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Frühjahrstagung von IWF und Weltbank
Schwierige Staatsverschuldung

Vitor Gaspar (links), Direktor der Abteilung für fiskalische Angelegenheiten beim IWF, und Paolo Mauro, stellvertretender Direktor der Abteilung für fiskalische Angelegenheiten beim IWF, nehmen an einem Pressegespräch zur Überwachung der Finanzen am Hauptsitz des IWF während der Frühjahrstagung 2023 des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe (WBG) in Washington, DC, USA, teil,

Vitor Gaspar (links), Direktor der Abteilung für fiskalische Angelegenheiten beim IWF, und Paolo Mauro, stellvertretender Direktor der Abteilung für fiskalische Angelegenheiten beim IWF, nehmen an einem Pressegespräch zur Überwachung der Finanzen am Hauptsitz des IWF während der Frühjahrstagung 2023 des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe (WBG) in Washington, DC, USA, teil.

© picture alliance / EPA | MICHAEL REYNOLDS

Die Risiken für die Weltwirtschaft sind auch bei dieser Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank hoch. Die Mitglieder der beiden wichtigen internationalen Organisationen haben sich vergangene Woche in Washington getroffen, um über die Auswirkungen des weiterhin andauernden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, die hohe Inflation, die Entwicklung der Weltwirtschaft, die Turbulenzen im Bankensektor, den Klimawandel und weitere Themen zu sprechen. Die Aussichten werden auch durch die schwächste Mittelfrist-Wachstumsprognose des IWF seit 1990 getrübt. In 90 Prozent der Industriestaaten ist das Wachstum im vergangenen Jahr zurückgegangen und die Inflation bleibt hoch. Besorgt äußern sich die Expertinnen und Experten des IWF aber zunehmend auch über die steigende Staatsverschuldung. Global steigen die Schulden schneller und höher als in den Zeiten vor der Pandemie. Gerade in größeren Volkswirtschaften steigen sie im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt rasant an und treiben damit die globale Entwicklung. Die größte Gefahr für die Stabilität der Weltwirtschaft ist die gleichzeitige Intensivierung der verschiedenen Krisendynamiken, also das Aufziehen eines perfekten Sturms. So warnt der IWF-Fiskalchef Vitor Gaspar vor dem erneuten Aufeinandertreffen von Banken- und Staatsschuldenkrise, wie es nach der globalen Finanzkrise schon einmal geschehen ist. Wobei die hohe Inflation die Notenbanken aktuell vor noch größere Herausforderungen stellen würde, weil sie zwischen Geldwert- und Finanzstabilität abwägen müssten.

Inflation und Schulden

Bereits heute verstärken sich die Krisen gegenseitig. Das schwache Wachstum und der starke Dollar tragen in vielen Ländern zu einer Steigerung der Staatsverschuldung bei. Eine Aufwertung des Dollars erhöht quasi automatisch die Schulden für Staaten, Privatunternehmen und Banken, die sich in Dollar verschuldet haben, aber Einnahmen in einer anderen Währung generieren. Da die Schulden infolge eines weniger vorteilhaften Wechselkurses dabei relativ zu den Einnahmen steigen, wird es schwieriger, Kredite zurückzuzahlen. Die steigenden Zinsen treiben die Schuldendynamik zusätzlich an, weil die Staaten höhere Kosten für die Refinanzierung ihrer Schulden zu tragen haben. Allein für Deutschland sind die Zinskosten von vier Milliarden Euro in 2021 auf 40 Milliarden in 2023 gestiegen. Deswegen weist der IWF immer wieder daraufhin, dass es einer konzertierten, stabilitätsorientierte Fiskal- und Geldpolitik bedarf, um Inflation und Schulden in den Griff zu bekommen. Eine zurückhaltende Fiskalpolitik ist dabei notwendig, um die Inflation nicht weiter anzutreiben und eine auf die Bekämpfung der hohen Inflation ausgerichtete Geldpolitik hilft dabei, eine Entkoppelung der Inflationserwartungen zu verhindern, die Wachstumsaussichten, die Refinanzierungskosten des Staates und Finanzstabilität bedrohen würde. Insofern stehen vor allem den größeren Industriestaaten nun harte Entscheidungen bevor: Auf der einen Seite braucht es Investitionen, die angebotsseitig das Wachstum ankurbeln, ohne dabei die Inflation anzuheizen. Auf der anderen Seite braucht es Sparmaßnahmen bei Konsumausgaben. Ein solcher Kurs mag kurzfristig nicht in allen Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung stoßen, aber er ist makroökonomisch geboten, um die Weltwirtschaft zu stabilisieren und Spielräume zu schaffen, um weitere Krisen abzufedern.

China als Kreditgeber

Die Herausforderung für einige Schwellen- und Entwicklungsländer ist sogar noch größer. Denn die hohe Staatsverschuldung stellt gerade ärmere Staaten vor noch gravierendere Probleme. Die Pandemie und die wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Krieges auf die Rohstoffversorgung treffen ärmere, hochverschuldete Staaten härter und bedrohen so deren Schuldentragfähigkeit. Das Risiko von Staatsschuldenkrisen steigt. Doch während Forderungen nach Schuldenerleichterungen häufig an die klassischen Industriestaaten gerichtet werden, übersehen viele Nichtregierungsorganisationen, dass China mittlerweile der größte öffentliche Kreditgeber im globalen Süden ist. Und die Volksrepublik ist als Kreditgeber alles andere als zimperlich und beizeiten wenig kooperativ. Da wäre zum Beispiel die Intransparenz bei Krediten chinesischer Staatsbanken, die dafür sorgt, dass internationale Gläubiger den Schuldenstand von Staaten nicht immer komplett einschätzen können. Zudem versucht China durch sogenannte „No-Paris-Club“-Klauseln die eigenen Kredite von einem Schuldenerlass im Rahmen des Pariser Clubs oder ähnlichen Formaten auszunehmen. Dabei baut China auf der einen Seite asymmetrische Abhängigkeiten auf, die es entweder, wie z.B. in Sri Lanka, ausnutzt, um Zugriff auf die Infrastruktur eines Landes zu bekommen oder um die eigene Rolle als Alternative zum IWF zu stärken. In der Studie "China as an International Lender of Last Resort" beobachtet ein Forscherteam um die ehemalige Chefvolkswirtin der Weltbank, Carmen Reinhart und Christoph Trebesch vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, wie China auch durch Rettungskredite eine immer stärkere Rolle im globalen Finanzsystem einnimmt. Das wird verstärkt durch den Fakt, dass Chinas Kreditvergabepraktiken eine Unterstützung durch den IWF fast unmöglich machen. Denn der Internationale Währungsfonds verlangt bei nicht tragfähiger Staatsverschuldung eine Schuldenrestrukturierung, die China durch seine Vorgaben verhindert. Das schadet den Schuldnerländern Chinas wirtschaftlich wie politisch, weil diese immer abhängiger werden und dabei noch die Finanzstabilität regional wie global gefährdet wird.

Geopolitische Notwendigkeit

Der Blick auf Chinas Schuldendiplomatie verdeutlicht, warum eine stabilitätsorientierte Haushaltspolitik auch geopolitisch geboten erscheint. Fiskalischer Spielraum verhindert einerseits, dass Staaten sich überhaupt erst in die Abhängigkeit von China begeben, und zum anderen versetzt es sie in die Lage, ökonomischem Druck von Seiten aggressiver Autokratien standzuhalten. Gerade der IWF besinnt sich hier zurecht auf seine Kernkompetenzen, die Staaten zu ökonomischer Sorgfalt, sowohl im Hinblick auf fiskalische als auch monetäre Stabilität anzuhalten. Gleichzeitig steht aber auch der IWF selbst unter Druck. Konnte er in der globalen Finanzkrise und der Pandemie seine Stärken zur Stärkung der globalen Finanzstabilität noch ausspielen, wird es zunehmend schwieriger, im neuen geoökonomisch geprägten Umfeld aktiv zu werden. Doch anders als andere internationale Organisationen wie der UN-Sicherheitsrat oder die Welthandelsorganisation (WTO) ist der IWF nicht in seinen Entscheidungen blockiert und kann sich auf die neue Systemrivalität einstellen. Das heißt einerseits die Fokussierung der Kernkompetenzen, in denen der IWF eine hohe Autorität besitzt und anderseits Wege zu finden, um die regelbasierte Weltwirtschaftsordnung zu stärken. Diese ist langfristig attraktiver für die meisten Staaten der Welt, als es ein unberechenbarer Kreditgeber wie China je sein könnte.