EN

Coronavirus
Quarantäne-Bootcamp – der etwas andere Vietnamurlaub

Dr. Andreas Stoffers, Leiter des Stiftungsbüros in Hanoi, berichtet über die drastischen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie in Vietnam
Touristen am Flughafen in Hanoi
Touristen am Flughafen in Hanoi, Vietnam © picture alliance/Michal Krumphanzl/CTK/dpa

Wer nach Vietnam möchte, muss nach Ankunft in Quarantäne. Das betrifft nicht nur westliche Urlauber oder Geschäftsleute, sondern auch Vietnamesen, die eigentlich im Ausland leben. Viele von ihnen setzen alles daran, vermeintlichen oder echten Epizentren der Pandemie in Europa zu entfliehen und in ihre asiatische Heimat zu gelangen.

Wer seit Mitte März nach Vietnam einreist, wird isoliert. Ein deutscher Geschäftsmann fand sich kurz nach seiner Ankunft in einem 3-Sterne-Hotel in Hanois Ly Thuong Kiet Straße wieder - unter Quarantäne. Von der Außenwelt abgeschnitten kommt er erst nach zwei Wochen wieder auf freien Fuß. Dabei ergeht es ihm noch relativ gut. Andere, vorrangig Touristen und zurückkehrende Auslandsvietnamesen, wurden nach ihrer Ankunft zwecks Quarantäne in nicht allzu bequeme Unterkünfte verfrachtet, zum Beispiel in Militärschulen. Allein in der Son Tay Militärschule nahe Hanoi sind nun insgesamt 776 Menschen isoliert. Es ist bereits die zweite Gruppe. Zuvor hatten vietnamesische Rückkehrer aus Südkorea ihre 14-tägige Quarantäne in der Militärschule hinter sich gebracht. Für Gäste aus Europa werden nun auch alte, eigentlich stillgelegte Krankenhäuser vorbereitet, zum Beispiel im Me Linh Distrikt in der Nähe von Hanoi. Insgesamt hat das vietnamesische Militär 60.000 Quarantäneplätze hergerichtet, überwiegend für zurückkehrende Landsleute und für eine kleinere Zahl von zu erwartenden Westlern, aber auch für tatsächlich Erkrankte sowie für Gefährdete. Eine Berlinerin, die als Touristin nach Vietnam eingereist war, wurde mit 30 anderen westlichen Touristen in einer Militärschule einquartiert. Die Unterkunft habe „Bootcamp-Charakter“, sagt sie. Da manche aus der Gruppe erkrankten, wurde die Quarantäne für alle verlängert. Glücklicherweise wurde die Berlinerin inzwischen in ein einfaches Hotel umquartiert.

Seit Wochen werden Einreisende - oft aus China und Südkorea, aber auch aus Europa – in Vietnam isoliert. Nun, seit Mitte März, ist die Einreise für EU-Bürger praktisch unmöglich. Sie brauchen plötzlich Visa, und die werden nicht mehr ausgestellt. Sicherlich kann man Touristen, die im Februar oder Anfang März noch einreisten und unter Quarantäne gestellt wurden, eine gewisse Blauäugigkeit vorwerfen. Immerhin hatte die WHO schon am 30.1.2020 den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Allerdings hätten die deutschen Behörden und Reiseanbieter bereits im Februar thematisieren müssen, wie ernst die Situation ist und wie rigoros Vietnam seine Bevölkerung schützen möchte. Bei rechtzeitiger Warnung wäre einigen Deutschen der unfreiwillige Aufenthalt in einem Militärlager erspart geblieben.

Anders als die EU-Länder hatte Vietnam sehr schnell auf die Bedrohung durch das Corona-Virus reagiert. Bereits ab Ende Januar waren Schulen und Universitäten geschlossen. Die Bevölkerung wurde durch eine breite, aber keineswegs aufgeregte Medienkampagne sensibilisiert. Ab Februar waren – abgesehen von westlichen Ausländern, die sich dem meist entzogen – Gesichtsmasken allgegenwärtig. Desinfektionsmittel wurden überall bereitgestellt. Inzwischen sind Masken an öffentlichen Orten verpflichtend. Jeder hält sich daran. Die Supermärkte sind noch gut gefüllt. Allerdings wurden in den vergangenen Tagen in manchen Städten Restaurants geschlossen. Ohnehin macht sich der ausbleibende Touristenstrom überall bemerkbar. Ganz ohne Anordnungen von oben bleiben viele Restaurants und Hotels leer. Das Hotel Metropole Hanoi, das älteste Hotel des Landes, hat zwar geöffnet – aber es macht einen gespenstischen Eindruck. Die meisten Touristen sind längst abgereist. Mittlerweile haben alle vietnamesischen Fluglinien ihre Auslandsrouten eingestellt. Mit einer der letzten Vietnam Airlines-Maschinen gelang es dem deutschen Praktikanten der Stiftung noch die Ausreise. Der Stiftungsmitarbeiter Trinh Binh Minh, ein Deutscher mit vietnamesischen Wurzeln, zieht es vor, in Vietnam zu bleiben. „Die Situation in Vietnam ist irgendwie besser unter Kontrolle als in Deutschland“, findet Minh. Unter den anderen Deutschen vor Ort gehen die Meinungen auseinander. Die einen wollen „die Sache“ in Vietnam aussitzen - andere wollen wegen Sorge um Angehörige oder wegen beruflicher Verpflichtungen nach Deutschland reisen. Für die verbliebenen Deutschen ist das Leben außerhalb der „Quarantäne-Bootcamps“ noch halbwegs normal. Die frühen und energischen Maßnahmen der Regierung scheinen zu wirken: Vietnam hat bislang 163 Corona-Fälle und keine Toten (Stand: 27.03.2020). 

 

Dr. Andreas Stoffers ist Projektleiter des Stiftungsbüros in Vietnam, mit Sitz in Hanoi.