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Thailand
Regierungskrise in Thailand

„Die Suspendierung des Premierministers Prayuth Chan-ocha ist überraschend“
Prayuth Chan-ocha

Prayuth Chan-ocha

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

Seit seinem Putsch 2014 hat Prayuth Chan-ocha Thailand regiert. Doch seine politische Karriere könnte nun beendet sein. Das Verfassungsgericht hat eine Petition von Abgeordneten angenommen und Prayuth bis zu einer endgültigen Entscheidung suspendiert. Was das für die Demokratie des Landes bedeutet, erklärt Frederic Spohr, Projektleiter Thailand der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Bangkok.

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit: Warum hat das Verfassungsgericht Prayuth Chan-ocha suspendiert?

Frederic Spohr: Laut thailändischer Verfassung ist die Amtszeit des Regierungschefs auf acht Jahre begrenzt. Nach der Rechnung der Opposition sind diese acht Jahre nun vorbei. Das Verfassungsgericht hat jetzt entschieden, eine entsprechende Petition von Oppositionsabgeordneten zu prüfen. Solange das Verfahren läuft, haben die Richter Prayuth Arbeitsverbot erteilt. 

Die Länge einer Amtszeit sollte doch einfach zu klären sein.

Theoretisch ja. Noch im Jahr des Putsches, genau genommen am 24. August 2014, ließ sich Prayuth vom mittlerweile verstorbenen König Bhumibol Adulyadej als Premierminister bestätigen. Das Prayuth-Lager argumentiert aber so: Die Messung der Amtszeitlänge sollte erst 2017 beginnen, da damals die vom Militär entworfene Verfassung in Kraft trat. Oder 2019: Damals gewann Prayuth die ersten Wahlen nach dem Putsch.

Wie hat Prayuth Thailand bisher regiert?

Prayuth hat einen autoritär-populistischen Politikstil. Nach dem Putsch 2014 verfolgte die Junta unter seiner Führung Oppositionelle. Die lange hinausgezögerten Wahlen 2019 waren nicht wirklich frei und fair. Auch nach den Wahlen hat Prayuths Regierung die Justiz gegen Kritiker vorgehen lassen. In konservativen Kreisen war Prayuth aber lange Zeit nicht unbeliebt. Zuletzt hat er allerdings an Popularität verloren, auch weil sich Thailand unter seiner Amtszeit wirtschaftlich nur sehr langsam entwickelt hat. Die wichtigen Gouverneurswahlen in Bangkok im Mai waren ein Desaster für seine Phalang Pracharat Partei - und damit auch für ihn.

Ist das also das Ende von Prayuths politischer Karriere?

Die Suspendierung ist sicherlich eine schwere Niederlage für ihn. Noch gilt es aber die endgültige Entscheidung der Richter abzuwarten. Beobachter rechnen damit, dass das Verfahren rund 30 Tage dauern wird. Sollten die Richter doch noch im Sinne Prayuths entscheiden, könnte er bei den nächsten Wahlen wieder antreten. Die werden spätestens im kommenden Mai stattfinden. Prayuth hat schon mehrere Krisen überstanden und wenn es ihm gelingt, die Reihen hinter ihm zu schließen, hat er gute Wahlaussichten - auch wegen eines unfairen Systems zur Wahl des Regierungschefs, das unter der Junta-Herrschaft etabliert wurde.

Was bedeutet die Suspendierung für die Demokratie in Thailand?

Die überraschende Suspendierung ist zunächst einmal ein Erfolg für die Opposition und sie könnte der zuletzt etwas erlahmten Demokratiebewegung neues Momentum verleihen. Die Entscheidung der Richter ist wirklich überraschend: In den bisherigen wichtigen Verfahren haben Gerichte immer im Interesse Prayuths und seiner Vertrauten geurteilt. Das Establishment hat die Institutionen so geformt, dass sie in der Regel den eigenen Interessen dienen. Deswegen bin ich auch nur vorsichtig optimistisch. Vielleicht stecken auch interne Machtkämpfe in Prayuths eigenem Lager dahinter, das ihn über diesen Weg absägen will.

Wer folgt auf Prayuth?

Der stellvertretende Regierungschef Prawit Wongsuwan wird die Geschäfte interimsweise übernehmen. Er stammt ebenfalls aus dem Militär, ist ein langjähriger Weggefährte Prayuths und hat mit ihm 2014 den Putsch organisiert. Es gibt allerdings immer wieder Gerüchte darüber, dass sich die beiden voneinander entfremdet haben. Einige Beobachter sehen in Prawit sogar den eigentlichen Strippenzieher der Regierung. Thailands Demokratie-Aktivisten werden sich deswegen auch nicht mit der Suspendierung Prayuts zufriedengeben. Sie fordern tiefe strukturelle Reformen und eine demokratischere Verfassung - beides scheint derzeit noch in weiter Ferne.

Frederic Spohr ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Thailand.