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USA & Taiwan
Freihandelsabkommen zwischen USA und Taiwan: Die Zeit ist reif

Container im Hafen von Keelung im Nordosten von Taiwan.
Container im Hafen von Keelung im Nordosten von Taiwan. © picture alliance / NurPhoto | Ceng Shou Yi  

Taiwan und die USA haben keine offiziellen diplomatischen Beziehungen, auf wirtschaftlicher Ebene ist man aber eng verbunden. Taiwan ist auf die amerikanischen Rüstungsexporte angewiesen, die USA auf die Halbleiterprodukte von TSMC. Beides sind freie Marktwirtschaften – weshalb gibt es noch kein Freihandelsabkommen?

Die Vereinigten Staaten von Amerika beendeten ihre diplomatischen Beziehungen zur Republik China auf Taiwan im Jahr 1979, als sie stattdessen diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China aufnahmen. Dieser Wechsel der diplomatischen Anerkennung bedeutete aber keineswegs das Ende der Beziehungen, sondern vor allem einen neuen Modus. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Taiwan sind weiterhin eng: Taiwan ist heute der neuntgrößte Handelspartner der USA, noch vor Ländern wie Indien oder Frankreich. Oder in Zahlen ausgedrückt: Im Jahr 2020 betrug der Gesamtwarenhandel zwischen Taiwan und den USA ein Volumen von 90 Milliarden USDn. Bereits 1994 haben daher beide Seiten ein Rahmenabkommen über Handel und Investitionen (TIFA) unterzeichnet.

Seit 2007 allerdings lagen die Gespräche brach, mit Unterbrechungen in den Jahren 2013 bis 2016. Größter Streitpunkt: Taiwans Weigerung, Rind- und Schweinefleisch zu importieren, welches Ractopamin beinhält. Ractopamin sorgt dafür, dass die Tiere während der Mast mehr Muskeln statt Fett ansetzen, die Substanz ist in der EU nicht zugelassen. Auch heute sind in Taiwan an vielen Restaurants Aufkleber zu sehen, die darauf hinweisen, dass hier kein amerikanisches Fleisch verwendet wird. Die EU hat übrigens kein Freihandelsabkommen mit Taiwan, es gibt nur einen “strukturierten Dialog”. Im Juni verabschiedete der Internationale Handelsausschuss des Europäischen Parlaments eine “Stellungnahme” ohne Gegenstimmen, in der Explizit die Aufnahme von Gesprächen mit Taiwan für ein Investitionsabkommen gefordert wurde.Fast zur gleichen Zeit gaben die Handelsvertreterin der USA und ihr Amtskollege aus Taiwan bekannt, dass die Gespräche im Rahmen von TIFA zwischen den USA und Taiwan zum Ende des Monates wieder aufgenommen werden sollen.

Woher kam der Sinneswandel in Washington und Taipei? Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen verkündete nach ihrem Wahlsieg im August 2020, das Verbot von Ractopamin aufheben zu wollen. Das hat in Taiwan zu großem Widerstand geführt und die Aufhebung des Verbots ist Teil eines nicht-bindenden Referendums im Dezember 2021. Diese Ankündigung hat es der amerikanischen Seite sicherlich leichter gemacht, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Hinzu kommt, dass die weltweite Coronapandemie einige empfindliche Punkte der Weltwirtschaft klar aufgezeigt hat, konkret: Die Abhängigkeit von den globalen Lieferketten, und den weltweiten Mangel an Computerchips. Einer der größten und fortgeschrittensten Hersteller von Computerchips weltweit, ist die taiwanische Firma TSMC, und amerikanische Firmen wie Apple sind abhängig von der Zulieferung der TSMC Chips.

Gemeinsame Interessen, großes Handelsvolumen und Interdependenzen – das sind alles gute Gründe für ein Freihandelsabkommen. Nur das genau ist TIFA nicht. Es ist ein Forum in dem Vertreter beider Seiten Probleme im Bereich Handel und Investition schnell und bilateral besprechen und lösen sollen. Eine Art Vorstufe für ein Freihandelsabkommen.

Momentum für ein Abkommen

Nun aber scheinen die Vorzeichen dafür endlich gut zu stehen. Die Pandemie und der weltweite Mangel an Chips haben den USA vielleicht nochmals deutlicher vor Augen geführt, wie stark die Abhängigkeit der eigenen von der taiwanischen Wirtschaft ist. Die Beziehungen der USA zu Taiwan haben sich deutlich intensiviert – so sehr, dass die USA wohl darüber nachdenken, Taiwan zu erlauben, seine Vertretung in Washington „Taiwan Vertretung“ anstatt des Peking genehmen „Taipei Vertretung“ zu nennen.

Und auch im US-Kongress scheint es ein hohes Maß an Unterstützung für ein Abkommen mit Taiwan zu geben. Noch in Präsident Donald Trumps Amtszeit gab es erste parteiübergreifende Schreiben an den damaligen US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer. Darin wurde gefordert, mit der Arbeit an einem umfassenden Handelsabkommen mit Taiwan zu beginnen. 2020 wurde zudem einstimmig der Taiwan International Protection and Enhancement Initiative (TAIPEI) Act beschlossen, welcher den US-Handelsbeauftragten dazu aufforderte, die bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Taiwan weiter zu stärken.

Und auch auf der taiwanischen Seite stehen die Zeichen gut. Auf Grund der Situation mit der Volksrepublik hat sich Taiwan traditionellerweise immer sehr an den USA orientiert. Das gilt im besonderen Maße für den Bereich der Rüstung und Sicherheit, wo Taiwan darauf angewiesen ist, modernes Gerät von den USA importieren zu können. Und dann ist da noch Präsidentin Tsai: Ihre bisherige Politik in ihrer zweiten Amtszeit zeigt, dass sie ein starkes Interesse an einem Freihandelsabkommen mit den USA hat. Ihre Aufhebung des Ractopamin-Verbotes ist ein erster Indikator dafür. Dazu kommt, dass Tsai bereits in ihrer zweiten und damit letzten Amtszeit ist. Das gibt ihr mehr Möglichkeiten, auch in Taiwan unpopulärere Kompromisse zu akzeptieren um ein Abkommen möglich zu machen.

Es scheint also, dass es gerade ein Momentum für ein Abkommen gibt. Unter dem Eindruck der Pandemie und dem Handelskonflikt mit China gibt es auf US-amerikanischer Seite ein gesteigertes Interesse an einem Abkommen, was sogar die Parteigrenzen überschreitet. Auf der taiwanischen Seite steht die taiwanische Präsidentin, die das politische Kapital und die Freiheit hat, sich dafür einzusetzen, weil sie nicht wiedergewählt werden kann. Die Bedingungen sind günstig, die Situation ernst – es bleibt zu hoffen, dass die beiden Parteien diese Chance nicht versäumen.

 

Anna Marti leitet das FNF Büro in Taipei, Taiwan.

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