Studienreise
America First in der Praxis: Beobachtungen im Rahmen unserer internationalen Delegation zu Handel und Wirtschaft
Studienreise
Hintergrund und politische Ausgangslage
Die Wahl von Donald J. Trump im Jahr 2024 fußte stark auf wirtschaftlicher Unzufriedenheit und sozialen Spannungen in den USA. Vor seiner Amtsübernahme war die Wirtschaft durch schwaches Wachstum, hohe Inflation und die Nachwirkungen der Corona‑Krise belastet. Zugleich spielten Migration und der Verlust von Arbeitsplätzen in traditionellen Industrien eine zentrale Rolle im Wahlverhalten vieler Amerikaner.
Dieses Mandat ermöglichte Trumps Politikansatz: eine Kombination aus nationaler Sicherheitsrhetorik, protektionistischer Handelspolitik und gezielter Förderung heimischer Industrien. Bekannt unter der Strategie „America First“.
Handelspolitik in zwei Phasen: Zölle und bilaterale Abkommen
Die Umsetzung seiner Handelspolitik lässt sich in zwei Phasen gliedern:
Phase 1: Zölle wurden einseitig auf Stahl, Aluminium und später auf ausgewählte High‑Tech‑Produkte aus China verhängt. Instrumente wie Section 232 des Trade Expansion Act von 1962 und Section 301 des Trade Act von 1974 ermöglichten rasche protektionistische Maßnahmen mit dem Ziel, Handelsdefizite zu reduzieren, die heimische Industrie zu schützen und Verhandlungspartner unter Druck zu setzen.
Phase 2: Aufbauend auf dieser Zollphase folgten bilaterale Handelsabkommen, die gezielte Zugeständnisse von Partnern erzwingen sollten. Ziel war es, Lieferketten neu zu ordnen und kritische Sektoren wie Halbleiter, KI‑Hardware und E‑Mobilität strategisch abzusichern.
So verpflichteten sich Länder wie Indien im Rahmen von Abkommen zur Abnahme von US‑Getreide, während andere Partner vor allem Sojabohnen importierten. Kambodscha hob Zölle auf US‑Waren vollständig auf, Malaysia setzte eine stufenweise Reduktion um, und zahlreiche Abkommen enthalten Regelungen zu künftigen Einschränkungen chinesischer Produkte. Viele dieser Vereinbarungen beinhalten zugleich Käufe von US‑Gütern wie LNG, Flugzeugen, Halbleitern und Telekommunikationsausrüstung und binden die Partnerländer dadurch stärker an Investitionen in die USA.
Ein markantes Beispiel ist das Abkommen zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) vom 21. August 2025: Die EU erklärt die Abschaffung von Zöllen auf amerikanische Industrie‑ und Agrargüter, während die USA zugesagt haben, für bestimmte Industrieprodukte einen kombinierten Zollsatz von maximal 15 % anzuwenden.
Diese zweistufige Strategie spiegelte Trumps Wählerauftrag wider: wirtschaftliche Stabilisierung, Schutz von Arbeitsplätzen und technologische Unabhängigkeit verbunden mit dem Narrativ, dass die USA ihre globale Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität wiederherstellen müssen.
Gespräche in Washington: Handel, Technologie und Lieferkette
Vor diesem Hintergrund haben wir eine Delegation von internationalen Wirtschafts‑ und Handelsexperten aus unserem globalen Netzwerk nach Washington D.C. und New York City eingeladen, um Einblicke in US‑Handelspolitik, Technologieinvestitionen, Lieferkettenrisiken und multilaterale Institutionen zu gewinnen. Ziel war es, Strategien für eine resilientere und wettbewerbsfähigere Wirtschaft zu identifizieren sowie ein internationales Netzwerk zu schaffen, das über Landesgrenzen hinweg besteht.
Die Gespräche in Washington verdeutlichten die Komplexität der amerikanischen Handelspolitik. Nach aktuellen Einschätzungen liegt die durchschnittliche effektive Zoll‑ bzw. Importtarifrate der USA im Jahr 2025 bei grob 15 %, mit einem Risiko, auf 18–20 % oder höher zu steigen, wenn die angekündigten „reziproken Zölle“ voll implementiert werden.
Die Treffen in der Hauptstadt zeigen, dass die direkten Auswirkungen auf Verbraucherpreise moderat sind, während Unternehmen den Großteil der Tarifkosten tragen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen stehen vor erheblichen Anpassungskosten bei Lieferketten‑ und Produktionsverlagerungen. Gleichzeitig wird deutlich, dass sich die US‑Handelspolitik von einem strikt freihandelsorientierten Ansatz hin zu selektivem Protektionismus bewegt. Handelsdefizite werden zunehmend als nationale Sicherheitsfrage interpretiert, was zu Spannungen zwischen wirtschaftlicher Effizienz und strategischen Interessen führt. Die strategische Entkopplung betrifft vor allem kritische Sektoren wie Halbleiter, E‑Mobilität und KI‑Hardware. Eine vollständige Trennung von China wäre wirtschaftlich problematisch, sodass die USA gezielt differenzierte Handelsstrategien verfolgen.
Ein zentrales Thema der Delegationsreise war die Resilienz globaler Lieferketten. Die Pandemie, geopolitische Konflikte wie der Ukraine‑Krieg und Energiepreisrisiken haben die Verwundbarkeit von Lieferketten offengelegt. Die US‑Politik setzt daher auf Diversifikation von Lieferanten und den Ausbau von Infrastruktur, um eine Rückverlagerung von Produktion zu erleichtern und Abhängigkeiten zu reduzieren. Kleine und mittlere Unternehmen stehen jedoch vor erheblichen Herausforderungen, da infrastrukturelle Lücken und logistische Engpässe ihre Anpassungsfähigkeit einschränken. Technologische Investitionen, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz, spielen eine Schlüsselrolle für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Die Delegation konnte beobachten, dass US‑Unternehmen deutlich höhere Investitionen in KI und datengetriebene Produktion tätigen als europäische Unternehmen. Kurzfristig können Arbeitsplätze durch Automatisierung verloren gehen, mittelfristig entstehen jedoch neue Spezialisierungen und Effizienzgewinne. KI wird somit zu einem entscheidenden Treiber für Wachstum, Innovation und globale Marktanteile. Die Energieinfrastruktur erweist sich dabei als wichtiger Standortfaktor: Die USA profitieren von vergleichsweise niedrigen Energiepreisen, die insbesondere für energieintensive Rechenzentren und High‑Tech‑Produktionen von Bedeutung sind. Gleichzeitig zeigt die Reise, dass langfristig eine nachhaltige Energiepolitik notwendig ist, um Wettbewerbsfähigkeit und Klimaziele in Einklang zu bringen.
Die Delegation stellte wiederholt die zentrale Frage, ob die protektionistische Handelsstrategie der USA nach dem Ende von Trumps Amtszeit fortbestehen wird. Obwohl Experten keine definitive Antwort liefern konnten, hoben sie die nachhaltige Veränderung der US-Denkweise hervor, in der die Kulturalisierung eine entscheidende Rolle spielt. Diese Verschiebung manifestiert sich in der Rhetorik des Weißen Hauses, die Handelsdefizite als unfair gegenüber den USA darstellt. Trotz der materiellen Vorteile des globalen Handels tendieren die Amerikaner nun stärker zu einer „America First"-Mentalität und unterstützen Zölle. Dieser Protektionismus geht jedoch oft auf Kosten der US-Verbraucher, da Zölle letztlich von ihnen getragen werden. Ein Beispiel dafür ist North Carolina, ein Zentrum der Möbelindustrie: Unternehmer und Kunden sehen die Ursache für Geschäftsprobleme primär in China und nicht in der Handelspolitik der eigenen Regierung. Die USA haben gemäß Section 232 Zölle auf Importe wie Schnittholz, Weichholz, Polstermöbel und fertige Küchenschränke verhängt, basierend auf der Begründung, dass eine Schwächung der inländischen Produktionskapazität und die erhöhte Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellen. Daher ist zu befürchten, dass diese Kulturalisierung und Denkweise auch nach dem Ende von Trumps Amtszeit beibehalten wird. Selbst wenn die Handelspolitik der Regierung negative Folgen für die heimische Wirtschaft hat, kann das Weiße Haus der Bevölkerung versichern, dass die Verantwortung dafür bei externen Akteuren liegt.
Gespräche in New York: Globale Investitionen und strategische Perspektiven
In New York lag der Fokus auf internationalen Investitionsströmen, globalen Handelsdynamiken und institutionellen Rahmenbedingungen. Die Weltwirtschaft zeigt erste Erholungstendenzen mit geschätztem Wachstum von etwa 2,8 %. Besonders der Handel zwischen Ländern des globalen Südens wächst, während geopolitische Unsicherheiten und fragmentierte Lieferketten Risiken bergen. Subventionen unter der Biden-Regierung wie zum Beispiel der Inflation Reduction Act spielten eine bedeutende Rolle als Marktinterventionen, während Zölle selbst nur begrenzte Effekte auf Verbraucherpreise haben. Lieferkettenrisiken bleiben hoch, insbesondere in Sektoren wie Halbleiter und Automobil, da Rohstoff‑ und Vorprodukt‑Engpässe in China global auf Produktion und Preise wirken. Multilaterale Organisationen wie die World Trade Organization haben an Glaubwürdigkeit verloren, sodass Länder verstärkt bilaterale Mechanismen und strategische Diversifikation nutzen, um Unsicherheiten zu reduzieren und stabilere Handelsbedingungen zu schaffen. Marktdiversifikation und Risikomanagement zeigen sich als zentrale Erfolgsfaktoren: Unternehmen setzen auf regionale Partnerschaften und unterschiedliche Beschaffungsstrategien, um geopolitischen Herausforderungen zu begegnen. So wächst zurzeit auch der so genannte Süd-Süd Handel, der als kollektive Gegenmaßnahme gegen potenzielle wirtschaftliche Zwänge seitens protektionistischer USA oder einer zunehmend fragmentierten Welt dient.
In New York wurden Trumps Handelspolitik und die Fragilität globaler Lieferketten erneut als Weckruf für die Welt und insbesondere für Europa hervorgehoben. Die Einführung umfassender Strafzölle gegen China hat die Weltwirtschaft dazu gezwungen, ihre tiefe Abhängigkeit von der Volksrepublik zu erkennen und diese kritischen Abhängigkeiten zu überdenken – eine Entwicklung, die sich letztendlich auch als vorteilhaft erweisen könnte.
Fazit und Empfehlungen für politische Maßnahmen
Die Delegationsreise verdeutlichte, dass die USA trotz protektionistischer Maßnahmen und geopolitischer Spannungen eine starke und resiliente Wirtschaft darstellen. Zölle, gezielte Investitionen in Technologie und die Diversifikation von Lieferketten schaffen ein Umfeld, in dem Unternehmen flexibel auf neue Herausforderungen reagieren können. Wirtschaftliche Stabilität, strategische Unabhängigkeit und technologische Wettbewerbsfähigkeit sind eng miteinander verknüpft, und international vernetzte Kooperationen bleiben entscheidend für langfristigen Erfolg.
Abschließend lässt sich festhalten, dass eine zukunftsfähige Handelspolitik auf Offenheit, Innovation und Resilienz setzen sollte. Die Diversifizierung von Handelsbeziehungen und Lieferketten stärkt die wirtschaftliche Stabilität und reduziert Abhängigkeiten, während Investitionen in Künstliche Intelligenz und datengetriebene Produktion entscheidende Wachstumschancen eröffnen. Gleichzeitig benötigen kleine und mittlere Unternehmen gezielte Unterstützung, um flexibel auf Marktveränderungen reagieren und von internationalen Kooperationen profitieren zu können. Nur durch die Kombination dieser Maßnahmen lassen sich langfristige Wettbewerbsfähigkeit, technologische Souveränität und wirtschaftliche Freiheit im Sinne eines liberalen, marktorientierten Ansatzes sichern.
Quellenverzeichnis
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