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Gipfel in Den Haag
NATO-Gipfel in Den Haag – Was bleibt?

NATO-Generalsekretär Mark Rutte, Mitte rechts, hält die Eröffnungsrede, während er neben US-Präsident Donald Trump während einer Sitzung des Nordatlantikrats auf dem NATO-Gipfel in Den Haag sitzt,

NATO-Generalsekretär Mark Rutte, Mitte rechts, hält die Eröffnungsrede, während er neben US-Präsident Donald Trump während einer Sitzung des Nordatlantikrats auf dem NATO-Gipfel in Den Haag sitzt.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Sean Kilpatrick

Der NATO-Gipfel in Den Haag wurde mit Spannung erwartet. Trotz der volatilen Weltlage wurde die Tagesordnung für das Treffen der Staats- und Regierungschefs aus Sorge vor sichtbaren Uneinigkeiten, insbesondere mit US-Präsident Trump, im Vorfeld auf einen einzigen Punkt reduziert. Statt die unterschiedlichen aktuellen Krisen zu behandeln, ging es im Kern fast ausschließlich um die Vereinbarung höherer Verteidigungsausgaben. Entsprechend ist die diesjährige Abschlusserklärung mit nur 5 Abschnitten wesentlich kürzer als die des Washingtoner Gipfels 2024, die 38 Abschnitte mit teils zahlreichen Unterpunkten enthielt.

Was steht im Abschluss-Communiqué?

Die traditionelle Abschlusserklärung zum Gipfeltreffen enthält 4 inhaltliche Punkte, von denen sich zwei mit der Höhe der Verteidigungsausgaben befassen. Hier konnten sich die NATO-Staaten darauf einigen, dass alle Staaten ihre Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit bis 2035 auf 5% des BIP erhöhen. Hiervon entfallen 3,5% auf „traditionelle“ Verteidigungsausgaben im Sinne der engeren NATO-Definition und 1,5% auf Ausgaben für kritische Infrastruktur, Zivilschutz, Verbesserung der Resilienz sowie zur Stärkung der Rüstungsindustrie. Zwar wurde vereinbart, im Jahr 2029 zu überprüfen, wie weit die Staaten bei der Erreichung der Ziele gekommen sind, und die Ziele mit der Bedrohungslage abzugleichen. Die Ausgestaltung und der konkrete Zeitplan für die Erreichung des 5% Ziels 2035 bleiben den Mitgliedsstaaten jedoch selbst überlassen.

Darüber hinaus enthält die Abschlusserklärung verschiedene gemeinsame Versicherungen. Diese gehören zwar üblicherweise standardmäßig zu Abschlusserklärungen. In Zeiten der Trump-Administration gilt jedoch allein der Umstand, dass diese Versicherungen enthalten sind bereits als kleiner Erfolg. So enthält auch die aktuelle Gipfelerklärung die traditionelle Erneuerung des Beistandsversprechens und Absichtserklärung zum weiteren Ausbau der Kooperation in den Bereichen Militär und Rüstungsindustrie, wobei letztere anders als in anderen Gipfelerklärungen nicht näher ausbuchstabiert wird.

Abstriche in Bezug auf Russland und die Ukraine

Mit Spannung wurde im Vorfeld erwartet, ob es der NATO gelingen würde, im Abschluss-Kommuniqué eine gemeinsame Sprache zur Bedrohung durch Russland und zur Unterstützung der Ukraine zu finden. Beides scheint gelungen zu sein, die Formulierungen lesen sich jedoch wie ein Minimalkonsens und lassen somit eine Spaltung innerhalb der Allianz vermuten.

Russland wird (gemeinsam mit Terrorismus) in einem Satz als langfristige Bedrohung für die euro-atlantische Sicherheit benannt, auf die es mit höheren Verteidigungsausgaben zu reagieren gelte. Die Verantwortlichkeit Russlands für den Krieg in der Ukraine wird jedoch, anders als in den Abschlusserklärungen vergangener Gipfel nicht mehr erwähnt.

Zwar enthält die Gipfelerklärung auch ein Bekenntnis zur Unterstützung der Ukraine und eröffnet die Möglichkeit die Kosten der Unterstützung der Ukraine zu den Ausgaben im Sinne des 5%-Ziels zu zählen. Das Bekenntnis ist jedoch auf einen Satz reduziert, der zudem einen wichtigen Unterschied zu den NATO-Gipfeln 2022-2024 aufweist: Enthielt die Gipfelerklärung von 2024 noch verschiedene NATO-gemeinsame Initiativen zur Unterstützung der Ukraine, wird nun in der Den Haager Erklärung 2025 nur noch von andauernden „souveränen Verpflichtungen“ der jeweiligen Staaten zur Unterstützung der Ukraine gesprochen, ohne explizite NATO-Rolle zu erwähnen. (“Allies reaffirm their enduring sovereign commitments to provide support to Ukraine, whose security contributes to ours and, to this end, will include direct contributions towards Ukraine’s defence and its defence industry when calculating Allies’ defence spending”.)

NATO-Gipfel 2025 – Verbündete treffen sich in Den Haag zu einem Zahlenspiel

A sculpture and flags in front of the NATO headquarters in Brussels, Belgium.

In Zeiten zunehmender globaler Instabilität treffen sich die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten am 24. und 25. Juni in Den Haag zum jährlichen NATO-Gipfel. Punkt eins auf der Tagesordnung: Verteidigungsausgaben. Es wird erwartet, dass sich die Staats- und Regierungschefs darauf einigen, ihre Verteidigungsbudgets auf 5 % des BIP anzuheben und damit die USA im Bündnis zu halten.

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Wie ist das einzuordnen?

Die Vereinbarung des 5% Ziels und dessen Aufgliederung in 3,5% für „harte“ Verteidigungsausgaben und 1,5% für Investitionen in weitere verteidigungsrelevante Bereiche ist grundsätzlich ein gutes Signal. Zwar bleibt offen, ob die Einigung auf höhere Ausgaben tatsächlich auf einer geteilten Bedrohungseinschätzung in Bezug auf Russland beruht oder für einige Staaten hauptsächlich die Funktion erfüllt, Trump und damit die USA gewogen zu stimmen. Dass die Investitionen zur Erreichung der NATO-Fähigkeitsziele nötig sein werden, bleibt jedoch unbestritten.

Beruhend auf der Annahme, dass nicht alle NATO-Staaten gleichermaßen motiviert sind, einen größeren Anteil ihres BIP in Verteidigung zu investieren und damit Verteidigung zugunsten anderer Politikfelder zu priorisieren, besteht die Gefahr, dass insbesondere die 1,5% hauptsächlich durch Umetikettierung von ohnehin stattfindenden Investitionen in „Dual-Use-Bereichen“ erreicht werden und eine Stärkung der Mitgliedsstaaten in diesen Bereichen somit nur auf dem Papier stattfindet. Auch weckt der nur vage vereinbarte Zeitplan zur Erreichung des 5%-Ziels Erinnerungen an die wenig enthusiastische Umsetzung des 2%-Ziels. Noch im Jahr 2024 hatten trotz der Zeitenwende in der globalen Sicherheitslage neun NATO-Mitglieder das 2%-Ziel der NATO nicht erreicht.

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© Datenquelle: BBC, https://www.bbc.com/news/articles/ckg3082d3ero Grafik: FNF

Die Rolle der EU

In welchem Umfang und mit welcher Ernsthaftigkeit sich die einzelnen NATO-Staaten tatsächlich auf die Umsetzung des 5% Ziels einlassen, hängt – insbesondere vor dem Hintergrund unterschiedlicher Bedrohungsanalysen und interner Probleme – maßgeblich davon ab, inwieweit es gelingt, weitere Investitionsanreize und Kooperationsanlässe zu schaffen. Hier kommt der europäischen Säule in der NATO und damit der EU eine wichtige Rolle zu.

Die EU-Initiative ReArm Europe/ Defence Readiness 2030 bietet mit ihren Kooperations- und Investitionsanreizen in Höhe von rund 800 Mrd. Euro für EU-Mitgliedstaaten ein unterstützendes Framework zur Erreichung der NATO-Ziele. Sollte das EU-Projekt die intendierte Zugkraft entfalten, wäre dies eine Sternstunde in der komplementären Zusammenarbeit von NATO und EU.

Was passierte am Rande des Gipfels?

Ein Gipfel ist stets mehr als der Inhalt der Gipfelerklärung. Insbesondere vor dem Hintergrund der schwankenden sicherheitspolitischen Meinung von Präsident Trump, auf dessen Bedürfnisse der gesamte Gipfel zugeschnitten war, wurde mit Spannung erwartet, wie dieser sich am Rande des Gipfels zu verschiedenen Themen äußert. Als Gewinn wurde verbucht, dass Trump sich am Ende des Gipfels in einem Statement zum Beistandsversprechen bekannte. Wie wichtig es für Trump war, mit der Durchsetzung des 5%-Ziels einen außenpolitischen Erfolg einzufahren, zeigt sich auch an seiner Drohung gegenüber dem zu den Skeptikern des 5%-Ziels zählenden Spanien, die Zölle zu verdoppeln. Dass am Rande des Gipfels ein Treffen zwischen Selenskyj und Trump stattfand, das Selenskyj als „lang und substanziell“ bezeichnete, kann als kleiner Erfolg der Europäer gewertet werden. Bei allen positiven Ergebnissen des Gipfels darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese stets unter dem Vorbehalt einer spontanen Meinungsänderung des US-Präsidenten stehen.

Am Rande des Gipfels wurden zudem einige Vereinbarungen getroffen, die die Inhalte der Abschlusserklärung komplementieren. Nennenswert sind hier eine Vereinbarung zwischen Norwegen und Deutschland zur gemeinsamen Munitionsbeschaffung von Marschflugkörpern für die neuen F35 Kampfflugzeuge sowie die Absichtserklärung Großbritanniens, eine Nuklear bestückbare Version der F35 in den USA zu kaufen und somit die seit dem Ende des Kalten Kriegs ausschließlich durch U-Boote gestützte Nukleare Abschreckung um eine flugzeuggestützte Komponente zu erweitern. Dass die USA bei beiden bekannt gemachten Vereinbarungen zudem wirtschaftlich profitieren, passt zu den Bemühungen der NATO-Staaten in Den Haag, den USA zu zeigen, dass sie von der NATO profitieren.