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US MIDTERM ELECTIONS 2022
Besser als erwartet

Eine Analyse der Midtermergebnisse
Kapitol
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | J. Scott Applewhite

Die Wahllokale in den USA haben schon lange geschlossen, in einzelnen Bundesstaaten wird die Stimmenauszählung allerdings noch einige Tage dauern. Das wichtigste Ergebnis der Wahl ist inzwischen jedoch klar: Die von vielen erwartete „rote Welle“ – also ein Erdrutschsieg der Republikaner, ist ausgeblieben. Den Demokraten ist es gelungen, den Senat zu halten. Die Republikaner erreichen eine Mehrheit im Repräsentantenhaus – diese ist jedoch wider Erwarten mehr als knapp. Selbst bei den Gouverneurswahlen mussten die Republikaner in einigen als sichere Gewinne vermuteten Staaten herbe Niederlagen einstecken. Ein solcher Wahlausgang der Zwischenwahlen ist in den USA sehr selten. Seit 1922 ist hat es bisher nur dreimal vergleichbare Ergebnisse gegeben. Die Demokraten müssen als Sieger dieser Wahl bezeichnet werden.

Im Vorfeld hätte der Tisch für die Republikaner nicht prächtiger gedeckt sein können, was sich auch in den Umfragen und der allgemeinen Stimmung in der Partei zeigte. Die Parteien gingen in einer Zeit mit hoher Inflation, einer schwächelnden Wirtschaft und einer geringen Popularität des Präsidenten in den Wahlkampf. Viele Amerikaner sind unzufrieden mit der Entwicklung der USA insgesamt. Die Weltlage mit einem Krieg in Europa und einer immer stärkeren Konfrontation mit China bereitet den US-Bürgern Kopfschmerzen. All das sind Indikatoren, die auf einen großen Vorteil für die Partei in der Opposition, die Republikaner, deuten. Dennoch ist ein entscheidender Wahlsieg der Republikaner ausgeblieben. Warum?

Trump-Hardliner in Swing States

Die Erklärung liegt vor allem in den Kandidaten, die für die Republikaner gegen die Demokraten angetreten sind. Genauer gesagt: In deren Persönlichkeit und Radikalität. Besonders in den Swing States, also den Staaten, in denen die Mehrheiten oft wechseln, haben die Republikaner zum Teil absolute Trump-Hardliner ins Rennen gegen die Demokraten geschickt. Ein Beispiel ist der republikanische Senatskandidat in Arizona Blake Masters, der von Donald Trump persönlich massiv unterstützt wurde und der die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen 2020 nach wie vor bezweifelt und an eine Involvierung des FBI bei dem Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 glaubt. Für viele moderate Konservative und Wechselwähler sind solche Positionen nicht akzeptabel. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Pennsylvania, wo nicht nur der Demokrat John Fetterman den Sitz im Senat gegen Trumps Favorit Mehmet Oz gewonnen hat, sondern der Demokrat Josh Shapiro die Gouverneurswahl gegen den begeisterten Trump-Anhänger Doug Mastriano gewonnen hat.

In Georgia wird es trotz des kleinen Vorsprungs des demokratischen Kandidaten Raphael Warnock auf seinen Herausforderer Herschel Walker eine Stichwahl geben, die nach der Verfassung Georgias vorgesehen ist, wenn keine Seite mindestens 50 % der Stimmen erhält. Mit dem Sieg der Demokraten in Pennsylvania ist die demokratische Mehrheit im Senat zwar inzwischen gesichert, es ist aber zu erwarten, dass beide Parteien enorme Summen für die Stichwahl am 6. Dezember mobilisieren werden.

Trump kündigt Präsidentschaftskandidatur für 2024 an

Klar unterschätzt wurde in den Umfragen die Wahlbeteiligung junger Menschen, die mehrheitlich für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch sind und sich zudem von dem Slogan „Democracy is on the ballot“ (Die Demokratie steht zur Wahl) motivieren ließen, den Demokraten ihre Stimme zu geben, um von Trump unterstützte Kandidaten zu verhindern.  

Trotz der Niederlage vieler von ihm unterstützter Kandidaten ist Trump nun in die Offensive gegangen und hat seine Präsidentschaftskandidatur für 2024 angekündigt. Dabei machte er jedoch einen recht untypischen Eindruck. Sonderlich kämpferisch wirkte er nicht und auch sein Vortragsstil wirkte für seine Verhältnisse deutlich geerdeter und ruhiger. Aktuell steht der mit großer Mehrheit wiedergewählte Gouverneur von Florida Ron DeSantis bei den Republikanern für das Amt des Präsidenten ebenfalls hoch im Kurs. Es bleibt abzuwarten, ob sich hier ein Riss in der republikanischen Partei zwischen Trump-Loyalisten auf der einen Seite und Unterstützern DeSantis‘ auf der anderen Seite auftut. Eine gespaltene republikanische Partei würde die Siegeschancen bei der Wahl 2024 aber erheblich verringern.

Festzuhalten ist, dass die Demokraten nicht dank Biden dieses Ergebnis eingefahren haben, sondern eher trotz ihm. Der Verlust des Repräsentantenhauses wird die Demokraten zwar schwächen, für die Republikaner ist dies aber ein sehr getrübter Sieg. Mit dem Senat in demokratischer Hand und sogar der Option, nach der Wahl in Georgia gestärkt aus den Wahlen hervorzugehen, hätte es für die Demokraten kaum besser laufen können.

Die rote Welle ist ausgeblieben

Für die Demokraten hätte diese Wahlnacht ein Albtraum werden können, herausgestellt hat sie sich als ein guter Wahlabend für die demokratische Partei. Es wird sich zeigen, ob Biden in der Lage ist, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen und seine Umfragewerte zu verbessern.

Die Republikaner müssen sich nach dieser Wahl viele Fragen stellen: Hat man die eigene Wählerschaft falsch eingeschätzt? Sollte Trump nach wie vor die Rolle des Wortführers haben? Wie will man die Wahlversprechen mit einer hauchdünnen Mehrheit im Repräsentantenhaus umsetzen?

Eins kann man aber mit Gewissheit sagen: Die rote Welle ist ausgeblieben und das Land ist in vielen entscheidenden Fragen immer noch tief gespalten. Über Themen wie Einwanderung oder das Recht auf Schwangerschaftsabbruch sind sich die Lager nach wie vor uneins. Für die Demokraten wird es aber mit diesem Wahlergebnis etwas leichter, diesen Themen ihren Stempel aufzudrücken.