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Klima
Hitzewelle in Deutschland: Hot town, summer in the city

Zahlreiche Menschen suchen bei hochsommerlichen Temperaturen den kühlenden Springbrunnen im Treptower Park auf.

Zahlreiche Menschen suchen bei hochsommerlichen Temperaturen den kühlenden Springbrunnen im Treptower Park auf.

© picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Der urbane Hitzeinseleffekt

Aber warum wird es in den Städten so heiß? Der sogenannte Hitzeinseleffekt sorgt dafür, dass sich Städte bei langanhaltenden Hitzeperioden besonders stark aufheizen (siehe Abbildung). Für diesen Effekt gibt es zahlreiche Ursachen. Städte haben einen hohen Anteil versiegelter Flächen und bieten damit wenig kühlende Verdunstungsmöglichkeiten für Wasser. Viele der verwendeten Materialien wie Beton, Asphalt oder Metall erhitzen sich besonders stark. Zudem treiben der städtische Verkehr und die Industrie die Hitzeentwicklung weiter an. An manchen Tagen – und insbesondere in den Nächten – kann der Unterschied der gemessenen Lufttemperatur zwischen Stadt und Umland bis zu 10 Grad Celsius betragen. Und damit nicht genug: Der gefühlte Temperaturunterschied kann sogar noch deutlich höher liegen

Hitzeinsel

Der urbane Hitzeinseleffekt

© Die liberale Stadt (https://shop.freiheit.org/#!/Publikation/1036)

Ein Großteil der Menschen in Deutschland empfindet Hitze als extrem unangenehm. Laut einer repräsentativen Umfrage geht es hierzulande fast jedem Zweiten während einer Hitzewelle schlechter als an einem „normalen“ Sommertag. Zu den häufigsten Beschwerden gehören Schlafprobleme, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Schwindel. Doch für viele Menschen ist Hitze nicht einfach nur unangenehm. Für Ältere, Kleinkinder und für Menschen mit Vorerkrankungen kann Hitze auch eine echte Gefahr sein. Im Jahr 2018 soll es bei den über 65-Jährigen mehr als 20.000 Todesfälle im Zusammenhang mit Hitze gegeben haben. Zum Vergleich: Die Anzahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr lag im selben Jahr bei 3.275. Hinzu kommt, dass sich die Schadstoffbelastung der Luft besonders in heißen Phasen bemerkbar macht. Das liegt unter anderem daran, dass Hitzewellen häufig von einem hohen atmosphärischen Druck begleitet werden. Dadurch „steht“ die Luft in den Städten und die Schadstoffbelastung steigt. Daher kommt es besonders in Hitzephasen zu einer Zunahme an Atembeschwerden und anderen gesundheitlichen Einschränkungen, die nicht zuletzt auf die Belastung der Atemluft zurückzuführen ist.

Für die Städte in Deutschland ergibt sich aus diesen Zusammenhängen ein wichtiger Handlungsauftrag: Sie müssen ihre Bewohnerinnen und Bewohner so gut wie möglich vor extremer Hitze schützen. Glücklicherweise existiert im Rahmen der Stadtplanung eine Reihe effektiver Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Zur Wahrheit gehört, dass diese Maßnahmen auch Nachteile mit sich bringen können. Was gut für den Hitzeschutz ist, muss nicht zwangsläufig gut für den Wohnungsbau sein. Wie so oft geht es also darum, Interessen abzuwägen und alle Auswirkungen politischer Entscheidungen im Blick zu behalten.

Grünflächen als Hitzepuffer

Mit einem intelligenten Vegetationsmanagement kann das Klima in der Stadt auch in Hitzeperioden erträglich gehalten werden. Denn Pflanzen verdunsten über die Oberfläche ihrer Blätter Wasser, wodurch die Umgebung deutlich abgekühlt wird. Durch eine ökologisch und städtebaulich sinnvolle Begrünung von öffentlichen Flächen – auch von Dach- und Fassadenflächen – können die Temperaturen in der Stadt also stabilisiert werden. Aber das ist noch längst nicht alles: Zusätzlich binden Pflanzen Schadstoffe aus der Luft und Treibhausgase gleichermaßen. Als weiteren positiven Nebeneffekt fördern grünere Städte das Wohlergehen ihrer Bewohner. Durch eine nachhaltige Bepflanzungsstrategie können die Stakeholder der Stadt – also öffentliche Verwaltung, Bewohnerinnen und Bewohner, Wohnungsunternehmen und Industriebetriebe – zusammen mit natürlichen Mitteln mehrere kritische Herausforderungen des städtischen Lebens gemeinsam angehen.

Intelligenter Hitzeschutz

Allein über eine Ausweitung von Grünflächen wird urbaner Hitzeschutz jedoch nicht gelingen – dafür sind auch die einhergehenden Interessenskonflikte (z.B. bei der Bereitstellung von Wohnraum) zu groß. Daher braucht es dringend weitere Ideen. Eine sinnvolle Auswahl an Baumaterialien, der Einsatz von modernen Technologien und die effizientere Beschattung von besonders betroffenen „Brennpunkten“ können beim Temperaturmanagement der Städte helfen. Angesicht der zu erwartenden klimatischen Entwicklungen kann man schon jetzt durch vorausschauende Sanierungen bzw. Neubauten zukünftige Hitzespitzen in den Städten abfedern. Dabei können Techniken aus historisch wärmeren Regionen auf die Verhältnisse in Deutschland angepasst und verfeinert werden. Andernfalls steht zu befürchten, dass die Lebensqualität in den deutschen Städten insbesondere in den Sommermonaten deutlich sinken könnte.

Mit einem klugen Maßnahmenmix, der alle positiven wie negativen Effekte gegeneinander aufwiegt, sind Städte der Hitze nicht hilflos ausgeliefert. Und jede und jeder kann einen Beitrag leisten. Denn viele Maßnahmen zum Hitzeschutz sind auch „im Kleinen“ möglich.

Dirk Assmann ist am Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit als Referent für den Bereich Innovationsräume und Urbanisierung verantwortlich.

Maximilian Luz Reinhardt ist am selben Institut Referent für Wirtschaft und Nachhaltigkeit.

18 Aug.
18.08.2022 18:00 Uhr
virtuell

"Die nächste Hitzewelle kommt bestimmt" - oder: Wie können wir überleben?

Im Gespräch mit Joachim Müller-Jung, Leiter der FAZ-Wissenschaftsredaktion