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Krypto Regeln

Bitcoin, die erste massentaugliche Kryptowährung, ist ein Krisenprodukt. Neben dem besonderen technischen Design der Blockchain war das Umfeld einer globalen Finanzkrise entscheidend für den Aufstieg digitaler Währungen. Der Vertrauensverlust in das etablierte Finanzsystem hat diese neue Währungs- und Anlageform so attraktiv für Millionen Investoren gemacht. Knapp ein Jahr ist es her, dass Kryptowährungen mit einer Gesamt-Marktkapitalisierung von 3 Billionen Dollar einen historischen Höchststand erreicht haben. Heute sind Bitcoin, Ethereum und Co weniger als ein Drittel dieser Summe wert. Allein Bitcoin hat rund 75 Prozent seines Wertes in den vergangenen 12 Monaten verloren. Verantwortlich für den Kurssturz sind die hohe Inflation und die gestiegenen Zinsen, die Kapitalströme in andere Richtung lenken aber vor allem Probleme bei verschiedenen Kryptoprojekten. Bereits Mitte Mai hat der spektakuläre Absturz von Terra für einen massiven Wertverlust von Kryptowerten gesorgt. Die vermeintliche Stablecoin war als Kryptowährung gedacht, die mithilfe eines komplexen Algorithmus etwas Stabilität in den notorisch volatilen Kryptomarkt bringen sollte. Letztendlich ist Terra an mangelnder Deckung durch liquide Währungen gescheitert und vernichtete Anlegervermögen in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar. Darauf folgte der Bankrott der Kryptoplattform Celsius mit 12 Milliarden US Dollar an verwalteten Vermögenswerten. Noch gravierender könnte sich nun die Insolvenz der Kryptobörse FTX auswirken. Die renommierte Financial Times schreibt in Anspiel auf die globale Finanzkrise bereits von Kryptos Lehmann Moment. Deutschsprachige Zeitungen vergleichen den Fall FTX mit dem Sturz des Finanzdienstleisters Wirecard.

Eine ausgewachsene Krypto-Finanzkrise

Ähnlich wie das Bankhaus Lehman Brothers vor rund 15 Jahren war auch die strauchelnde Kryptobörse FTX zuletzt dringend auf der Suche nach einem Käufer. Die auf den Bahamas ansässige Plattform hatte mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen, nachdem Zweifel an den Kapitalreserven zu einer Kundenflucht und Mittelabzügen in Milliardenhöhe geführt hatten. Zunächst stand Branchenprimus Binance als Käufer im Raum, zog sich aber nach einer Prüfung der Bücher zurück und so versuchte FTX vergeblich, Finanzmittel im Volumen von rund acht Milliarden Dollar an anderer Stelle zu beschaffen. Das Ausmaß der Pleite ist immens. Noch vor kurzem wurde die Börse mit 32 Milliarden US-Dollar bewertet. Große Investoren wie Black Rock waren beteiligt und stellen sich nun auf einen Totalausfall ein. Am gravierendsten ist der Schaden für Kleinanleger, die ebenfalls alles verlieren und natürlich den Kryptomarkt insgesamt. FTX gehörte zu den angesehensten und nach Handelsvolumen zu den größten Kryptobörsen der Welt. Mit ihr gehen rund 130 Firmen aus der FTX Group bankrott. Von einem Übergreifen der Krise auf den klassischen Finanzsektor ist allerdings nicht auszugehen, dafür sind die Summen zu gering. Umso größer ist allerdings der Vertrauensverlust in der Kryptobranche. Anders als bei Kryptos vermutet, stecken hinter den großen Plattformen in der Regel zentrale Akteure, die in der Lage sind, weitreichende Krisen auszulösen.

Untreueverdacht und Dark Krypto

Im Fall von FTX haben Behörden aus den Bahamas nun Ermittlungen gegen FTX und ihren berühmten Ex-Chef Sam Bankman-Fried aufgenommen, um zu überprüfen, ob kriminelles Fehlverhalten zu dem plötzlichen Absturz der Kryptobörse beigetragen hat. Auch das amerikanische Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC haben Untersuchungen angekündigt. Im Raum steht der Verdacht der Untreue. Laut Berichten sind rund eine Milliarden US-Dollar verschwunden und die britische Analysefirma Elliptic vermutet, dass 473 Millionen Dollar gestohlen worden seien.

Es ist nicht das erste Mal, dass Kryptos ins Blickfeld der Strafverfolgungsbehörden geraten. Bereits zu Beginn des ersten Bitcoin-Hypes haben die Nutzung von Kryptos für den Kauf von Drogen und anderen illegalen Substanzen auf der der Schwarzmarktplattform Silk Road die Ermittler auf den Plan gerufen. Später sind Kryptos unter Geldwäscheverdacht geraten und zuletzt ist im Kontext des russischen Angriffskrieges über deren Einsatz zur Umgehung von Sanktionen spekuliert worden. Dabei sind klassische Kryptowährungen denkbar ungeeignet für Geldwäsche, weil sich alle Transaktionen auf der Blockchain nachvollziehen lassen. Trotzdem hält sich der Vorwurf. Auch wenn die Ermittlungen wegen Untreue alles andere als kryptospezifisch sind, trägt der Fall FTX zu einem weitverbreiteten Image bei, in dem Kryptos als unseriös gelten. Was Regulierer und Strafverfolgungsbehörden tun können, um die Integrität von Kryptomärkten zu verbessern, untersucht die Studie „Dark Krypto“.

Auf der Suche nach der richtigen Regulierung

Dabei wird dieser Vertrauensverlust infolge der Insolvenz von FTX wenig an den Bestrebungen von Regulierern und Zentralbanken ändern, stärker Einfluss auf die Entwicklung digitaler Währungen zu nehmen. Ganz im Gegenteil, viele Akteure aus der Kryptobranche rufen nach einer stärkeren Regulierung, die einerseits Angebote mit kriminellen oder unseriösen Absichten vom Markt ausschließt und gleichzeitig Verlässlichkeit für Anleger, Investoren und Anbieter schafft. Am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank im Oktober haben G20 Vertreter und Vertreterinnen diskutiert, welche Regulierung es braucht, um zu verhindern, dass dezentrale Finanzprodukte die globale Finanzstabilität gefährden oder Kryptowährungen für illegale Zwecke missbraucht werden. Die Diskussion orientiert sich dabei an Vorschlägen des internationalen Finanzstabilitätsrats. Im Kern geht es dabei um eine effektivere Koordinierung und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden sowie einheitlichen regulatorischen Rahmenwerken für die G20. Wie gute Kryptoregulierung aussehen kann, wird dabei noch diskutiert und unterscheidet sich je nach Nutzungsform, wie die neue Studie „Krypto Regeln“ der Stiftung zeigt.