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Zinserhöhung

Wird Wohneigentum unerreichbar?

Haus zu verkaufen

Kaum einer kann sich noch Grundstücke leisten

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Soeren Stache

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In kaum einem anderen Land ist die Diskrepanz zwischen Traum und Realität bei der Bildung von Wohneigentum größer als in Deutschland. Die hohen Immobilienpreise und die steigenden Zinsen könnten den Immobilienerwerb in Zukunft sogar noch schwieriger machen. In diesem Policy Paper der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit geht es deshalb zentral um diese Frage: „Wird Wohneigentum unerreichbar?“

Die Jugend träumt vom Eigenheim

Etwa neun von zehn (87 Prozent) aller 14- bis 19- Jährigen wollen bereits mit 30 Jahren im Eigenheim leben. Gleichzeitig gehen 90 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fest davon aus, dass sie in ihrem Leben auch die finanziellen Möglichkeiten haben werden, Wohneigentum zu erwerben (siehe Abbildung 1).
55 Prozent erwarten, dass sie hierzu bereits im Alter von 30 Jahren in der Lage sind. Lediglich vier Prozent schließen den Erwerb von Wohneigentum für sich komplett aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Befragung des Forsa- Instituts im Auftrag des Verbands der Privaten Bausparkassen, die im Mai 2021 durchgeführt wurde.

Statistik
© FNF

Um einen „Ausreißer“ handelt es sich bei diesem Ergebnis keinesfalls. In einer weiteren repräsentativen Befragung unter 18- bis 25- Jährigen gaben sogar 93 Prozent an, eine eigene Immobilie erwerben zu wollen. 29 Prozent der Befragten möchten dieses Ziel möglichst schnell erreichen. Die Zahlen zeigen eindeutig:

Die jungen Menschen in Deutschland sind sich beim Wunsch, ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung zu erwerben, bemerkenswert einig. Der Traum vom Leben in „den eigenen vier Wänden“ existiert nicht nur bei den Jüngeren, sondern ist in allen Altersklassen präsent. 72 Prozent aller Mieterinnen und Mieter würden gerne Wohneigentum erwerben. Das freistehende Einfamilienhaus bleibt dabei die „Traumimmobilie“, die 65 Prozent aller Befragten bevorzugen würden. Sowohl der Wunsch nach einer eigenen Immobilie als auch der Wunsch nach einem Einfamilienhaus hat in den vergangenen Jahren konstant zugenommen. Dabei zeigt sich, dass die Menschen zunehmend bereit wären, auch vermeintlich schlechtere Lagen abseits der Zentren in Kauf zu nehmen, um sich ihren Traum zu erfüllen.

Es ist durchaus denkbar, dass die Erfahrungen der Corona- Pandemie den Traum von der eigenen Immobilie weiter verstärkt haben. Ab dem Frühjahr 2020 haben die Menschen so viel Zeit zu Hause verbracht wie selten zuvor. Nie war man mit den Vor- und Nachteilen der eigenen Wohnsituation stärker konfrontiert. Irgendwann musste man sich fast zwangsläufig die Fragestellen, wie man eigentlich am liebsten wohnen würde. Wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, ist die Antwort auf diese Frage für die meisten Menschen klar: am allerliebsten als Eigentümerin bzw. Eigentümer in einem Einfamilienhaus. Die neuen Möglichkeiten des mobilen Arbeitens könnten ebenfalls zur wachsenden Attraktivität von Wohneigentum beigetragen haben. Das Homeoffice „im Grünen“ ist für viele Menschen zu einem realen Traum geworden– und ist nicht mehr nur bloße Utopie.

Kurzum: Die Menschen in Deutschland vereint der Traum von den „eigenen vier Wänden“. Doch gleich zeitig sorgen seit Jahren steigende Preise sowie aktuell steigende Zinsen dafür, dass der Erwerb von Wohneigentum schwerer wird. Diese Entwicklung wird den Menschen immer mehr bewusst. In einer aktuellen Umfrage gibt mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie den Erwerb von Wohneigentum in ihrer Wunschregion für kaum oder gar nicht finanzierbar halten.

Dieses Papier untersucht, wie Traum und Realität in Deutschland zusammenpassen. Kapitel 2 wirft einen Blick auf den Status quo der Wohneigentumsquote in Deutschland, in den Bundesländern, in Europa sowie innerhalb verschiedener Altersklassen. Kapitel 3 behandelt die immensen Herausforderungen für den deutschen Wohnungsmarkt, die den Erwerb von Wohneigentum erschweren. Kapitel 4 geht darauf ein, warum eine hohe Wohneigentumsquote– sowohl aus individueller als auch aus gesellschaftlicher Sicht – wünschenswert wäre. In Kapitel 5 werden verschiedene Maßnahmen präsentiert, die den Eigentumserwerb erleichtern und dafür sorgen könnten, dass Wohneigentum auch in Zukunft erreichbar bleibt . Abschließend werden in Kapitel 6 die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst.

Die wichtigsten Erkenntnisse in Kürze:

  • Etwa neun von zehn (87 Prozent) aller 14- bis 19-Jährigen wollen bereits mit 30 Jahren in den „eigenen vier Wänden“ wohnen. Die jungen Menschen in Deutschland sind sich beim Wunsch, ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung zu erwerben, also bemerkenswert einig. Die Erfahrungen der Corona-Pandemie könnten den Traum vom Eigenheim sogar noch weiter verstärken. In Zeiten des mobilen Arbeitens wird die eigene Wohnung bzw. das eigene Haus noch mehr zum Lebensmittelpunkt.
     
  • Deutschland ist innerhalb der Europäischen Union Schlusslicht bei der Wohneigentumsbildung. Mit 46,5 Prozent ist der Anteil der Eigentümerinnen und Eigentümer nirgendwo geringer als in Deutschland. Besonders schwierig ist der Eigentumserwerb für jüngere Haushalte. Inzwischen sind nur noch 15 Prozent aller Eigentümerinnen und Eigentümer jünger als 45 Jahre alt. Im Jahr 2000 waren es immerhin noch 31 Prozent.
     
  • Der Erwerb von Wohneigentum könnte in Zukunft schwieriger werden. Die Zinsen für Kredite mit zehnjähriger Laufzeit sind laut einer Auswertung von Interhyp seit Jahresbeginn von einem Prozent auf 3,04 Prozent angestiegen. Die Zinsen für Kredite mit fünfzehnjähriger sind im selben Zeitraum von 1,29 Prozent auf 3,30 Prozent angestiegen (Stand: 25.7.22).
     
  • Berechnungen zeigen, dass selbst relativ kleine Zinssteigerungen zu einer deutlich höheren finanziellen Gesamtbelastung führen. Bei einem Kreditvolumen von 400.000 Euro und einer Tilgungsrate von 2 Prozent würde ein Zinsanstieg von einem auf drei Prozent eine monatliche Mehrbelastung von 667 Euro bedeuten.
     
  • Aufgrund der Folgen des Ukraine-Krieges spricht vieles dafür, dass die erhoffte Entspannung bei der Baukostenentwicklung ausbleibt. Bereits im Zeitraum zwischen 2000 und 2021 sind die Baukosten um knapp 57 Prozent gestiegen. Trotz der möglicherweise preisdämpfenden Wirkung steigender Zinsen bleibt also unklar, in welche Richtung sich die Immobilienpreise entwickeln.
     
  • Es ist wichtig, dass Wohneigentum erreichbar bleibt. Die Bildung von Wohneigentum wäre sowohl aus individueller als auch aus gesellschaftlicher Sicht erstrebenswert. (1) Immobilieneigentümer sind laut Umfragen glücklicher und zufriedener, (2) haben einen deutlichen Vermögensvorsprung gegenüber Mietern, (3) leben in der Regel günstiger und (4) sind vor steigenden Mieten sowie Verdrängung geschützt. (5) Gleichzeitig kann die Bildung von Wohneigentum die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft erhöhen und Vermögensungleichheit reduzieren.
     
  • Gerade in wirtschaftlich schwierigen Phasen kommt es auf die richtigen Rahmenbedingungen an. Nur so kann in Deutschland das Aufstiegsversprechen der „eigenen vier Wände“ erhalten bleiben. Neben Maßnahmen zur Ausweitung des Angebots (z.B. zügige Nutzung des verfügbaren Baulands) werden insbesondere Anstrengungen zur Senkung der Erwerbsnebenkosten (z.B. Reform der Grunderwerbsteuer) und zur Reduzierung des Eigenkapitalbedarfs (z.B. eigenkapitalersetzende Darlehen) benötigt. Zudem könnte in Zukunft auch über neue Konzepte wie Mietkaufmodelle nachgedacht werden, bei denen das Eigentum Schritt für Schritt an die Mieter übergeht.

„Bereits im Zeitraum zwischen 2000 und 2021 sind die Baukosten um knapp 57 Prozent gestiegen. Die Folgen des Ukraine-Krieges treiben nun sowohl die Baukosten als auch die Zinsen weiter nach oben. Der Erwerb von Wohneigentum wird dadurch noch schwieriger. Daher müssen Bund und Länder die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und beispielsweise für Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer sorgen. Nur so wird der Eigentumserwerb wieder erreichbar.“

Karl-Heinz Paqué
Prof. Karl-Heinz Paqué, der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann- Stiftung für die Freiheit

Endlich Entlastung für „Häuslebauer“ in Sicht

Häuserbau

Deutschland ist EU-Schlusslicht beim Wohneigentum. Nun drängt das Bundesfinanzministerium auf eine Reform der Grunderwerbsteuer: Den Bundesländern sollen mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Grunderwerbsteuer eingeräumt werden, sodass sie den Grunderwerbsteuersatz auf null senken können. In diesem Fall würde die Steuer sogar ganz wegfallen. Insbesondere junge Familien könnten hiervon profitieren.

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