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Tag der Vereinten Nationen
Die nächste Bundesregierung muss die Vereinten Nationen stärken

Um die regelbasierte, liberale Weltordnung zu schützen braucht es eine starke UN
Guterres Generalversammlung Vereinte Nationen
Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres bei einer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | JOHN ANGELILLO

Am 24. Oktober 2021 haben die Vereinten Nationen ihren 76. Geburtstag. Das ist ein Grund zum Feiern, trotz aller Probleme, die es bei den Vereinten Nationen gibt. Denn nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war die Gründung der Vereinten Nationen ein Meilenstein der Weltgeschichte. Mit der VN-Charta von 1945 bekennen sich alle Mitgliedstaaten zu universellen Werten, wie den Menschenrechten und dem Verbot des Angriffskriegs. Die Umsetzung dieses Bekenntnisses lässt natürlich auch heute noch zu wünschen übrig. Das sieht man beispielsweise an den systematischen Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang mit der Internierung und Zwangssterilisierung von Angehörigen ethnischer Minderheiten sowie am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Diese Beispiele sind äußerst schwerwiegend, weil China und Russland durch ihr Vetorecht im VN-Sicherheitsrat ein besonderes Gewicht in den Vereinten Nationen haben. Durch diese Sonderstellung kann keine UN-Blauhelmmission in diesen Ländern eingreifen, ohne dass diese Länder dem selbst zugestimmt hätten. Das ist eine realpolitische Komponente in der VN-Verfassung, die zwar im Widerspruch zu den idealistischen Zielen der Vereinten Nationen steht, aber dennoch Sinn ergibt. Denn sie soll verhindern, dass sich die Vereinten Nationen übernehmen und letztlich daran zerbrechen.

Trotz dieser (notwendigen) Unzulänglichkeiten ist die Welt mit den Vereinten Nationen eine bessere Welt als ohne. Die VN-Charta bildet die Verfassung der Staatengemeinschaft und ist das Fundament unserer regelbasierten, multilateralen Weltordnung. Durch sie können wir Missstände wie in Xinjiang und auf der Krim völlig zu Recht objektiv als Völkerrechtsbrüche anprangern. Ohne sie könnte unsere Kritik als ein Ausdruck eines rein subjektiven Moralempfindens abgetan werden. Denn ohne die UN-Charta würden wir noch in der anarchischen Welt von vor 1945 leben, in der nur das Recht des Stärkeren gilt. Doch mit der UN-Charta und dem darauf aufbauenden Völkerrecht können wir uns auch international auf die Stärke des Rechts berufen. Das macht die UN-Charta zu einem wesentlichen Eckpfeiler der regelbasierten, liberalen Weltordnung. Viele VN-Mitgliedstaaten mögen zwar illiberal sein, aber die Institution selbst hat sich durch ihre Statuten liberalen Zielen wie den Menschenrechten verpflichtet. Deshalb ist für uns Liberale die Stärkung der Vereinten Nationen ein Kernanliegen.

Daher freut es mich besonders, dass wir im Ergebnispapier der Ampel-Sondierungen festhalten konnten, dass wir „eine Stärkung der Vereinten Nationen sowie eine regelbasierte internationale Ordnung“ brauchen. Das war und ist für uns Freie Demokraten besonders wichtig. Deshalb haben wir im Außenpolitik-Kapitel unseres FDP-Wahlprogrammes gleich die erste Überschrift der Stärkung des Multilateralismus gewidmet. Die regelbasierte liberale Weltordnung ist für uns dabei zentral. In den anstehenden Koalitionsverhandlungen geht es nun darum, möglichst viele Punkte unserer liberalen Programmatik auch im Koalitionsvertrag unterzubringen.

Ganz konkret wollen wir Freie Demokraten die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen stärken, indem wir ihre Sonderorganisationen endlich auf eine solide finanzielle Grundlage stellen. Internationale Geldgeber müssen dem ordentlichen Haushalt von Welternährungsprogramm (WFP), Bevölkerungsfonds (UNFPA), Kinderhilfswerk (UNICEF), Entwicklungsprogramm (UNDP), Umweltprogramm (UNEP), der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem VN-Habitat sowie den Hochkommissaren für Flüchtlinge (UNHCR) und für Menschenrechte (OHCHR) einen höheren Anteil ihrer Beiträge als frei verfügbare Mittel zur Verfügung stellen. So wird die unwürdige Praxis verspäteter Zuschüsse als gebundene Projektmittel abgewendet, die häufig nur den eigenen nationalstaatlichen Interessen dient, den multilateralen Charakter dieser Organisationen untergräbt und dem Ziel entgegenläuft, gemeinschaftliche Lösungen für globale Herausforderungen zu finden.

Diese Forderungen von uns Freien Demokraten sind auch eine Lehre aus einer öffentlichen Anhörung im Bundestags-Unterausschuss Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung, dessen Vorsitzender ich in der 19. Wahlperiode sein durfte. Verschiedene Sachverständige haben uns dort gesagt, dass die Vereinten Nationen besonders dort erfolgreich agieren, wo man der Organisation viel Handlungsspielraum gibt. Dort wo die Staaten ein Ziel vorgeben, aber sich nicht in das Mikromanagement einmischen, wie dieses Ziel zu erreichen ist, dort können die Vereinten Nationen nach fachlichen Kriterien gute Arbeit leisten. Das zeigt sich exemplarisch am Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, das im letzten Jahr für seinen Kampf gegen den Hunger in der Welt mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde, und beim Flüchtlingshilfswerk, das für seine überlebenswichtige Arbeit für Flüchtlinge auf der ganzen Welt diesen Preis sowohl 1954 als auch 1981 erhielt. Besonders schwach sind die Vereinten Nationen hingegen, wenn sie zum Spielball einzelstaatlicher Interessen werden, wenn sie herausgefordert sind, widersprüchliche und unvereinbare Erwartungen zu erfüllen. Das sehen wir regelmäßig bei Blockaden im Sicherheitsrat. Deshalb steht für uns Freie Demokraten fest,  dass wir die Vereinten Nationen stärken müssen, indem wir ihnen mehr Handlungsspielraum für fachliche Entscheidungen geben, um sie davor zu bewahren, zum Spielball einzelstaatlicher Interessen zu werden. Nur so können wir unsere regelbasierte, liberale Weltordnung insgesamt stärken.