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Zollstreit
Ostasien zwischen Washington und Peking

Südkoreas Regierung kommt US-Präsident Donald Trump sehr entgegen – zu sehr, finden diese Demonstranten in Seoul.

Südkoreas Regierung kommt US-Präsident Donald Trump sehr entgegen – zu sehr, finden diese Demonstranten in Seoul.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Lee Jin-man

Japan, Südkorea und Taiwan setzen im Zollstreit auf Deeskalation gegenüber den USA. Europa sollte das Verhalten der ostasiatischen Demokratien beobachten. Es steckt in einem ähnlichen Dilemma.

Ostasiens Demokratien treiben im Zollstreit mit den USA die Verhandlungen voran: Südkoreas Finanzminister Choi Sang-mok sowie Industrie- und Energieminister Ahn Duk-geun reisen zu Gesprächen nach Washington, eine japanische Delegation war bereits vergangene Woche dort.

Aus den bisherigen Gesprächen und Sondierungen lassen sich auch für Europa erste Rückschlüsse ziehen. Wer gehofft hatte, man könne gemeinsam mit den ostasiatischen Demokratien Druck auf die Amerikaner ausüben, wird enttäuscht: Weder Südkorea noch Japan streben derzeit eine gemeinsame Front mit der EU gegen Trumps Zollpolitik an. Auch untereinander koordinieren sie sich kaum. Beide Länder setzen auf eine rasche Deeskalation – notfalls durch weitreichende Zugeständnisse.

Dabei geht es nicht nur um Handel. Trump fordert von seinen asiatischen Verbündeten höhere Energieimporte und Investitionen in den USA, eine neue Lastenteilung in der Verteidigung sowie bessere Rahmenbedingungen für amerikanische Tech-Konzerne. Ein positives Signal ist, dass Trump die Gespräche offenbar ernst nimmt. Obwohl Japans Delegation lediglich vom Minister für Wirtschaftsbelebung Ryōsei Akazawa geleitet wurde, erschien der US-Präsident spontan persönlich am Verhandlungstisch – ein deutliches Zeichen seines Interesses an einem erfolgreichen Abschluss.

Geopolitische Gratwanderung zwischen China und den USA

Die Zollstreitigkeiten haben eine geopolitische Dimension. Japan und Südkorea sind direkte Nachbarn Chinas, Trumps eigentlichen Gegenspieler. Für beide Staaten ist China der wichtigste Handelspartner – für Südkorea auch der wichtigste Exportmarkt, für Japan der zweitwichtigste. Gleichzeitig sind beide ebenfalls mit den USA eng wirtschaftlich verbunden. Und sie sind auf deren militärischen Schutz der USA angewiesen: In Japan sind rund 50.000 US-Soldaten stationiert, in Südkorea etwa 28.500. Die Handelspolitik ist eng mit sicherheitspolitischen Fragen verknüpft – und zwingt beide Länder zu einem diplomatischen Drahtseilakt.

Diese Lage ähnelt der Situation Europas. China ist der drittwichtigste Handelspartner der EU, hinter den USA und dem Vereinigten Königreich. Gleichzeitig setzen auch die Europäer in ihrer Verteidigungspolitik bisher auf die Amerikaner.

Konzilianz statt Konfrontation

Im Gegensatz zur EU verzichten Ostasiens Demokratien auf die Androhung von Gegenmaßnahmen. Seoul hat Vergeltungszölle ausdrücklich ausgeschlossen und will stattdessen besonders betroffene Branchen unterstützen. In Taipei versprach kurz nach Trumps Zollankündigungen Präsident Lai Ching-te, Taiwan werde künftig mehr Waffen, Energie und Lebensmittel aus den USA importieren. Er schlug außerdem vor, alle Zölle zwischen den USA und Taiwan komplett abzuschaffen. Auch Tokio dürfte keine Gegenzölle verhängen – nicht zuletzt wegen seiner Abhängigkeit von US-Importen bei Gas und Lebensmitteln. Strafzölle würden die Inflation weiter anheizen – ein Risiko, das die japanische Regierung unbedingt vermeiden will.

Die Schwierigkeit des Spagats der Ostasiaten zwischen Peking und Washington dürfte sich in den kommenden Monaten noch verschärfen. Laut Medienberichten strebt die Trump-Administration an, China zu isolieren. Im Gegenzug zu US-Zollvergünstigungen sollen Staaten wie Japan und Südkorea chinesische Gütertransporte blockieren, Niederlassungen chinesischer Firmen verhindern und eigene Zölle auf Billigimporte aus China erheben. Ein Indiz für diese Strategie ist der Aufschub von 90 Tagen für einen Großteil der angedrohten US-Zölle für rund 70 Länder – darunter Japan, Südkorea, Taiwan und die EU. Für China erhöhte Trump dagegen die Zölle auf 145 Prozent.

China warnt unterdessen andere Staaten davor, auf die USA zuzugehen. „Beschwichtigung kann keinen Frieden schaffen, und Kompromisse können keinen Respekt einbringen“, erklärte ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums. „China lehnt es entschieden ab, wenn eine Partei ein Abkommen auf Kosten ihrer Interessen erzielt. Sollte dies geschehen, wird China dies niemals akzeptieren und entschlossen Gegenmaßnahmen ergreifen.“

Die Volksrepublik setzt nicht nur auf Druck, sondern auch auf Annäherung. Kurz vor Trumps Ankündigung globaler Zölle trafen sich die Handelsminister Chinas, Japans und Südkoreas und kündigten an, ein seit Jahren geplantes, trilaterales Freihandelsabkommen voranzutreiben. Chinesische Staatsmedien behaupteten sogar, es sei eine gemeinsame Reaktion auf die US-Zölle vereinbart worden. Seoul und Tokio dementierten prompt.

Ein trilaterales Abkommen Chinas, Japans und Südkoreas erscheint noch in weiter Ferne. Die Verhandlungen begannen 2012 und wurden immer wieder durch geopolitische Spannungen, historische Konflikte und Protektionismus blockiert. Zudem konkurrieren insbesondere japanische und südkoreanische Industrien direkt miteinander.

Vor allem aber sitzt das Misstrauen Japans und Südkoreas gegenüber China tief. Beide haben mehrfach erlebt, wie China Handel als politisches Druckmittel einsetzte – etwa durch Exportverbote für seltene Erden. Seoul wurde 2017 Ziel einer chinesischen Zermürbungskampagne mit Boykotten von Produkten aus Südkorea, nachdem das US-Raketenabwehrsystem THAAD im Land stationiert worden war.

Die USA mögen unter Trump ein unbequemer Partner sein. Aber auch China hat keinerlei Skrupel, seine politischen Interessen mit Macht durchzusetzen. Solange es Trump nicht überzieht, bleiben die USA der wichtigere Partner für Asiens Demokratien.

Amerikanisches Gas für Asien

Trumps Strategie scheint aufzugehen. In Handelsfragen signalisieren die Japaner ihre Bereitschaft, Sicherheitsstandards für Autos zu senken. Zudem plant Japan Investitionen in ein lang geplantes Pipelineprojekt in Alaska, um künftig mehr US-Gas zu importieren und so das Handelsdefizit zu reduzieren. Die 1.280 Kilometer lange Leitung soll vom Norden Alaskas bis zur Südküste des Bundesstaates führen, wo das Erdgas verflüssigt und nach Asien verschifft werden kann. Auch Südkorea und Taiwan könnten sich daran beteiligen. Das Projekt lag lange auf Eis, erhält nun aber Rückenwind.

Auch Verteidigungsausgaben standen bei den US-Gesprächen mit Japan auf der Agenda. Als Trump seine direkte Beteiligung an den Verhandlungen per Social Media ankündigte, ließ er dabei wissen, dass auch über „die Kosten militärischer Unterstützung“ gesprochen werde. Japan hat inzwischen angeboten, sein sicherheitspolitisches Engagement im Pazifik auszuweiten – als Zeichen der Loyalität gegenüber den USA und zur Eindämmung Chinas.

Auch die US-Gespräche mit Südkorea dürften sich um Verteidigungskosten drehen. Derzeit zahlt Seoul jährlich rund eine Milliarde US-Dollar für die Stationierung amerikanischer Truppen. Unter der Biden-Regierung verhandelten die USA und Südkorea im vergangenen Jahr eine Erhöhung des Betrags um 8,3 Prozent, die 2026 in Kraft treten soll. Doch Trump hält das weiterhin für zu niedrig. Südkoreas Interimspräsident Han ließ in einem Interview mit der Financial Times offen, ob er einer weiteren Erhöhung zustimmen würde.

Digitalpolitik wird zum Verhandlungsgegenstand

Druck droht Südkorea auch auf einem anderen Feld: dem digitalen Markt. Bisher verweigert Seoul dem US-Konzern Google den Zugang zu hochauflösenden Geodaten. Google Maps ist im Land daher weitgehend unbrauchbar. Südkorea begründete dies stets mit nationalem Sicherheitsinteresse. Von der Maßnahme profitierten aber heimische Anbieter wie Naver oder Kakao. Nun erwägt Südkorea wohl, den Amerikanern besseren Zugang zu gewähren.

Trump kann auf wenig Widerstand hoffen. Südkoreas Interimspräsident Han Duck-soo gab sich vor der Abreise seiner Minister nach Washington wenig kämpferisch: „Unsere industrielle Leistungsfähigkeit, unsere finanzielle Entwicklung, unsere Kultur, unser Wachstum und unser Wohlstand sind in hohem Maße der Hilfe der Vereinigten Staaten zu verdanken“, sagte Han der Financial Times. Angesichts dieser Dankbarkeit werde Südkorea sich bemühen, Lösungen zu finden, die für beide Seiten vorteilhaft seien.

Frederic Spohr leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul. Die Praktikantinnen Wencke Rynek und Zeynep Gezen arbeiteten an seinem Text mit.