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Landtagswahl in Bayern
Im Rechts der Mitte

Landtag of Bavaria
© picture alliance / Zoonar | Christian Offenberg

Wie erwartet, hat die CSU die Landtagswahl in Bayern gewonnen. Aber das hat sie schließlich seit 1954 immer getan. So weit, so normal. Nicht normal ist, dass die CSU mit 37,0 Prozent ihr schlechtes Ergebnis von 2018 diesmal sogar noch unterbot. Ebenfalls nicht normal für Bayern ist, dass ein Koalitionspartner der CSU sein Ergebnis zur vorherigen Wahl verbessert, so wie es die Freien Wähler mit 15,8 Prozent (+4,2) deutlich geschafft haben. Und schließlich nicht normal ist, dass neben diesen beiden konservativen Parteien, die auch zukünftig mit absoluter Mehrheit gemeinsam regieren könnten, weitere 14,6 Prozent für die AfD abfallen. Zwei Drittel konservative und ausgewiesen rechte Wähler hatte es in Bayern noch nicht einmal unter Strauß gegeben.

Auch in Bayern, wie schon in Hessen, wurden alle an der Ampelkoalition im Bund beteiligten Parteien abgestraft. Am härtesten traf es die FDP, die den Wiedereinzug ins Parlament deutlich verfehlte. Ähnlich schlecht ist das Ergebnis für die bayerische SPD, die auf nur noch 8,4 Prozent kam. Aber auch die Grünen konnten ihre vor der Wahl geäußerten Ambitionen, zweitstärkste Partei zu werden, nicht in die Realität umsetzen, verloren -3,2 Punkte und kamen auf 14,4 Prozent.

Die Gründe dafür sind zum Teil sehr landesspezifisch:

1. Dass die CSU erneut stärkste Partei werden würde, hatte schon vor der Wahl nicht im Geringsten in Zweifel gestanden. Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern war in den Vorwahlbefragungen auf hohe Akzeptanz und Wertschätzung getroffen. Die Menschen waren, nachweislich der Befragungen vor der Wahl, mit der Situation im Land mehrheitlich zufrieden. Der bayerische Ministerpräsident, dem wiederholt und weitestgehend unwidersprochen bundespolitische Ambitionen nachgesagt wurden, konnte auf gute Zustimmungswerte bauen. Die Freien Wähler hatten sich in den Jahren zuvor ein tragfähiges Image, insbesondere als Partei für die Interessen der ländlichen Räume, erwerben können. Die Grünen wurden nicht als Alternative zum bisherigen Koalitionspartner der CSU angesehen – zumal der Ministerpräsident aus seiner tiefen Abneigung gegen eine grüne Regierungsbeteiligung kein Hehl gemacht hatte.

Hauptthemen im Land waren, laut Infratest dimap, Wirtschaftliche Entwicklung, Zuwanderung, Klima und Energie sowie Innere Sicherheit. Dies lässt sich am Wahlergebnis durchaus ablesen, insbesondere bezüglich des guten Wahlergebnisses der Freien Wähler, denen in diesen Feldern viel Kompetenz beigemessen wurde.

2. Die CSU kann auf eine stabile und alle Bevölkerungsschichten durchziehende Abstützung bauen. Sie konnte bei dieser Wahl, vor dem Hintergrund einer gestiegenen Wahlbeteiligung, von allen Parteien - mit Ausnahme der AfD, an die Stimmen verloren gingen - hinzugewinnen. Auffällig ist aber, dass die CSU besonders bei den jüngsten und jüngeren Wählerinnen und Wählern sowie bei Arbeitern, Beamten und Selbständigen an Stimmen verlor.

3. Die Grünen haben sich, unter Marginalisierung der SPD, als mehr oder minder linke Alternative zur konservativen Landespolitik etabliert. Bemerkenswert ist, dass sich die Wählerschaft der Grünen aus allen Bevölkerungsschichten und-Gruppen rekrutiert. Folgerichtig konnten die Grünen, trotz Verlusten zur vorherigen Wahl, ihr zweitbestes Landesergebnis in Bayern erzielen. Dabei erzielten sie ihre besten Ergebnisse bei Personen mit formal hoher Bildung, bei Angestellten und Beamten.

4. Die SPD scheint in Bayern zunehmend verzichtbar zu werden. Das historisch schlechteste Wahlergebnis im Land spiegelt dabei nur die eine Seite. Bemerkenswert sind sowohl die in wichtigen Feldern (soziale Gerechtigkeit, bezahlbarer Wohnraum) erodierenden Kompetenz-, als auch die negativen Imagewerte der Sozialdemokraten in Bayern, wo 75 Prozent sagen: „Der SPD in Bayern fehlt überzeugendes Spitzenpersonal“, und 71 Prozent sagen: „Bei der SPD in der Bundesregierung weiß man nicht, wofür sie eigentlich steht“. Bemerkenswert aber auch der Verlust ursprünglich traditionell sozialdemokratisch wählender Bevölkerungsschichten, zum Beispiel bei den Arbeitern oder bei denjenigen, die ihre eigene wirtschaftliche Lage als weniger gut bzw. schlecht bewerten.

5. Der FDP gelang es nicht, den Wählern ein Funktionsargument zur Stimmabgabe zu liefern. Zum einen schadete ihr das von Vielen als negativ bewertete Image der Berliner Regierungskoalition. Zum anderen wurde die FDP nicht als Alternative, auch nicht als Ergänzung zu einer der möglichen Regierungskoalition benötigt. Auch durch die sich im Vorfeld schon abzeichnende schwache Position der SPD war die Ampel als einzig denkbare Regierungskoalition unter Beteiligung der Freien Demokraten außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Für diejenigen, die mit ihrem Votum Protest äußern wollten, war die FDP in deutlich geringerem Maße als bei der vorherigen Wahl Ansprechpartner.

6. Die Wahlbeteiligung in Bayern stieg im Vergleich zu vorherigen Wahl an. Dies nützte vor allem der AfD, die von allen anderen Parteien, aber speziell auch aus dem Nichtwählerlager deutlich an Stimmen hinzugewann. Auffällige Entwicklung: Der Zuspruch zur AfD basiert nicht nur auf dem Protestler-und Nichtwählerlager, sondern auch in Bayern konnte die AfD aus allen Parteien, zum Teil deutlich hinzugewinnen. Dabei ist die AfD die einzige Partei, deren Wählerschaft nahezu gleichgewichtig angibt, aus Verärgerung über oder Protest gegen die übrigen Parteien für die AfD zu stimmen, wie es aus Überzeugung zu tun

7. Die Freien Wähler besetzen erfolgreich eine Nische in Bayern, indem sie sich als Ergänzung zur CSU stilisieren. Sie gerieren sich als die Stimme der ländlichen Räume, thematisieren erfolgreich die „Stimme des Volkes“ und haben sich dadurch ein auch in den Vorwahlbefragungen erkennbares Image geschaffen. Hier fanden Aussagen wie „Ich fände es gut, wenn die Freien Wähler in Bayern erneut an der Regierung beteiligt wären“, „Die Freien Wähler verstehen am besten, was die Menschen auf dem Land brauchen“ oder „Die Freien Wähler sind näher an den Bürgern dran als andere Parteien“ deutlich mehrheitliche Unterstützung.

Fazit: Die Wahl in Bayern ist in vielem speziell und der Wahlausgang in weiten Teilen regional begründet. Der Rechtsruck allerdings, der sich im Wahlergebnis widerspiegelt, ist auffällig. Der bemerkenswerteste Satz des Wahlabends kam vom bayerischen Spitzenkandidaten der AfD, der im ZDF in einer Gesprächsrunde „stabile Mehrheiten rechts der Mitte“ erkannt zu haben glaubte. Der bayerische Ministerpräsident Söder stand daneben und schwieg.