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Jahrestagung
IWF-Weltbank Jahrestagung: Das Multi-Krisen-Treffen

Containerschiffe

Ein Drittel der Weltwirtschaft steckt in einer technischen Rezession

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Wenn in dieser Woche politische Entscheidungsträger, internationale Organisationen und der Privatsektor in Washington zur Jahrestagung von IWF und Weltbank zusammenkommen, findet das Treffen in einer Zeit statt, in der der Weltwirtschaft die stärkste Konjunkturabschwächung seit 80 Jahren bevorsteht. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die anhaltenden negativen Auswirkungen von COVID-19 sorgen für hohe Inflation, eine Ernährungs- und Energiekrise und eine Verschärfung der Armut in großen Teil des globalen Südens. Fast die Hälfte aller afrikanischen Staaten sind derzeit von einem Staatsbankrott bedroht und leiden unter der hohen Verschuldung insbesondere gegenüber chinesischen Kreditgebern. Hinzu kommt der Kampf gegen den Klimawandel als Dauer- und Menschheitsaufgabe, der vor allem infolge der russischen Gaspolitik mindestens kurzfristig massiv zurückgeworfen wird. Der IWF hat in seinem Weltwirtschaftsbericht die globale Konjunkturprognose bereits zum vierten Mal nach unten korrigieren. Das Risiko einer Rezession steigt in vielen Ländern und auch eine globale Rezession wie zuletzt 2020 ist möglich. Bis 2026 erwartet der IWF einen Produktionsrückgang von vier Billionen Dollar. IWF-Chefökonom, Pierre Olivier Gourinchas warnt für 2023 von der „dunkelsten Stunde“ für die Weltwirtschaft. Gleichzeitig ist die internationale Gemeinschaft so gespalten wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.  

Rückkehr der Geoökonomie

Nicht wenige dieser Krisen gehen auf das Handeln autoritärer Staaten zurück. Der russische Überfall auf die Ukraine ist maßgeblich für die weltweite Ernährungs- und Energiekrise verantwortlich. Eine durch die Pandemie ohnehin bereits angespannte Situation ist in vielen Teilen der Welt zu einer existentiellen Herausforderung geworden. Die Entscheidung der vorrangig autoritären OPEC+ Staaten um Saudi-Arabien und Russland die Ölfördermenge zu reduzieren, verschärft die Energieversorgungsproblematik zudem nochmal. Dies könnte dazu führen, dass nun täglich bis zu 2 Millionen Barrel Rohöl weniger dem Markt zur Verfügung stehen. Das Erdölkartell stellt sich damit im Konflikt mindestens implizit auf die Seite Russlands. Doch die Wirtschaftskrise im globalen Süden wird nicht nur durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten infolge des Krieges verschärft, sondern auch durch Chinas Kreditvergabe an Schwellen- und Entwicklungsländer, die zu einer ausgewachsenen globalen Staatsschuldenkrise geführt haben. Während sich Weltbank, IWF und die G7 um konstruktive Lösungen für überschuldete Entwicklungsländer bemüht, hat China in der Vergangenheit das Gegenteil getan, um diese Länder in dauerhafter Abhängigkeit zu halten. 

G20 Finanzministertreffen unter Vorbehalt

Diese Spannungen werden sich auch beim Treffen der G20 Finanzministerinnen und Zentralbankchefs am Rande der Jahrestagung wiederspiegeln. Bereits beim Treffen im Frühjahr hatten einige Vertreter und Vertreterinnen der G7 den Saal aus Protest gegen den russischen Angriffskrieg verlassen, als Russland dort das Wort ergriffen hat. Zudem konnten sich die G20 nicht auf eine Abschlusserklärung einigen. Wenig deutet daraufhin, dass sich die mächtigsten 19 Wirtschaftsnationen und die EU dieses Mal auf ein gemeinsames Vorgehen gegen die Multi-Krise der Weltwirtschaft einigen werden. Einige Akteure, vornehmlich Russland, scheinen dabei auch gar kein Interesse an einer Problemlösung zu haben, hat der Kreml doch das Chaos maßgeblich mitverantwortet und Saudi-Arabien gerade die Energiekrise in vielen Staaten der Welt verschärft. Im Hinblick auf die Verschuldung im globalen Süden sowie die derzeitige Lage auf Finanzmärkten wäre ein gemeinsames Vorgehen der G20 Finanzminister und Notenbankgouverneure trotzdem wünschenswert. Zur Bekämpfung der Inflation kann aber auch bereits eine engere Abstimmung von Federal Reserve, Europäischer Zentralbank und weiterer Zentralbanken aus EU und G7 einen wesentlichen Beitrag für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik leisten. Die geschäftsführende Direktorin des IWF, Kristalina Georgiewa, mahnt an, dass die Zentralbanken jetzt alles unternehmen, um die Preissteigerungen in den Griff zu bekommen. Andernfalls drohe eine Verfestigung der Inflation mit höherem Anpassungsdruck und entsprechend negativen Auswirkungen für wirtschaftliches Wachstum.

Resilienz braucht Globalisierung

Um die Dauerkrise der Weltwirtschaft insgesamt zu bewältigen, sind globale Antworten gefordert, zumindest der demokratischen Staaten, aber auch einen neuen Ansatz der multilateralen Institutionen. Seit der Pandemie hat der Begriff Resilienz Hochkonjunktur und nicht wenige Beobachter verbinden damit eine Rückbesinnung auf die heimische Produktion. Doch eine Strategie der Abschottung schwächt die Weltwirtschaft genauso wie einzelne Volkswirtschaften. Die Phase einer stagnierenden Globalisierung in den vergangenen zehn Jahren hat gezeigt, dass weniger Handel, mehr Protektionismus und ein Rückgang von Kapitalflüssen mitnichten zu einer Verringerung der ökonomischen Ungleichheit führten. Um resilienter zu werden, brauchen offene Gesellschaften und Volkswirtschaften die internationale Arbeitsteilung und ein entsprechendes Wachstum. Ein Land, das mit einer Vielzahl von Ländern Handel betreibt und Unternehmen beheimatet, die ihre Lieferketten diversifiziert haben, ist besser gegenüber Krisen gewappnet als ein Land, das auf Protektionismus und eine Reduzierung der Handelsbeziehungen setzt. Die Lehre aus dem perfekten Sturm, den die Weltwirtschaft in den letzten Jahren durchlebt, muss eine Globalisierung sein, deren Akteure aufmerksam für geopolitische Risiken sind, aber trotzdem auf Kooperation setzen. Dazu können der IWF und die Weltbank einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie sich im Systemwettbewerb weiterentwickeln und dort Brücken bauen, wo es möglich ist, aber auch klar Position als Stützen einer liberalen Weltordnung beziehen.