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Veranstaltung
„Streit und Straßenkampf“: Wie Karoline Preisler Freiheit sichtbar verteidigt

Eröffnungsrede von Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
Streit und Straßenkampf

v.l.n.r.: Antonia Yamin, Moderation; Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit; Karoline Preisler, Autorin, Aktivistin und Politikerin; Christian Dürr, Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei; S.E. Ron Prosor, Botschafter des Staates Israel in Deutschland und Maren Jasper-Winter, Mitglied des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. 

© Milena Radatz

Karoline Preisler stellt sich seit dem 7. Oktober 2023 mit beeindruckender Klarheit gegen Antisemitismus und Einschüchterung im öffentlichen Raum. Ihr neues Buch „Streit und Straßenkampf – Unterwegs für die Freiheit“ erzählt von diesem Engagement und von der Bedeutung einer lebendigen Streitkultur. In seiner Rede würdigt Karl-Heinz Paqué ihre Zivilcourage, ihre Auszeichnung mit dem Paul-Spiegel-Preis und erinnert daran, wie wichtig es ist, Freiheit sichtbar zu verteidigen.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, Ihre Exzellenz Ron Prosor, Botschafter des Staates Israel in Deutschland, lieber Christian Dürr, Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei, liebe Maren Jasper-Winter, Mitglied unseres Stiftungs-Vorstandes, liebe Antonia Yamin, Moderatorin des späteren Gesprächs, liebe Gäste,

und natürlich: liebe Karoline Preisler, Autorin, Aktivistin, Politikerin, die zentrale Persönlichkeit unseres heutigen Abends,

ich begrüße Sie alle ganz herzlich im Namen der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Tagungswerk, der ehemaligen Jerusalemkirche, heute Abend hier in Berlin.

Heute stellen wir das Buch der Autorin Karoline Preisler mit dem Titel „Streit und Straßenkampf – Unterwegs für die Freiheit“ vor, und wir diskutieren über Zivilcourage im öffentlichen Raum, den Schutz der offenen Gesellschaft und die Frage, wie wir eine freiheitliche Streitkultur stärken können.

Karoline Preisler berichtet in dem Buch von ihrem Engagement für Meinungsfreiheit und gewaltfreie Auseinandersetzung, von Erfahrungen auf Demonstrationen seit dem 7. Oktober 2023 und von ihrer Reise nach Israel – ein persönlicher, politischer und auch historischer Blick auf Antisemitismus und demokratische Verteidigungsbereitschaft.

Die Realität, die uns zu diesem Abend führt, ist sehr ernst: Antisemitismus ist keine Vergangenheit, sondern die Gegenwart. Seit dem 7. Oktober 2023 sehen wir einen sprunghaften Anstieg antisemitischer Vorfälle und Straftaten in Deutschland – im Jahr 2024 dokumentierten die Meldestellen 8.627 antisemitische Vorfälle, fast 77 Prozent mehr als im Vorjahr. Israelbezogener Antisemitismus war mit 5.857 Zuordnungen die häufigste Erscheinungsform des Antisemitismus. Und erschütternd häufig geschieht er von Angesicht zu Angesicht, an Hochschulen, in Schulen und im öffentlichen Raum. Das ist also nicht nur Statistik – es ist ein Befund des täglichen Lebens, der uns alle betrifft.

Gerade deshalb ist der Mut von Karoline Preisler so bedeutsam. Sie geht dorthin, wo es unbequem ist: zu Versammlungen, die sichpro-palästinensischnennen, und sie erinnert an die israelischen Geiselnmit Schildern wie „Believe Israeli Women“, „Rape is not Resistance“ und „Until the Last Hostage“. Sie sucht den Austausch anstatt aufzuwiegeln, nimmt Blumen mit, und erträgt dabei Anfeindungen, Drohungen und sogar körperliche Angriffe.

Ihre Haltung ist klar: Judenhass darf niemals unsichtbar gemacht sein, und er darf niemals ohne Antwort bleiben. Das ist demokratische Standhaftigkeitleise, aber trotzdem sichtbar und unbeirrbar. Dafür hat sie gestern den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland erhalten. Liebe Karoline Preisler, dazu meine und unsere herzliche Gratulation!

Standhafte Botschaft

Karoline Preisler

Karoline Preisler wird für ihren mutigen Einsatz gegen Antisemitismus mit dem Paul-Spiegel-Preis geehrt. Ihre stille Standhaftigkeit wird zum starken Symbol für Meinungsfreiheit in Deutschland.

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Als Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist es unsere Aufgabe, Debattenräume zu öffnen: mit politischer Bildung, Begabtenförderung und internationaler Arbeit für Menschenrechte und Demokratie. Eine liberale Gesellschaft braucht Widerspruch, aber sie braucht ihn in zivilisierter und freiheitlicher Form: Streit ja, Straßenkampf nein. Unsere Antwort ist: demokratische Streitkultur, die dem Hass widerspricht und die Freiheit verteidigt.

Ich danke Ihnen, liebe Frau Preisler, dass Sie heute hier sind, um über diese Auseinandersetzung zu berichten. Und ich danke allen, die diesen Abend möglich machen. Lassen Sie uns Karoline Preisler zuhören, ggf. mit ihr streiten – und gemeinsam die offene Gesellschaft feiern.

Erlauben Sie mir - bevor ich das Wort an Botschafter Ron Prosor weitergebeeine persönliche Bemerkung im Nachgang zu meiner viertägigen Israel-Reise in der letzten Woche. Ich hatte eine große Zahl von Treffen mit vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, vor allem natürlich mit liberalen Freunden von Yesh Atid, unserer säkular-zentristischen Partnerpartei, mit deren Vorsitzenden Jair Lapid sowie vielen Vertretern der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft. Unisono war dabei das Unverständnis und die Trauer über Versuche in Deutschland und Europa, Israel als Land zu boykottieren. So berichtete etwa Galia Sabar, eine hochangesehene Hochschulpräsidentin aus Tel Aviv, dass ihr jüngst von einem langjährigen deutschen Kooperationspartner per Brief mitgeteilt wurde, dass man die Zusammenarbeit beendigen wolle. Einziger Grund: Es handelt sich um eine israelische Hochschule. Das ist beschämend, und zwar nicht für Israel, sondern für Deutschland. Es erinnert tatsächlich an die Nazizeit.

Robuste Resilienz

Der Geiselplatz ist ein öffentlicher Platz vor dem Tel Aviv Museum of Art. Nach den Anschlägen vom 7. Oktober errichteten die Familien der Geiseln aufgrund der Nähe zum Hauptquartier der israelischen Streitkräfte ein dauerhaftes Lager auf dem Platz.

Trotz Krieg, Trauma und politischer Spaltung zeigt Israel beeindruckende Stärke und Zusammenhalt. Diese resiliente Gesellschaft ist ein Vorbild, von dem Europa in Zeiten globaler Unsicherheit lernen kann.

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Umso mehr zu Herzen ging mir die „robuste Resilienz“, mit der die israelische Zivilgesellschaft auf die Welle der Verbrechen reagiert, die Israelis seit dem 7. Oktober 2023 erlitten haben. Auf dem „Hostage Square“, inmitten des quirligen Lebens von Tel Aviv, das weitergeht, wird vor allem der Geiselnahme gedacht – in würdiger und auch kreativer Form. Als ich durch jenen Tunnel der Hamas ging, der dort als Installation das Lebensgefühl der gefangenen Geiseln in der grausamen Enge und mit den Geräuschen vor Ort reproduziert, wurde mir geradezu physisch klar, wie großartig der solidarische Zusammenhalt in dieser Gesellschaft istund wie wichtig es ist, die Morde, die Misshandlungen und die Geiselnahmen als das zu brandmarken, was sie sind: grausame Verbrechen gegen die Menschlichkeit.                

In Deutschland hat dies kaum jemand so eindrucksvoll getan wie Karoline Preisler. Dafür gilt ihr unser großer Dank.

Ich freue mich, dass wir nun das Grußwort des Botschafters des Staates Israel in Deutschland hören werden. Ihre Exzellenz Ron Prosor – Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.