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Potsdamer Konferenz
Potsdamer Konferenz vor 80 Jahren – Neuordnung der Welt mit zwiespältigen Folgen

Winston Churchill, Harry Truman und Joseph Stalin

Winston Churchill, Harry Truman und Joseph Stalin auf der Potsdamer Konferenz.

© picture alliance / Mary Evans | British Pathe/Mary Evans Picture Library

Die Potsdamer Konferenz steht heute für das Ende des Zweiten Weltkriegs – zumindest für den europäischen Schauplatz, denn in Asien währte der Krieg noch bis in den Herbst 1945. Das Zusammentreffen der „Großen Drei“ – Harry S. Truman, Joseph Stalin und Winston Churchill, der nach seiner Wahlniederlage den Platz für Clement Attlee räumte – steht aber gleichermaßen für den Beginn des Kalten Krieges. Bei den Verhandlungen vom 17. Juli bis 2. August 1945 steckten die drei Hauptsiegermächte Einflusszonen ab, deren politische Bedeutung für die Nachkriegszeit weit über Europa hinauswies. Ort des Geschehens war das Potsdamer Schloss Cecilienhof, aber wichtige Beratungen und bilaterale Treffen gab es auch in Babelsberg, etwa im „Truman-Haus“, der Residenz des amerikanischen Präsidenten.

Die Vereinbarungen über Deutschland waren vielfach Formelkompromisse, die das Tor für eine neue bipolar-antagonistische Konstellation der Weltpolitik weit öffneten. Dies galt weniger für die Vereinbarungen zur Demilitarisierung und Entnazifizierung, wohl aber für die aufgeschobene Regelung der Reparationen und insbesondere für die „Demokratisierung“, die in jeder Besatzungszone eigenständig durchgeführt werden sollte. Damit zeichnete sich eine Teilung bereits ab, denn die Vorstellungen dazu von Stalin auf der einen und den Westmächten auf der anderen Seite widersprachen sich. Ähnliches galt für die Folgen der Grenzverschiebungen, die mit der Flucht, Vertreibung oder Umsiedlung von Millionen Menschen verbunden waren.   

Betroffen von den Absprachen waren aber nicht nur die Deutschen, sondern auch viele andere, die nur zum Teil gehört wurden oder gar nicht mit am Verhandlungstisch saßen: Dazu gehörten Chinesen, Japaner und Koreaner, aber auch die Überlebenden der Shoa, Flüchtlinge und neue Vertriebene, nicht nur aus den Gebieten Osteuropas. Ebenso galt dies für die Franzosen, die zwar zu den Siegern zählten, aber keinen operativen Part in den Gesprächen erhielten – es war ein kleiner Kreis, der die wichtigen geopolitischen Weichen stellte, die bis heute weltpolitische Auswirkungen haben.

Internationale Kooperation als Schlüssel zur Stabilität

Wie sollte dauerhafte Stabilität in den vom jahrelangen Krieg zurückgeworfenen Ländern erreicht werden? Das übergeordnete Ziel – jenseits der konkreten Besatzungsregelungen – war nicht nur, Deutschland in die Wertegemeinschaft der liberalen Demokratien zurückzuholen; vielmehr sollten Freiheit und Sicherheit zum Ausgangspunkt der internationalen Neuordnung werden. Die Verflechtung in internationalen Organisationen und ein breit gespanntes Netz multilateraler Politik sollten wechselseitigen Schutz, Wiederaufbau und wirtschaftliche Erholung auch der bisherigen Kriegsgegner gewährleisten. Zum entscheidenden Punkt wurde die faktische Führungsrolle der USA, die damit weltpolitische Verantwortung wahrnahmen und sich auch nach Ende des Krieges nicht auf den früheren Isolationismus aus der Zeit vor den Weltkriegen zurückzogen.

Wichtiges dafür war schon lange vor der Potsdamer Konferenz in die Wege geleitet worden: Bereits in der Atlantikcharta vom August 1941 waren erste Grundsätze festgelegt worden, die auch für die Nachkriegszeit Gültigkeit besitzen sollten, zuvorderst internationale Kooperation und das Selbstbestimmungsrecht der Staaten auf gleichberechtigter Grundlage. Auf der Konferenz von Bretton Woods beschlossen die beteiligten Staaten 1944 ein mehrschichtiges System zur Krisenbewältigung, wirtschaftlichen Entwicklung und Währungspolitik, zu dem dann der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (später OECD) gehörten. Flankiert wurde es vier Jahre darauf durch das – nach dem US-Außenminister George C. Marshall benannte – Konjunkturprogramm, das als Hilfe zur Selbsthilfe gedacht war und neben Krediten auch Rohstoffe, Lebensmittel und Waren bereitstellte. Das 1947 abgeschlossene Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), dem das westliche Deutschland 1951 beitrat, beschleunigte den Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen erheblich. Die Grundsätze – Gleichbehandlung und Verbot der Diskriminierung – haben sich über viele Jahrzehnte als leitende Prinzipien einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung bewährt. Die Liberalisierungspolitik sollte schließlich ein erster Schritt zur europäischen Integration werden.

Der Eiserne Vorhang und die neue Weltordnung

Das Angebot einer liberalen Grundordnung galt dabei für alle Nationen – auch über Europa hinaus. Dass sich die meisten Staaten innerhalb des Einflussbereichs der Sowjetunion nicht beteiligen konnten, wies bereits auf den Zerfall der Anti-Hitler-Koalition hin, die den Systemkonflikt nur kurzzeitig verdeckt hatte. Der Kalte Krieg war nicht aufzuhalten – und einer der ersten, der ihn in aller Schärfe erkannte, war Winston Churchill. Die Potsdamer Konferenz war noch kein Jahr vorüber, da warnte er im März 1946 in Fulton im Beisein des amerikanischen Präsidenten Truman vor der drohenden Gefahr: „Von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria hat sich ein Eiserner Vorhang auf Europa herabgesenkt. (…) Dahinter liegen all die Hauptstädte der alten Staaten Mittel- und Osteuropas. Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. Diese berühmten Städte und die Bevölkerung ringsum liegen alle im sowjetischen Wirkungskreis, so muss ich es nennen, und unterliegen, auf die eine oder andere Weise, nicht bloß sowjetischem Einfluss, sondern zu einem sehr hohen und in einigen Fällen zunehmenden Maße der Lenkung durch Moskau.“

Dies war zugleich ein Appell an die USA, nicht wieder in die frühere Tradition des Isolationismus zu verfallen, sich nicht aus Europa zurückzuziehen, sondern Freiheit und Selbstbestimmung ohne Einschränkung zu verteidigen. Und die Rede wirkte. Im März 1947 verkündete Harry S. Truman die neue – nach ihm benannte – Doktrin, die ein klares Signal des containment der Gefahren vor allem aus der Sowjetunion setzte: Jede Nation solle sich zwischen Lebensformen und Systemen in Ost und West frei entscheiden können, mithin hätten alle demokratischen Staaten die Verpflichtung „freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen“.

Fast 35 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion und 80 Jahre nach der Potsdamer Konferenz sind die liberalen Grundlagen für Freiheit, Zivilgesellschaft und Demokratie in der Welt massiv angegriffen. Gegen diese Bedrohungen bedarf es gleichsam einer neue Truman-Doktrin, die signalisiert, dass alle Angriffe auf Freiheit und Menschenwürde tatkräftig abgewehrt werden.