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Energiepolitik
Vorerst kein Wasserstoff marsch!

Wasserstoff Tankstelle Hamburg
Eine Wasserstofftankstelle in Hamburg © picture alliance / Laci Perenyi | Laci Perenyi

Wasserstoff ist der Hoffnungsträger der Energiewende. Man kann es nahezu emissionsfrei verbrennen und problemlos transportieren. Das macht das Gas zum idealen Ersatz für Kohle, Öl und Erdgas in Industrie und Verkehr. Allerdings sind viele politische Fragen, die für eine Marktreife notwendig sind, noch nicht geklärt.

Wird Wasserstoff per Elektrolyse mit überschüssigem Strom aus regenerativen Energiequellen erzeugt (sogenannter Grüner Wasserstoff), ist Wasserstoff die Lösung zum Erreichen von Klimaneutralität. Wasserstoff kann direkt verbrannt oder in Methan oder synthetische Kraftstoffe umgewandelt werden. Zudem kann Wasserstoff als Energiespeicher genutzt werden und somit während Dunkelflauten oder schwankender Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern die Energieversorgung sichern. Noch arbeiten Power-to-X-Projekte allerdings ausschließlich in kleinem Maßstab, oft in Pilotversuchen und alles andere als rentabel.

Wasserstoffbedarf

Laut einer aktuellen Studie von Aurora Energy Research soll der europaweite Bedarf an Wasserstoff bis 2050 auf 2500 Terrawattstunden pro Jahr steigen. Das ist achtmal so viel wie heute benötigt wird. Momentan wird Wasserstoff in großen Mengen fast ausschließlich in der Industrie verwendet, vor allem in der Ammoniakproduktion und in Raffinerien. Zusätzlich zu dem zunehmenden industriellen Bedarf wird ab 2030 auch ein großes Einsatzpotenzial für die Nutzung von Wasserstoff im Verkehrssektor, insbesondere beim Schwerlastverkehr und im Flugverkehr, sowie in der Wärmeerzeugung hinzukommen. Insbesondere Deutschland misst die Studie ein großes Potenzial als Produktionsort für Wasserstoff zu. Das hat mit der hohen industriellen Nachfrage, dem politischen Umfeld und der Zunahme an Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu tun. Mit mehr als 70 Terawattstunden pro Jahr entfällt derzeit mehr als ein Fünftel des europäischen Gesamtverbrauchs an Wasserstoff auf Deutschland.

Grün, türkis oder blau?

Die aktuelle Wasserstoffdebatte entzündet sich (neben Frage des Imports und regulatorischer Hürden) an der Farbenlehre: Also ob Wasserstoff grün, blau oder türkis sein darf. Macht die Stromerzeugung aus rein regenerativen Energiequellen Wasserstoff grün, steht die Farbe blau für die Wasserstofferzeugung aus fossilen Rohstoffen (meistens Erdgas). Das bei der Herstellung freigesetzte CO2 muss in Form von CCS gespeichert werden. Türkiser Wasserstoff entsteht durch die thermische Spaltung von Methan, bei der fester Kohlenstoff entsteht. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung konzentriert sich allerdings nur auf grünen Wasserstoff. Der ausschließliche Einsatz von grünem Wasserstoff ist jedoch umstritten. Vor allem wenn er in allen Sektoren eingesetzt werden soll, wird der Marktpreis steigen. Durch die Volatilität der erneuerbaren Energien wird es Phasen geben, in denen durch viel überschüssigen Strom Wasserstoff günstiger hergestellt werden kann. Gibt es aber viele Abnehmer für Wasserstoff, werden diese Zeiträume jedoch kürzer.

Die Frage ist, ob Wasser zunächst nur in den essentiellen Sektoren (Schmierindustrie, Stahl- und Zementindustrie) eingesetzt werden soll oder in allen Sektoren. Denn insbesondere im Mobilitätsbereich ergeben sich durch Wasserstoff enorme emissionsmindernde Potenziale. Die Elektrifizierung von Pkws und des Wärmesektors ist eine günstige Alternative, deren Wasserstoffbedarf aus Europa gedeckt werden könnte.

Wo kommt der Wasserstoff her?

Die Frage, wo der benötigte Wasserstoff herkommt, wird aktuell ebenfalls diskutiert. Grundsätzlich lässt sich Wasserstoff sehr gut importieren. Bestehende Gasinfrastruktur kann umgewandelt werden und Wasserstoff kann für Langtransporte verflüssigt und verschifft werden (LNG) oder beispielsweise an flüssige organische Wasserstoffträger gebunden und so transportiert werden. Momentan umstritten ist, ob Deutschland ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien produzieren kann, um seinen Bedarf aus grünem Wasserstoff zu decken. In Europa gibt es aber viele Orte, an denen die Herstellung von Wasserstoff möglich ist. Beispielsweise kann die Elektrolyse im Süden Spaniens durch Solarenergie erfolgen und dann europaweit importiert werden. Laut einer Studie begrenzen sich die Effizienzverluste durch den Transport auf zwei Prozent. Auch in der Nationalen Wasserstoffstrategie wird von „internationalen Energiepartnerschaften“ gesprochen. Andersherum gedacht, kann diese Technologie auch weltweit exportiert werden und so zur globalen Senkungen von CO2-Emissionen beitragen. Noch ist die großindustrielle Massenproduktion von Wasserstoff aber ausgeblieben.

Regulatorische Hürden und Potenziale

Momentan ist die Produktion von grünen Wasserstoff noch zu teuer. Politische Rahmenbedingungen und Anreize sind dringend notwendig, um die Wasserstoffproduktion wirtschaftlich zu machen. Die Bundesregierung will zwar sieben Milliarden Euro für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien in Deutschland bereitstellen. Problematisch ist aber, dass wer heute Strom für „Power-to-X“ einsetzt, alle Steuern, Umlagen und Abgaben auf den Strompreis zahlen muss. Rund 80 Prozent der Kosten für die Elektrolyse von Wasserstoff sind Stromkosten. Momentan sucht die Bundesregierung nach Lösungen, wie die Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage befreit werden kann. Das Abgaben- und Umlagensystem muss so ausgestaltet werden, dass die Umwandlung und Speicherung von Strom als Teil der Energiewertschöpfungskette gesehen wird und so Abgaben, Steuern und Umlagen für LetztverbraucherInnen nicht anfallen.

Wasserstoff ist die vermutlich einzige Möglichkeit, um die energieintensive Industrie, die viel CO2 emittiert, trotz ambitionierter Klimaziele in Deutschland zu halten. Was notwendig ist, um Wasserstoff wettbewerbsfähig zu machen, ist ein sektorenübergreifender, einheitlicher CO2-Preis, der schrittweise klimaschädliche Technologien vom Markt verdrängt. Allerdings geht eine neue Studie des Bundesumweltministeriums davon aus, dass grüner Wasserstoff im Jahr 2030 von einem CO2-Preis von 200-250 Euro die Tonne begleitet werden müsste, um kostengleich zu Erdgas zu sein. Ein so hoher CO2-Preis stellt die energieintensive Industrie aber angesichts ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit vor große Herausforderungen.

Eine reine Fokussierung auf grünen Wasserstoff bedeutet, dass es Investitionshilfe und Entlastungen geben muss. Beim aktuellen Entwicklungsstand kostet grüner Wasserstoff ohne jedes Kostensenkungsinstrument mehr als 80 Euro pro Megawattstunde. Dieser Preis liegt jedoch deutlich über dem Erdgaspreis. Die Bundesregierung sollte sich also gegenüber der Verwendung von blauem und türkisen Wasserstoff als Brückentechnologie öffnen. Das CO2, das bei der Herstellung von Wasserstoff in Deutschland anfällt, muss nicht zwangsläufig in Deutschland gespeichert werden. Eine Möglichkeit wäre der Transport nach Norwegen, wo er dann unterseeisch gespeichert werden könnte.

Wasserstoff kann die Lösung für die Energiewende und das Erreichen der Klimaneutralität sein. Zwar versucht die Bundesregierung das Thema voranzureiben, die Nationale Wasserstoffstrategie muss aber an vielen Stellen noch nachgeschärft werden.