlich sich die Lage in den letzten Wochen hochgeschaukelt hat, sagte Maas nach seinem Gespräch mit dem griechischen Amtskollegen Nikos Dendias: „Die gegenwärtige Situation im östlichen Mittelmeer ist wie ein Spiel mit dem Feuer. Jeder Funke kann zu einer Katastrophe führen“.

Zeitgleich zur deutschen Vermittlungsaktion haben die Streitkräfte der zerstrittenen Nachbarn Seemanöver in den umstrittenen Seegebieten angekündigt. Der bilaterale Zwist, der längst zu einem Politikum von internationalem Rang geworden ist, reicht viele Jahrzehnte zurück. Durch die Entdeckung von Öl- und Gasvorkommen zunächst in der Ägäis und dann im östlichen Mittelmeer ist die Frage der maritimen Hoheitszonen auf die Tagesordnung gekommen. Es geht um die Grenzen der Festlandsockel und der exklusiven Wirtschaftszonen.

Ein wesentlicher Hintergrund des Konfliktes: Ankara will nicht anerkennen, dass Inseln – und Griechenland ist ein Land mit sehr vielen Inseln – einen eigenen Festlandsockel haben, wie dies das internationale Seerecht vorsieht. Während die Griechen sich auf das Seevölkerrecht berufen und juristisch argumentieren, drängt Ankara auf eine politische Lösung. 

Auslöser der aktuellen Spannungen war die Entsendung eines türkischen Forschungsschiffes in die Nähe der griechischen Insel Kastellorizon; für Athen eine schwere Provokation, für Ankara ein fast normaler Vorgang, denn die kleine Insel liegt in Sichtweite des anatolischen Festlandes und weit entfernt vom kontinentalen Griechenland.

„Volle Solidarität zu Griechenland“

Heiko Maas war nicht nur als Außenminister Deutschlands unterwegs, sondern auch – und diesen Punkt hat er wiederholt betont – als Vertreter der europäischen Ratspräsidentschaft. Somit kommt Berlin nicht umhin, die eindeutige Haltung der EU in der türkisch-griechischen Streitfrage zu vertreten: „Eine Botschaft lautet, dass Deutschland und Europa in voller Solidarität zu Griechenland stehen“. Die zweite Botschaft, so der Berliner Chefdiplomat: „Wir brauchen jetzt und sofort Signale der Deeskalation und eine Bereitschaft zum Dialog“.

Die Reaktion der Gesprächspartner auf die Friedensappelle klangen eher verhalten. In Athen wie in Ankara musste sich der Deutsche die jeweiligen, diametral gegensätzlichen Positionen der Streitparteien anhören. In Ankara kam dann noch die Kritik an der EU hinzu, der die Türkei – wegen der Rolle Athens – die Neutralität absprechen.

Die Beziehungen der Türkei zur EU befinden sich an einer „Weggabelung“, sagte Maas und betonte, wie wichtig Ankara als „strategischer Partner“ sei. Gescheitert ist allerdings der Versuch, die Türkei mit dem Versprechen besserer Beziehungen zur EU zu Konzessionen im Streit mit Athen zu bewegen.

Flüchtlinge als Faustpfand

Ankara weiß, dass es ein mächtiges Faustpfand besitzt, mit dem es die EU unter Druck setzen kann: die rund vier Millionen syrische Flüchtlinge, die in der Türkei leben. Dass Präsident Erdogan durchaus in der Lage und bereit ist, diese als „Druckmittel“ einzusetzen, wurde im Frühjahr klar, als Ankara ohne Vorwarnung die Grenzen zu Griechenland öffnete und sich an Europas Außengrenzen beispiellose Szenen abspielten. Damit so etwas nicht wieder passiert, müssen Brüssel und Berlin die Beziehungen zur türkischen Regierung auf einem guten Niveau halten, lautet das realpolitische Kalkül.

Mit gänzlich leeren Händen ist der Außenminister nicht aus Ankara abgereist. Zwar haben weder Griechenland noch die Türkei eine Zusage gegeben, alsbald an den Verhandlungstisch zu kommen. Doch beide Seiten waren sich einig, dass eine militärische Lösung nicht in Frage komme.

Er habe keine Illusionen, so Maas vor der Presse, die Lage ist schwierig. Die deutsche Vermittlung steht allenfalls am Anfang, das nächste Kapitel soll schon Ende der Woche geschrieben werden, wenn sich in Berlin die Außenminister der EU zusammensetzen. Der Streit im östlichen Mittelmeer wird ganz oben auf der Agenda stehen. Athen wird einmal mehr Sanktionen gegen Ankara verlangen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass Berlin diesen Forderungen zustimmen wird. Deutschland will die Türkei nicht verprellen. Bis auf weiteres ist Frieden im östlichen Mittelmeer ohne die Kooperation Ankaras nicht denkbar.